Väter und Söhne. Иван Тургенев. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Иван Тургенев
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Русская классика
Год издания: 0
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ist vielleicht die einzige Veränderung, die ich vorgenommen habe. Den habe ich fortgeschickt, nachdem ich mich entschlossen, keine freien Dworowi mehr im Dienst zu behalten, oder wenigstens ihnen keine Funktion anzuvertrauen, die irgendeine Verantwortlichkeit mit sich führt.«

      Arkad wies mit den Augen auf Peter.

      »Il est libre, en effet,« sagte Kirsanoff, »allein er ist ein Kammerdiener. Als Verwalter habe ich jetzt einen Bürger, der mir ein intelligenter Mann zu sein scheint. Ich gebe ihm jährlich 250 Rubel. Übrigens,« fuhr Kirsanoff fort und faßte dabei Stirn und Augenbrauen mit der Hand, eine Bewegung, die ihm eigen war, wenn er sich in Verlegenheit fühlte, »ich habe dir soeben gesagt, du werdest eben keine Veränderung in Marino finden. Ganz richtig ist das nicht, und ich halte es für meine Pflicht, dich vorher in Kenntnis zu setzen, obgleich dennoch …«

      Hier hielt er inne und fuhr bald darauf französisch fort:

      »Ein strenger Moralist würde ohne Zweifel meine Aufrichtigkeit unpassend finden, allein erstens könnte das, was ich dir anvertrauen will, doch nicht geheim bleiben, und zweitens weißt du wohl, daß ich stets meine eigenen Ansichten über die Beziehungen zwischen Vater und Sohn gehabt habe. Nach all dem gebe ich übrigens zu, daß du das Recht haben würdest, mich zu tadeln … In meinem Alter … mit einem Wort … das junge Mädchen … von dem du wahrscheinlich schon hast sprechen hören …«

      »Fenitschka?« fragte Arkad ungezwungen.

      Kirsanoff errötete etwas.

      »Sprich den Namen nicht so laut aus, ich bitte dich. Ja … nun, sie wohnt jetzt im Hause; ich habe ihr … zwei kleine Stübchen eingeräumt. Übrigens kann alles wieder geändert werden.«

      »Warum denn? Papa, ich bitte dich!«

      »Wird dein Freund einige Zeit bei uns bleiben? Es wird etwas Verwirrung machen …«

      »Meinst du Bazaroffs wegen, so hast du unrecht. Er ist über all das hinweg.«

      »Nein, auch deinetwegen,« fuhr Kirsanoff fort. »Fatalerweise ist der Flügel des Hauses nicht in bestem Stand.«

      »Das wird sich finden, Papa; es kommt mir aber vor, als suchtest du dich zu entschuldigen. Was hast du doch für ein zartes Gewissen!«

      »Ja, ohne Zweifel, ich sollte mir ein Gewissen daraus machen,« meinte Kirsanoff, der mehr und mehr errötete.

      »Geh doch, lieber Vater, ich bitte dich!« erwiderte Arkad mit wohlwollendem Lächeln. ›Welche Idee, sich über so etwas entschuldigen zu wollen,‹ sagte der junge Mann zu sich selbst, und indem er diesem Gedanken nachhing, erwachte in ihm eine nachsichtige Zärtlichkeit für die gute und schwache Natur seines Vaters, mit einem gewissen Gefühl von geheimer Überlegenheit verbunden.

      »Sprechen wir von der Sache nicht weiter, ich bitte dich,« fuhr er fort, im unwillkürlichen Genuß jener geistigen Unabhängigkeit, die ihn so hoch über jede Art von Vorurteil erhob.

      Kirsanoff, der fortfuhr, sich die Stirne zu reiben, betrachtete ihn zum zweitenmal durch die Finger und fühlte es wie einen Stich im Herzen … allein er mußte sich doch selbst anklagen.

      »Hier beginnen unsere Felder,« hob er nach langem Schweigen an.

      »Und das Gehölz gegenüber, gehört uns das nicht auch?« fragte Arkad.

      »Doch; ich habe es aber eben jetzt verkauft und es wird vor Ende des Jahrs noch geschlagen werden.«

      »Warum hast du es verkauft?«

      »Ich hatte Geld nötig; übrigens werden ja ohnehin alle dieser Ländereien bald den Bauern gehören.«

      »Und diese zahlen dir keine Abgaben?«

      »Das ist die Frage; zuletzt werden sie wohl bezahlen müssen.«

      »Es tut mir leid um das Gehölz,« sagte Arkad, indem er sich umschaute.

