Ein Legat. Gerard Keller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerard Keller
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Nadering hatte dieses Vorurtheil gegen ihren Mann aus seinem eigenen Munde kennen gelernt, und als er nun so lange mit dem Jesuiten in der Nebenstube blieb, dachte sie, es könne am Ende wirklich etwas daran sein, und sie fand, daß er lieber kurzen Proceß mit solchen Leuten machen sollte und daß er jedenfalls seiner Schwäche und Gutmüthigkeit zu viel nachgab. Namentlich fühlte sie dies jetzt, denn es war ein Brief des nach Helmstadt berufenen zweiten Predigers angekommen, auf dessen Inhalt sie entsetzlich neugierig war, weil sowohl ihr Reiseplan für diesen Sommer, als auch die Herrichtung der Fremdenstube damit im Zusammenhang stand. Und dies Alles blieb nun wegen dieses Jesuiten noch ein Geheimniß!

      »Ich begreife nicht, über was du mit solchem Menschen so lange plaudern kannst!« sagte sie verdrießlich, als der Prediger endlich in die Wohnstube kam.

      »Nun, nun, liebes Kind, wir haben das Gemälde des Onkels einmal betrachtet.«

      »Und was will er dafür geben?«

      »Danach habe ich nicht gefragt.«

      »Wenn du noch mit ihm darüber gesprochen und einen guten Preis dafür verlangt hättest!«

      »Einen Preis?« entgegnete Nadering, »ich habe das Bild dem Museum versprochen.«

      »Ganz umsonst?«

      »Ganz umsonst, natürlich; ich kann nichts mit dem Gemälde machen und Walther meinte auch, daß es nicht viel werth sei, die Hände allein sind gut.«

      »Du hast dich wieder durch diesen Jesuiten übertölpeln lassen.«

      »Aber, liebes Weib, nenne Walther doch nicht Jesuit, dazu sind wir denn doch zu verständig – was ist das für ein Brief?«

      »Er liegt schon eine Stunde hier. Darum habe ich dich ja so ungeduldig erwartet; er ist von Rodermann.«

      »Und wann wird er ankommen?«

      »Du weißt wohl, daß ich nicht in deine Briefe hineinsehe,« sagte Frau Nadering, noch mit einem Restchen von Aerger, welches jedoch rasch verschwand, als ihr Gemahl den Brief laut vorlas, wodurch sie mit ihm zu gleicher Zeit erfuhr, daß der neue Prediger in sechs Wochen seinen Einzug halten werde.

      »Das ist nun der Siebente, der nach mir hierher kommt,« sagte Nadering etwas verdrießlich, »und Alle sind rasch wieder von hier fortgeholt worden, nur den alten Nadering läßt man in Ruhe.«

      Seine Frau seufzte, aber sie empfand sofort Reue darüber, sie wollte den Kummer, welchen ihr Mann vielleicht empfand, nicht vermehren und sagte mit einem Blicke aus ihren freundlichen Augen: »Er würde auch nicht gern von hier fortgehen, nicht wahr?«

      »Richtig,« erwiederte Nadering, »wir haben hier Alles, was wir wünschen können, und wenn nun ein College kommt, der etwas mehr in der Richtung der Andersdenkenden predigt, hat die Gemeinde auch Alles, was sie verlangt.«

      In dieser Hinsicht irrte er sich übrigens, denn obgleich man ihn leiden mochte und ihn gern sah, waren seine Predigten doch bei Niemand beliebt; sie waren, wie man zu sagen pflegte, weder Wasser noch Milch, und keine der verschiedenen Parteien fand bei ihm ihre Rechnung. Wären nicht einige Zuhörer aus persönlicher Anhänglichkeit ihm treu geblieben, so hätte er meist vor leeren Bänken und Stühlen gepredigt. In diesem Punkte war der sonst so hellsehende Mann vollständig blind.

      Sechs Wochen später hielt der neue Prediger seine Antrittsrede, und einige Wochen darauf verließ Pastor Nadering mit seiner Frau das Pfarrhaus zu Helmstadt, um seine lange projectirte Reise auszuführen, die ihm einige Erholung nach den schweren Amtspflichten und seiner Frau etwas Abwechselung in ihr eintöniges Leben bringen sollte. Die Reise ging nicht sehr weit, denn sie hatten in der Nähe, bei Bekannten und Amtsgenossen, freies Unterkommen, und da Nadering überhaupt noch nicht viel gereist war, so erklärte er es für seine Pflicht, zuerst das nähere Vaterland kennen zu lernen.

