Der Sohn von d’Emery war beinahe erstickt worden. Einer von den Meuterern machte nämlich den Vorschlag, ihn zu pressen, bin er das Gold, welches er verschlungen, zurückgegeben hätte. Der Rath entschied an diesem Tages Nichts, denn der Oberintendant war zu sehr von diesem Ereigniß ergriffen, um den Kopf frei zu haben.
Am andern Tage wurde der erste Präsident, Mathieu Molé, dessen Muth bei allen diesen Angelegenheiten, sagt der Cardinal von Retz, dem den Herrn Herzoge von Beaufort und dem den Herrn Prinzen von Condé, das heißt der zwei Männer gleich kam, welche für die Bravsten von Frankreich galten, am andern Tage, sagen wir, wurde der erste Präsident ebenfalls angegriffen. Das Volk drohte ihm, sich an seine Person wegen des Schlimmen zu halten, das man ihm zufügen wollte; aber der erste Präsident antwortete mit seiner gewöhnlichen Ruhe, ohne zu staunen oder sich zu erhitzen, wenn die Aufrührer nicht dem Willen des Königs gehorchten. so würde er Galgen auf den öffentlichen Plätzen errichten, um sogleich die Meuterischsten unter ihnen hängen zu lassen. Diese erwiderten hierauf, es wäre ihnen nichts lieber, als Galgen errichten zu sehen, sie würden dazu dienen, die schlechten Richter zu hängen, welche die Gunst des Hofes mit dem Elend den Volkes erkauften.
Das war noch nicht genug. Am 11. wurde die Königin, als sie zu der Messe in Notre-Dame ging, was sie regelmäßig jeden Sonnabend that, von mehr als zweihundert Frauen verfolgt, welche schrieen und Gerechtigkeit forderten. Sie hatten indessen keine böse Absicht und wollten sich ihr nur zu Füßen werfen, um ihr Mitleid rege zu machen. Aber die Wachen verhinderten sie daran, und die Königin ging hochmüthig und stolz, ohne auf ihr Geschrei zu hören, an ihnen vorüber.
Am Nachmittag versammelte sich der Rath abermals, und es wurde beschlossen, das Ansehen den Königs aufrecht zu halten. In Folge hiervon berief man das Parlament auf den nächsten Tag.
An diesem Tage, demjenigen, an dessen Abend wir diese neue Geschichte eröffnen, ließ der König, der damals zehn Jahre alt war und kurz zuvor die Pocken gehabt hatte, unter dem Vorwande, in Notre-Dame sein Dankgebet zu verrichten, seine Garden, seine Schweizer und seine Musketiere ausrücken, stellte sie um das Palais Royal, auf den Quais und auf dem Pont-Neuf auf, und begab sich, nachdem er die Messe gehört hatte, in das Parlament, wo er bei einem improvisirten Lit de Justiec3 nicht allein seine früheren Edicte bestätigte, sondern auch fünf bin sechs neue erließ – eines immer verderblicher, als das andere, sagt der Cardinal von Retz, so daß der erste Präsident, der, wie man sehen konnte, in den vorhergehenden Tagen für den Hof war, sich dennoch kühn gegen diese Art und Weise, den König in den Palast zu führen, um die Stimmfreiheit zu unterdrücken, erhob.«
Diejenigen aber, welche sich besonders stark gegen die neuen Steuern auflehnten, waren der Präsident Blancmesnil und der Rath Broussel.
Nachdem diese Edicte erlassen waren, kehrte der König nach dem Palais Royal zurück. Eine große Volksmenge befand sich auf seinem Wege. Da man aber wußte, daß er nun dem Parlamente kam und da es noch nicht ruchbar geworden war, ob er sich dahin begeben hatte, um dem Volke Gerechtigkeit widerfahren u lassen oder um dasselbe auf’s Neue zu bedrücken, so ertönte nicht ein Freudenruf, um ihn wegen seiner Wiederherstellung zu beglückwünschen. Alle Gesichter waren im Gegentheil düster und unruhig, einige sogar drohend.
Trotz seiner Rückkehr blieben die Truppen auf dem Platze, denn man befürchtete, es würde eine Empörung ausbrechen, sobald man das Resultat der Parlamentssitzung erführe, und in der That. kaum verbreitete sich in den Straßen das Gerücht, daß der König, statt die Steuern zu vermindern, dieselben vermehrt hatte, als sich Gruppen bildeten und von allen Seiten der Ruf erscholl: »Nieder mit Mazarin! es lebe Broussel! es lebe Blancmesnil!« Denn das Volk wußte bereits, daß Broussel und Blancmesnil zu seinen Gunsten gesprochen hatten, und obgleich ihre Beredtsamkeit keinen Erfolg gehabt hatte, war es ihnen doch nicht minder dankbar.
