– Wer hat Sie denn überhaupt gebeten sich mit mir zu unterhalten?
Paklin begann zu lachen: es war ein nervöses, gleichsam stickendes Lachen.
– Nun, lassen Sie es gut sein, Sie Liebe, Herzige, geben Sie mir Ihre Hand, seien Sie nicht böse – ich weiß ja: Sie sind seelengut – und ich bin auch gut . . . Nun?
Paklin streckte ihr die Hand entgegen . . . Maschurina blickte mit finsterer Miene zu ihm auf – gab ihm jedoch ihre Hand.
– Wenn Sie meinen Namen durchaus wissen wollen, – sagte sie mit derselben finsteren Miene, – es sei: ich heiße Thekla.
– Und ich – Pimen, fügte in tiefem Baß Ostrodumow hinzu.
– Ah! das ist gewiß sehr, sehr belehrend! Aber sagen Sie mit in diesem Falle, o Thekla! und Sie, o Pimen! sagt mir, warum Euer Benehmen gegen mich so feindselig, so unveränderlich – feindselig ist, während ich . . .
– Maschurina findet, – unterbrach ihn Ostrodumow – und nicht sie allein findet es – daß auf Sie kein Verlaß ist, weil Sie in allen Dingen nur die lächerliche Seite sehen.
Paklin drehte sich scharf auf den Absätzen um.
– Da ist er, der beständige Fehler der Leute, die mich beurtheilen, verehrtester Pimen! Erstens: ich lache nicht immer; zweitens aber – das kann nicht im Geringsten störend sein und man kann sich auf mich recht wohl verlassen, was auch durch das schmeichelhafte Vertrauen bewiesen wird, das mir grade in Euren Reihen mehr als ein Mal zu Theil geworden ist! Ich bin ein ehrenhafter Mensch, verehrtester Pimen!
Ostrodumow brummte etwas durch die Zähne, Paklin schüttelte den Kopf und wiederholte, bereits ohne jedes Lächeln:
– Nein! ich lache nicht immer! Ich bin kein vergnügter Mensch! Sehen Sie mich einmal an!
Ostrodumow lenkte seine Blicke auf den Sprechenden. – Wenn Paklin schwieg, wenn er nicht lachte, nahm sein Gesicht in der That einen fast wehmüthigen, verzagten Ausdruck an; es wurde wieder heiter und sogar boshaft, sobald er nur den Mund öffnete. Ostrodumow sagte jedoch nichts.
Paklin wandte sich wieder Maschurina zu.
– Nun, wie steht’s um das Studium? Machen Sie Fortschritte in ihrer wahrhaft menschenliebenden Kunst? Ist es doch ein schweres Stück, denke ich – dem unerfahrenen Bürger bei seinem ersten Eintritt in Gottes Welt behilflich zu sein?
– Nein, es ist gar keine Mühe dabei, wenn er nicht viel größer ist als Sie, – antwortete Maschurina, die eben ihr Examen als Geburtshelferin bestanden, mit selbstzufriedenem Lächeln. Sie war vor anderthalb Jahren, nachdem sie ihre dem Adel angehörende, wenig begüterte Familie verlassen, mit sechs Rubeln in der Tasche aus dem südlichen Rußland in Petersburg angekommen; hier war sie in eine Entbindungsanstalt eingetreten und hatte sich durch unermüdlichen Fleiß das erwünschte Attestat erworben. Sie war Mädchen . . . und ein sehr keusches Mädchen. Dabei ist nichts Wunderbares! denkt vielleicht mancher Skeptiker, sich dessen erinnernd, was über ihr Aeußeres gesagt worden ist. Es ist aber dennoch etwas Wunderbares und Seltenes! erlauben wir uns zu bemerken.
Als er ihre schlagfertige Antwort vernommen, fing Paklin wieder zu lachen an.
– Sie sind ein prächtiges Frauenzimmer, meine Liebe! – rief er aus. – Bin ganz gehörig abgeblitzt! Geschieht mir recht! Warum bin ich ein solcher Zwerg geblieben! Aber wo steckt denn eigentlich der Hausherr?
