Am 19. Ein Besuch von unserm einzigen und besten Freunde dem Doktor Nachdem er Williams Augen untersucht hatte und sie nicht verschlimmert gefunden, fragte er, wohin wir nun zu gehen gedachten Ich antwortete, zu der billigsten Stätte, die wir finden könnten, und setzte hinzu, dass ich mich in den Nebenstraßen der Stadt nach einer billigen Wohnung umsehen wollte.
»Lassen Sie das Wohnung suchen, bis Sie wieder von mir hören,« sagte der Doktor »Ich habe jetzt einen Kranken, fünf Meilen von hier, in einem Pächter hause, zu besuchen; es ist nichts Ansteckendes an der Krankheit. Ein unvorsichtiger Bursche bedarf meiner Hilfe, der bei einem Sturz von dem Pferde das Schlüsselbein gebrochen hat. Sie dürfen also Ihrer Kinder wegen außer Sorge sein, Mistreß Kerby. Jene Pächterleute dort, nehmen zuweilen Mieter in ihr Haus auf, und ich wüsste nicht, weshalb Sie dort nicht auch Wohnung finden könnten? Ich werde anfragen. Wenn Sie gut, billig und im Vereine mit rechtschaffenen und liebenswürdigen Menschen leben wollen, so ist Appletreewick der richtige Platz dazu. Danken Sie mir jedoch nicht früher, bis ich weiß, ob Sie die neue Wohnung haben können. In der Zeit, welche zwischen meiner Antwort liegt, können Sie vielleicht Ihre Geschäfte hier beendigen.«
Mit den letzten Worten empfahl sich der gute Mann. Der Himmel gebe ihm Erfolg im Pächter hause! Auch die Gesundheit der Kinder wird gesicherter sein, wenn wir auf dem Lande leben können. Da ich gerade von den Kindern rede, muss ich auch erwähnen, dass Emilie die Perlenbörse beinahe fertig hat.
20. Eine wichtige Nachricht von dem Doktor! Man will uns in Appletreewick aufnehmen. Wir erhalten zwei Zimmer und die Kost bei der Familie für siebzehn Schilling in der Woche. Nach meiner Berechnung werden wir drei Pfund und sechzehn Schilling übrig behalten, nachdem alle Schulden abgetragen sind, diese Summe wird also für vier Wochen zu dem Notwendigsten ausreichen und es bleichen noch acht Schilling übrig. Wenn ich fleißig sticke, so kann ich noch neun Schilling dazu verdienen und damit wäre dann noch die fünfte Woche bezahlt. In der Zeit von fünf Wochen kommt mir vielleicht ein guter Plan zum Erwerben. Das werde ich nun meinem Manne mitteilen und es ihm so oft wiederholen, bis ich selbst daran glauben werde. William ist nicht so leichtgläubig wie ich, er nimmt die Dinge ernster; ja, er ist oft über alle Begriffe mutlos und traurig. Ich suche ihn dadurch aufzumuntern, dass ich ihn an die Jahre erinnere, in denen er für mich und die Kinder arbeitete und mache ihn darauf aufmerksam, dass diese Zeit wiederkehren wird, wie der Doktor versichert. Aber er seufzt und murmelt, dass er einer von den Unglücklichen sei, welche zur Last ihrer Frau zu leben bestimmt seien. Ich konnte nur antworten, was ich aufrichtig fühlte; nämlich, dass ich ihm am Altar schwor, ihm anzugehören in guten und bösen Tagen, dass ich die guten bis jetzt an seiner Seite genossen habe und dass es scheine, die bösen Tage wollten nur einmal erscheinen, um dann nie wiederzukehren. – Die Perlenbörse ist fast vollendet; sie ist hübsch, rot und blau in gestreiften Mustern.
Am 21. Ein geschäftiger Tag. Wir gehen morgen nach Appletreewick. Es gibt noch Rechnungen zu bezahlen und dann einzupacken. Des armen Williams Malergeräthschaften, Leinwand und noch andere Gegenstände kommen zusammen in eine Kiste. Er sieht so traurig aus und sitzt schweigend da, während sein Arbeitsgerät um ihn herum verschwindet Tränen kommen mir bei dem Gedanken in die Augen, dass er und diese, ihm so teuer gewordenen Dinge, sich vielleicht einander nicht mehr nahe kommen werden. – Dies geschieht mir, und ich gehöre doch nicht zu den Weichlichsten. Glücklicherweise hinderte ihn der Augenschirm, mich zu beobachten, denn ich wollte um keinen Preis, dass er mich weinen sehe.