      Ganz erholt und erfrischt kehrten sie wieder in das Pfarrhaus zurück, und noch an demselben Abend kam einer der Nettesten, um Nadering über das gottesdienstliche Leben während seiner Abwesenheit zu berichten. Natürlich war die Hauptfrage, wie Pastor Rodermann gefalle.

      »Ach, neue Besen kehren immer gut, aber wenn er erst so lange hier ist wie Sie, werden wir uns besser kennen.«

      »Gewiß,« sagte Nadering, dem diese Bemerkung gerade nicht besonders zusagte, »aber wie gefällt er in seinem Thun und Lassen? Seine Predigten kenne ich.«

      »O, sehr gut. Er scheint voll Eifer, voll Feuer, voll Lust zur Sache und ist schon überall gewesen.«

      »Und hat er alle Amtsverrichtungen gut wahrgenommen?«

      »Ohne Ausnahme – ja; aber warten Sie – Nohr hat mir gesagt, daß er am vergangenen Donnerstag Mittag nicht gekommen sei.«

      »Nicht?« Nadering zog die Augenbrauen bedenklich in die Höhe, »er weiß doch, daß dafür eine Summe ausgesetzt ist?«

      Der Aelteste wußte das nicht bestimmt zu sagen, aber abgesehen davon, glaubte er doch auch, daß die Bibelstunde am Donnerstag wohl ausfallen könnte.

      »Hm,« sagte Nadering, »vielleicht!« und er zuckte mit den Achseln und schüttelte dann mit dem Kopfe. Es war eine Frage, über welche er sich nicht so bestimmt auslassen konnte. Aber als der Aelteste weggegangen war, sagte er zu seiner Frau: »Ich hoffe nicht, daß unser College an den Einrichtungen rütteln wird, das könnte üble Folgen nach sich ziehen.«

      Aber der College hatte dennoch Lust, daran zu rütteln, und als die beiden Herren den folgenden Tag zusammentrafen, sagte Rodermann sehr bald:

      »College, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen wegen der Donnerstagsbibelstunde.«

      »So?«

      »Ja, ich glaube, es ist besser, wenn wir sie abschaffen, was mir keine Schwierigkeit zu machen scheint.«

      »Im Gegentheil; für diese Bibelstunde besteht ein Legat, was Sie vielleicht schon wissen, es ist dafür ein Capital von fünfundzwanzigtausend Gulden festgesetzt, und jeder von uns bezieht jährlich fünfhundert Gulden dafür.«

      »Es ist so, aber wie ich höre, kommt nie Jemand; die Herren sitzen im Club, die Damen machen Visiten und die Bürgersleute sind bei der Arbeit.«

      »Sie könnten doch aber kommen!«

      »Aber sie kommen nicht, und eine Stunde sitzen und auf Menschen warten, die nicht kommen, ist eine Erniedrigung unseres Standes, es ist –«

      »College, können Sie die fünfhundert Gulden entbehren?«

      »Nein – aber ich werde Ihnen den Vorschlag machen, einen anderen Tag und eine bessere Stunde zu demselben Zwecke zu bestimmen; unsere Absicht ist doch, nützlich zu sein.«

      »Ganz richtig,« bestätigte Nadering, »aber, College, es geht nicht.«

      »Es geht nicht? Nun, lieber Freund, ich bin jünger, als Sie, aber ich habe schon andere Veränderungen zu Wege gebracht. In meiner letzten Gemeinde habe ich nicht nur den Sonntagsgottesdienst vollständig verändert, sondern auch das Reglement für die Diakonen umgearbeitet und –«

      »Standen damit auch Legate in Verbindung?«

      »Nicht, daß ich wüßte, aber das macht mir nicht bange. Unser Leben ist ein Kampf und wir dürfen nicht zurückschrecken, wo es sich um das Wohl der Gemeinde handelt. Soll ich die Sache in die Hand nehmen?«

      »Ueberlegen Sie zuvor –«

      »Wir müssen das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Der geeignete Zeitpunkt ist da: der neue Pastor giebt den besten Vorwand. Sonst sagt man, daß es so lange gegangen ist und auch weiter gehen kann. Wirklich, College, wir dürfen nicht zaudern.«

      »Und die fünfhundert Gulden?«

      »Das Geld müssen wir aus dem Spiele lassen, wir dürfen den Herrn nicht um einiger hundert Gulden willen verrathen.«

      Nadering schwieg und versprach darüber nachzudenken.

      Rodermann sah jedoch ein, daß dies lange dauern könne, und er beschloß, die Sache unter der Hand zu betreiben. Es währte nicht lange, so kam Nadering zu Ohren, daß die beiden Prediger die Absicht hätten, dem Kirchenrathe eine Vorstellung