      Das Land, durch das sie fuhren, war gerade nicht malerisch. Eine weite angebaute Ebene erstreckte sich bis zum Horizont, und der Boden erhob sich stellenweise nur, um sich bald wieder zu senken; in seltenen Zwischenräumen erschienen kleine Wäldchen, und etwas weiter ab schlängelten sich mit niedrigem vereinzeltem Gesträuch bekleidete Schluchten hin, die ziemlich getreu den Zeichnungen entsprachen, wie sie sich auf den alten, noch von der Regierung der Kaiserin Katharina herdatierenden Flurkarten finden. Hie und da stieß man auch auf kleine Bäche, von nackten Ufern, oder auf Weiher, von schlechten Dämmen eingehegt; dann kamen arme Dörfer, deren niedrige Häuschen schwarze, zerfetzte Strohdächer trugen; armselige Scheunen zum Dreschen des Getreides, mit Wänden aus geflochtenen Baumzweigen und enormen, vor leeren Tennen gähnenden Toren; Kirchen, die einen aus Backsteinen, deren Gipsüberzug am Abfallen war, die andern aus Holz, mit schiefstehenden Kreuzen am Giebel und von schlecht unterhaltenen Gottesäckern umgeben. Arkad fühlte sein Herz ein wenig beklemmt. Als ob es so hätte sein müssen, hatten alle Bauern, die ihnen in den Weg kamen, ein klägliches Aussehen und ritten auf kleinen Mähren. Die Weidenbäume an der Straße mit ihren zerrissenen Rinden und ihren abgeschnittenen Zweigen nahmen sich wie Bettler in Lumpen aus, Kühe mit ungebürsteten Haaren, mager und scheu, weideten gierig das Gras längs der Gräben ab; man hätte glauben sollen, sie seien eben irgendwelchen mörderischen Klauen entkommen, und mitten im Glanz des Frühlings mahnte der Anblick dieser armen Tiere an das weiße Gespenst des endlosen, unbarmherzigen Winters mit seinem Frost und seinen Schneestürmen. – »Nein,« sagte Arkad zu sich, »das ist keine reiche Gegend; sie zeigt nichts von Wohlstand, nichts von beharrlichem Fleiß; so kann sie unmöglich bleiben, da muß eine Änderung geschaffen werden … Aber wie greift man das an?«

      Während Arkad hierüber nachdachte, war um ihn her der Lenz in schönster Entwicklung. Überall lichtes Grün: unter dem sanften Atem eines warmen, leichten Windes schwoll und glänzte alles, die Bäume, die Gebüsche, das Gras; von allen Seiten ertönten die nie endenden Triller der Lerchen, Kiebitze wiegten sich rufend über den feuchten Wiesen oder liefen still über die Ackerschollen weg; Raben, deren schwarzes Gefieder sich schön von dem zarten Grün der Saaten abhob, ließen sich da und dort sehen; nur im Roggen, der schon zu bleichen begann, waren sie schwerer zu unterscheiden, kaum dann, wenn ihre Köpfe auf einen Moment über dies wallende Meer aufragten. Arkad bewunderte dies Gemälde und seine trüben Gedanken schwanden allmählich. Er legte seinen Mantel ab und heftete einen so freudigen und kindlichen Blick auf seinen Vater, daß dieser sich nicht enthalten konnte, ihn von neuem in seine Arme zu schließen.

      »Bald sind wir da,« sagte Kirsanoff; »sobald wir auf diese Anhöhe gekommen sind, sehen wir das Haus. Wir beide werden uns verstehen, Arkad; du hilfst mir unser Gut verwalten, wenn es dich nicht zu sehr langweilt. Wir müssen uns eng aneinander anschließen und einander ganz kennen lernen. Nicht wahr?«

      »Gewiß,« antwortete Arkad, »aber welch herrlicher Tag!«

      »Zu Ehren deiner Ankunft, mein Lieber. Ja, der Frühling steht in seinem schönsten Glanz. Übrigens geht mirs wie Puschkin, du entsinnst dich der Verse:

      Frühling, holde Liebeszeit,

      Wie beschleicht mich Traurigkeit!«

      »Arkad!« rief Bazaroff von seinem Tarantaß her, »schick mir ein Streichholz; unmöglich, die Pfeife in Brand zu bringen.«

      Nikolaus Petrowitsch schwieg, und Arkad, der ihm mit einiger Überraschung, aber nicht ohne Interesse zugehört hatte, beeilte sich, ein silbernes Büchschen aus seiner Tasche zu langen und Peter damit zu Bazaroff zu schicken.

      »Willst du eine Zigarre?« rief dieser.

      »Gerne,« antwortete Arkad.

      Peter brachte mit dem Büchschen eine dicke schwarze Zigarre, die Arkad sogleich zu rauchen anfing, deren Geruch aber so stark war, daß Kirsanoff, der in seinem Leben nie geraucht hatte, unwillkürlich die Nase abwandte, doch ohne seinem Sohn, den er nicht stören wollte, seinen Widerwillen zu verraten.

      Eine Viertelstunde später hielten die beiden Gefährte vor dem Peristyl eines hölzernen, noch neuen Hauses, dessen Mauern grau verblendet und dessen eisernes Dach rot angestrichen war. Dies war Marino, sonst auch der »Neuhof« oder – von den Bauern – das »Waisenhaus« genannt.

      Viertes