Die Börse ist fertig. Aber wie werden wir nun noch zu den stählernen Ringen und Fransen kommen, die daran gehören? Aber ist es nicht der schönste Zweck, dem ich noch sechs Pence opfern will? —
Am 22. —
Am 23. In dem Pächter hause zu Appletreewick. – Zu müde nach unserer gestrigen Anstrengung, um noch ein Wort in mein Tagebuch zu schreiben über die Reise – nach diesem entzückenden Orte, tue ich dies heute, nachdem wir uns hier als Kolonisten niedergelassen haben.
Meine erste Beschäftigung an dem wichtigen Tage der Abreise war nicht der Reise gewidmet, sondern meiner Emilie. Ich kleidete das Kindchen sorgfältig an, damit es die Börse zu dem Doktor trage. – Ich bekleidete sie mit ihrem besten seidenen Röckchen, welches wohl an einigen Stellen geflickt war, doch sie gefiel mir darin! Ihr Strohhütchen erhielt schnell die Bänder von meiner Haube. Zum Schluss bekam sie noch ihres Vaters Halstuch, welches ein kleines Mäntelchen bildete, und so geschmückt trippelte mein kleiner Liebling, mit der Börse in der Hand, fort. Ach, diese lieben kleinen Händchen, sie sind so hübsch, dass ich es fast nicht bedauere, keine Handschuhe für sie zu besitzen. Sie werden sich über die Börse freuen, denn sie ist recht hübsch geworden; statt der stählernen Ringe und Fransen hat sie beides von weißen Perlen erhalten, die ich bei dem Zusammenpacken noch in einer Schachtel fand; sie harmonieren ausgezeichnet mit dem Roth und Blau der Börse. – Wie ich gedacht, der Doktor und sein Töchterchen waren über das Geschenk entzückt; sie beschenkten Emilie mit einem Arbeitskästchen und gaben ihr für ihre kleine Schwester noch eine Schachtel voll Bonbon mit. Das Kind kam mit vor Freude geröteten Wangen von dem Besuche zurück und erfreute ihren Vater mit der Erzählung ihrer kleinen Erlebnisse und besonders freute sie das Lob, welches die Börse erhalten hatte.
Am Nachmittage kam der Wagen, welcher uns und unsere kleine Habe nach Appletreewick bringen sollte. Es war ein schöner warmer Frühlingstag und doch schmerzte es mich tief, als ich sah, wie kränklich und traurig der arme William mit seinem Augenschirme in das wonnige Sonnenlicht blickte, nachdem man ihm in den Wagen geholfen hatte. »Gott mag wissen, Leah,« hub er dann an, »welche Folgen dies Alles für uns haben wird;« dann seufzte er tief und schwer und fiel wieder in seine frühere Schweigsamkeit zurück. Außerhalb der Stadt begegnete uns der Doktor »Glück mit Ihnen,« rief er uns zu, und dabei schwang er seinen Stock und schritt weiter. »Sobald Sie im Pächter hause heimisch geworden sind, werde ich Sie besuchen,« setzte er noch hinzu, und Emilie rief ihm ein Lebewohl nach, indem sie sich mit großer Anstrengung von dem Boden des Wagens aufzurichten suchte, wo sie einen Platz zwischen Bündeln bekommen hatte. Was mein Kind Alles vermag! Der Doktor stand still. Emilie ist sonst nicht sehr gesprächig, aber sie dankte ihm noch einmal für das Arbeitskästchen und für die Bonbon; er küsste dafür ihre Hündchen, reichte ihr mit dem Stock eine Blüte und ging dann erst weiter, und auch wir fuhren fort.
Wie würde mich diese Fahrt erfreut haben, wenn William sie hätte so sehen können wie ich. Freudig atmete Wärme über Feld und Flur, große Schatten flogen über die saftig grünen Wiesen und oben, an dem blauen Sommerhimmel, zogen zuweilen weiße Wolken, wie in feierlicher Prozession still vorüber.
Der Weg war hügelig, daher bat ich den Kutscher, die Pferde nicht so anzutreiben; wir fuhren sehr langsam und kamen auch erst nach einer Stunde bei dem Eingangsthor von Appletreewick an.
Vom 24. Februar bis zum 2. März. – Wir sind nun lange genug hier, um etwas über Ort und Menschen zu wissen. Zunächst von dem Orte: Wo jetzt das Pächterhaus steht, war früher eine berühmte Abtei. Der Turm steht noch, und das große Zimmer, wo die Mönche aßen und tranken, dient jetzt zu einem Kornspeicher. Das Haus scheint einige Zeit als Ruine dagestanden zu haben, denn nur zwei Zimmer sind von der früheren Einrichtung desselben geblieben. Die Kinder belustigen sich in den dunklen Gängen des Hauses und springen die Treppenstufen auf und ab, die zu den Schlafzimmern der Mönche geführt zu haben scheinen. Oft verirre ich mich in dem großen Hause, und der Pächter machte die lustige Bemerkung, er würde mir Wegweiser durch das Haus setzen lassen und