Man wollte diese Gruppen zerstreuen, man wollte das Geschrei verstummen machen; aber wie dieß in solchen Fällen geschieht, die Gruppen wurden zahlreicher und das Geschrei verdoppelte sich. Man hatte den Leibwachen den Königs und den Schweizerwachen so eben Befehl gegeben, nicht nur festzuhalten, sondern auch in den Rues Saint-Denis und Saint-Martin Patrouillen zu machen, wo diese Gruppen ganz besonders zahlreich und aufgeregt zu sein schienen, als man im Palais Royal den Prevot der Kaufleute meldete.
Der Prevot wurde sogleich eingeführt. Er kam, um zu sagen, daß, wenn man nicht auf der Stelle diese feindseligen Demonstrationen aufgeben würde, ganz Paris in zwei Stunden unter den Waffen wäre.
Man berathschlagte, was man thun sollte, als Comminges, Lieutenant bei den Garden, mit zerrissenen Kleidern und blutigem Gesichte erschien. Sobald die Königin ihn erblickte, stieß sie einen Schrei des Erstaunens aus und fragte ihn, was er hätte.
Bei dem Anblick der Garden waren die Geister, wie dieß der Prevot der Kaufleute vorhergesagt hatte, völlig in Muth gerathen. Man hatte sich der Glocken bemächtigt und Sturm geläutet. Comminges hatte fest gehalten, einen Mann verhaftet, der einer der Hauptaufrührer zu sein schien, und, um ein Beispiel zu geben, befohlen, ihn an der Croix du Trahoir aufzuhängen. Demzufolge hatten ihn die Soldaten fortgeschleppt, um diesen Befehl auszuführen. Aber in den Hallen waren diese mit Steinwürfen und Hellebardenstichen angegriffen worden. Der Rebell hatte diesen Augenblick benützt, um zu entfliehen. Er hatte die Rue Tiquetonne erreicht und sich in ein Haus geworfen, dessen Thüren man sogleich einstieß.
Diese Gewaltthat war fruchtlos gewesen. Man konnte den Schuldigen nicht finden. Comminges hatte einen Posten in der Straße gelassen und war mit den übrigen Soldaten seiner Abtheilung nach dem Palais Royal zurückgekehrt, um der Königin von dem Vorfall Meldung zu machen. Die ganze Straße entlang war er mit Geschrei und Drohungen verfolgt worden, und man hatte mehrere von seinen Leuten mit Piken- und Hellebardenstößen verwundet. Er selbst hatte einen Steinwurf an die Stirne bekommen.
Die Erzählung von Comminges bekräftigte die Worte des Prevot der Kaufleute. Man war nicht im Stande, einer ernstlichen Empörung Trotz zu bieten. Der Cardinal ließ im Volke ausstreuen, die Truppen wären nur auf dem Quai und auf dem Pont-Neuf während der Ceremonie aufgestellt worden und würden sich zurückziehen.
Gegen vier Uhr Abends concentrirten sie sich wirklich insgesamt nach dem Palais Royal zu. Man stellte einen Posten an der Barrière des Sergens, einen andern bei den Quinze-Vingts, einen dritten bei der Butte Saint-Roch auf. Man füllte die Höfe und die Erdgeschosse mit Schweizern und Musketieren und wartete.
So standen die Angelegenheiten. als wir unsere Leser in das Cabinet den Cardinal Mazarin einführten, das einst das des Cardinal Richelieu gewesen war. Wir haben gesehen, in welcher Beschaffenheit des Geistes er das bin zu ihm dringende Gemurmel den Volkes und das Echo der Flintenschüsse in seinem Zimmer hörte.
Plötzlich erhob er das Haupt; die Stirne halb gefaltet, wie ein Mann, der seinen Entschluß gefaßt hat, heftete er seine Augen auf eine ungeheure Pendeluhr, welche eben sechs Uhr schlug, nahm eine auf dem Tische im Bereiche seiner Hand liegende Pfeife und pfiff zweimal.
Eine unter der Tapete verborgene Thüre öffnete sich geräuschlos, ein schwarz gekleideter Mann trat stillschweigend hervor und blieb aufrecht hinter dem Fauteuil stehen.
»Bernouin,« sprach der Cardinal, ohne sich umzudrehen, denn da er zweimal gepfiffen hatte, so wußte er, daß es sein Kammerdiener sein mußte, »welche Musketiere haben die Wache im Palais?«
»Die schwarzen Musketiere, Monseigneur.«
»Welche Compagnie?«
»Compagnie Treville.«
»Ist ein Offizier von dieser Compagnie im Vorzimmer?«
»Der Lieutenant d’Artagnan.«
»Ein Guter glaube ich.«
»Ja, Monseigneur.«
»Gib