Der Weg ins Freie. Arthur Schnitzler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Schnitzler
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Reise und noch einmal im Namen… «

      »Pst«, sagte Ehrenberg und verschwand.

      »Wofür dankst du eigentlich dem Papa?« fragte Else sie leise.

      »Für eine Spende, um die ich ihn unverschämterweise bitten kam. Aber es gibt sonst keinen reichen Mann in meinem Bekanntenkreis. Über den Zweck zu reden bin ich nicht berechtigt.«

      Frau Ehrenberg trat zu Bermann und Nürnberger hin, die über den Klavierdeckel hinweg mit einander sprachen, und sagte leise: »Sie wissen doch, daß sie… «, sie wies mit den Augen auf Therese, »eben aus dem Gefängnis entlassen worden ist?«

      »Ich habe davon gelesen«, erwiderte Heinrich…

      Nürnberger kniff die Augen zusammen und warf einen Blick auf die Gruppe in der Ecke, wo die drei Mädchen mit Stanzides und Willy Eißler plauderten, und schüttelte den Kopf. »Was für eine Bosheit unterdrücken Sie?« fragte Frau Ehrenberg.

      »Ich denke eben, wie leicht es sich hätte fügen können, daß Fräulein Else zwei Monate im Gefängnis hätte schmachten müssen, und daß Fräulein Therese in einem eleganten Salon als Tochter des Hauses Cercle hielte.«

      »Leicht fügen… ?«

      »Herr Ehrenberg hat Glück gehabt, Herr Golowski Pech… das ist vielleicht der ganze Unterschied.«

      »Na hören Sie, Nürnberger«, sagte Heinrich, »Sie werden das Individuelle doch nicht vollkommen aus der Welt leugnen wollen… Else und Therese sind doch ziemlich verschiedene Naturen.«

      »Das denke ich auch«, bemerkte Frau Ehrenberg.

      Nürnberger zuckte die Achseln. »Beide sind junge Mädchen, recht begabt, recht hübsch… alles übrige ist wie bei den meisten jungen Damen – und wohl bei den meisten Menschen, mehr oder weniger angeflogen.«

      Heinrich schüttelte lebhaft den Kopf. »Nein, nein«, sagte er, »so einfach ist das Leben doch nicht.«

      »Es ist darum nicht einfacher, lieber Heinrich.«

      Frau Ehrenbergs Blick war auf die Tür gerichtet und leuchtete. Felician war eben eingetreten. Mit nachtwandlerischer Sicherheit ging er auf die Hausfrau zu und küßte ihr die Hand. »Ich habe eben das Vergnügen gehabt, Herrn Ehrenberg auf der Stiege zu begegnen… Er fährt nach Corfu, wie er mir sagt. Dort muß es jetzt wunderschön sein.«

      »Sie kennen Corfu?«

      »Ja, gnädige Frau, eine Kindheitserinnerung.« Er begrüßte Nürnberger und Bermann, und sie redeten alle über den Süden, nach dem Bermann sich sehnte und an den Nürnberger nicht glaubte.

      Georg drückte seinem Bruder zur Begrüßung und zugleich zum Abschied die Hand. Wie er, unauffällig durch die offene Tür des Speisezimmers verschwindend, sich noch einmal umsah, bemerkte er Marianne, die in der entferntesten Ecke des Salons saß und ihm mit dem Lorgnon spöttisch nachblickte. Es war immer die rätselhafte Gabe dieser Frau gewesen, plötzlich da zu sein, ohne daß man wußte, wo sie herkam. Noch auf der Stiege trat ihm eine verschleierte Dame in den Weg. »Eilen Sie doch nicht so, sie kann schon noch einen Moment warten«, sagte sie. »Man darf die Frauen überhaupt nicht so verwöhnen… Ob Sie's auch so eilig hätten, wenn Sie zu einem Rendezvous mit mir gingen… ? Aber davon wollen ja Sie nichts wissen. Wahrscheinlich, weil Sie Angst haben, daß Sie mein Mann niederschießt, wenn er aus Stockholm zurückkommt, das heißt, heute ist er wohl schon in Kopenhagen. Aber er setzt vollkommenes Vertrauen in mich. Mit Recht übrigens. Denn ich kann Ihnen schwören, weiter als bis zu einem Kuß auf die Hand… nein, um nicht zu lügen, auf diesen Hals, hat es noch niemand gebracht. Sie glauben gewiß auch, daß ich mit dem Stanzides ein Verhältnis gehabt habe? Nein, der wäre nichts für mich! Schöne Männer sind mir überhaupt ein Graus. Auch an Ihrem Bruder Felician kann ich nichts finden… «