Nicht ohne Absicht war es geschehen, daß Paklin das Gespräch abzulenken versuchte. Es war ihm unmöglich, sich mit seinem zwerghaften Wuchs, seiner ganzen unansehnlichen Gestalt zu versöhnen. Er empfand das um so tiefer, da er die Frauen leidenschaftlich verehrte. Was hätte er Alles hingeben mögen, um ihnen zu gefallen! Das Bewußtsein seines kläglichen Aeußeren zehrte viel mehr an ihm, als seine niedrige Herkunft, seine wenig beneidenswerthe Stellung in der Gesellschaft. Sein Vater war ein einfacher Kleinbürger, ein Winkeladvocat und Assairist gewesen, der sich mittelst allerlei Unredlichkeiten bis zum Range eines Titular-Raths heraufgedient hatte. Als Verwalter verschiedener Güter und Häuser hatte er wohl manchen Kopeken erübrigt, darauf aber am Abend seines Lebens stark zu trinken angefangen und nach seinem Tode nichts hinterlassen. Der junge Paklin (er hieß Ssila Ssamssonytsch – was in seinen Augen gleichsam ein Hohn war1), hatte seine Erziehung in der Kommerzschule erhalten, wo er trefflich deutsch sprechen lernte. Später trat er dann nach allerlei schmerzlichen Widerwärtigkeiten in ein Privatcomptoir, wo er ein Jahresgehalt von 1500 R.S. bezog. Mit diesem Gelde ernährte er sich selbst, eine kranke Tante und eine bucklige Schwester. Zur Zeit unserer Erzählung hatte er eben das siebenundzwanzigste Jahr zurückgelegt. Paklin war mit vielen Studenten und jungen Leuten bekannt, die an seiner cynischen Keckheit, an der heiteren Bitterkeit seiner selbstgefälligen Rede, an seiner einseitigen, jedoch durchaus nicht pedantischen, jedenfalls unzweifelhaften Belesenheit Gefallen fanden. Nur selten geschah es, daß über ihn gespöttelt und gewitzelt wurde. Ein Mal verspätete er sich bei einer »politischen« Zusammenkunft . . . Als er in’s Zimmer trat, begann er sich gleich hastig zu entschuldigen. . . »Hasenfüßig war der arme Paklin« – hörte man in der Ecke Jemand singen – und Alle fingen laut zu lachen an. Auch Paklin lachte endlich auf, obgleich es ihm das Herz abdrückte. »Hat die Wahrheit gesagt, der Spitzbube!« – dachte er bei sich. Mit Neshdanow war er im griechischen Speisehaus, wo er zu Mittag zu essen und zuweilen überaus frei und scharf zu reden pflegte, bekannt geworden. Er versicherte, daß die Hauptursache seiner demokratischen Stimmung die abscheuliche griechische Küche sei, welche seine Leber afficire.
– Ja in der That wo bleibt denn unser Hausherr? – wiederholte Paklin. – Ich bemerke; er ist seit einiger Zeit gleichsam nicht recht bei Laune. Er ist doch nicht gar verliebt, um Gottes Willen!
Maschurina verzog das Gesicht.
– Er ist nach Büchern in die Bibliothek gegangen – zum Verlieben hat er jedoch keine Zeit und es ist auch Niemand dazu da.
– Aber Sie? wäre es fast den Lippen Paklin’s entschlüpft – Ich möchte ihn sehen, – sagte er laut, – weil ich über eine sehr wichtige Sache mit ihm zu sprechen habe.
– Was für eine Sache? – mischte sich Ostrodumow in die Unterhaltung – Unsere Sache?
– Vielleicht auch Ihre . . . d.h. unsere, die allgemeine Sache.
Ostrodumow verstummte. Er konnte ihm im Herzen doch nicht recht Glauben schenken, dachte aber: »Weiß der Teufel! Ein rechter Schleicher!«
– Da kommt er endlich, – rief Maschurina plötzlich – und in ihren kleinen, häßlichen, auf die Vorzimmerthür gerichteten Augen blitzte es auf so warm und zärtlich, so hell und tief. . .
Die Thür öffnete sich – und es trat, die Mühe auf dem Kopf und ein Packet Bücher unter dem Arme, dieses Mal ein junger, ungefähr dreiundzwanzigjähriger Mann in’s Zimmer, – es war Neshdanow.
Zweites Capitel
Beim Anblick der Gäste, die sich in seiner Behausung befanden, blieb er auf der Thürschwelle stehen, ließ die Augen im Kreise umherschweifen, schleuderte die Mütze fort, warf die Bücher zu Boden – und ging auf das Bett zu, auf welches er sich dann schweigend niederließ. Sein hübsches, weißes Gesicht, das in Folge der rothbraunen Farbe des welligen Haares noch weißer erschien, drückte Unzufriedenheit und Erbitterung aus.
Maschurina, die sich ein wenig abgewandt hatte, biß sich auf die Lippen, Ostrodumow brummte: Endlich!
Paklin trat zuerst an Neshdanow heran.
– Was ist Dir, Alexei Dmitrijewitsch, Du Hamlet Rußlands? Hat Dich Jemand gekränkt? Oder ist Dir – ohne Grund – plötzlich so weh geworden?
– Hör’ auf, bitte, Rußlands Mephistopheles – antwortete in gereiztem Tone Neshdanow. – Ich bin jetzt nicht ausgelegt, mich in flachen Witzen mit Dir zu ergehen.
Lachend entgegnete Dieser:
– Deine