      Es war nicht abzusehen, wann die verschleierte Dame zu reden aufhören würde, denn es war Frau Oberberger. Bei andern Frauen hätte das gleiche Benehmen ein gewisses Entgegenkommen bedeutet, nicht so bei ihr, der man, so zweifelhaft ihre ganze Art erscheinen mochte, noch nie einen Liebhaber hatte nachsagen können. Sie lebte in einer sonderbaren, aber anscheinend glücklichen, kinderlosen Ehe. Ihr schöner und glänzender Gemahl, Geologe von Beruf, hatte in früherer Zeit Entdeckungsreisen unternommen, wobei er, wie Hofrat Wilt behauptete, nicht so sehr auf die Unerforschtheit der betreffenden Landstriche als auf gute Fahrgelegenheiten und einwandfreie Küche Wert gelegt haben sollte. Seit einigen Jahren aber begab er sich nur mehr auf Reisen, um Vorträge zu halten und Frauen zu erobern. Wenn er wieder daheim war, lebte er mit seiner Gattin in bester Kameradschaft. Schon manchmal, aber immer flüchtig, hatte Georg die Möglichkeit eines Verhältnisses mit Frau Oberberger erwogen. Er war sogar einer von jenen, die ihren Hals geküßt hatten, woran sie sich wahrscheinlich selbst nicht mehr erinnerte. Und als sie jetzt den Schleier zurückschlug, ließ Georg wieder einmal den Reiz dieses nicht mehr ganz jugendlichen, aber anmutig-bewegten Gesichts mit Vergnügen auf sich wirken. Er wollte ihr ins Wort fallen, sie aber sprach weiter: »Wissen Sie, daß Sie sehr blaß sind? Sie müssen ein nettes Leben führen. Was ist das übrigens für ein Weib, durch das Sie mir diesmal entrissen werden?«

      Hofrat Wilt, unhörbar wie meistens, stand plötzlich neben ihnen. Beiläufig, überlegen und galant warf er hin: »Küß die Hand schöne Frau, grüß Sie Gott Baron… « und wollte weiter.

      Frau Oberberger aber fand es angemessen, ihm vorerst noch mitzuteilen, daß Baron Georg sich soeben zu einer Orgie begebe, wie das so seine Art sei, – dann folgte sie dem Hofrat in den zweiten Stock, auf die Gefahr hin, wie sie bemerkte, daß man ihn, wenn er zugleich mit ihr bei Ehrenbergs erschiene, für ihren fünfundneunzigsten Liebhaber halten würde.

      Es war sieben Uhr, als Georg sich endlich in einen Wagen setzen konnte, um nach Mariahilf zu fahren. Er fühlte sich von den zwei Stunden bei Ehrenbergs geradezu abgespannt, und mehr noch als sonst freute er sich auf das Zusammensein mit Anna, das ihm bevorstand. Seit jenem Vormittag in der Miniaturenausstellung hatten sie einander beinahe täglich gesehen; in Gärten, in Bildergalerien, bei ihr zu Hause. Meist unterhielten sie sich über die kleinen Begebenheiten ihres Daseins, oder plauderten von Büchern und Musik. Von vergangenen Zeiten sprachen sie nicht oft; und wenn es geschah, ohne Mißtrauen und Zweifel. Denn noch waren die Abenteuer, aus denen Georg kam, für Anna nicht vom beängstigenden Dufte des Geheimnisvollen umwoben; und daß sie selbst schon manche schwärmerische Neigung empfunden hatte, vernahm Georg aus ihren scherzenden Andeutungen heiter, unbesorgt, ja ohne weiter zu fragen. In einem menschenleeren Saal der Liechtensteingalerie hatte er sie vor acht Tagen zum erstenmal geküßt, und von diesem Augenblick an nannte Anna ihn du, als wäre eine fremdere Anrede ihr von nun an wie etwas Lügenhaftes erschienen.

      Der Wagen hielt an einer Straßenecke. Georg stieg aus, zündete sich eine Zigarette an und ging auf und ab, dem Hause gegenüber, aus dem Anna kommen mußte.

      Nach wenigen Minuten schon trat sie aus dem Tor. Er eilte über die Straße ihr entgegen, und beglückt küßte er ihr die Hand. Wie gewöhnlich, weil sie auf ihren Fahrten meist zu lesen pflegte, hatte sie ein Buch mit sich, in einem Einband von gepreßtem Leder.

      »Es ist ja kühl, Anna«, sagte Georg, nahm ihr das Buch aus der Hand und half ihr in die Jacke, die sie über dem Arm getragen hatte.

      »Ich habe mich nämlich ein bißchen verspätet«, sagte sie »und war sehr ungeduldig, dich zu sehen. Ja«, setzte sie lächelnd hinzu, »man hat auch seine Temperamentsausbrüche. Was sagst du denn zu meinem neuen Kostüm«, fragte sie, indem sie weiterspazierten.

      »Steht dir sehr gut.«

      »In meiner Lektion hat man gefunden, ich sähe aus wie eine Hofdame.«

      »Wer hat das gefunden?«

      »Frau Bittner selbst, und ihre beiden Töchter, die ich unterrichte.«

      »Ich würde lieber sagen: wie eine Erzherzogin.«

      Anna nickte befriedigt.

      »Also jetzt erzähl mir Anna, was du seit gestern alles erlebt hast.«

      Ernsthaft begann sie. »Um zwölf, nachdem ich mich am Haustor von dir getrennt, Mittagessen im Familienkreis. Nachmittag ein wenig geruht und an dich gedacht. Von