»Und Herr von Guiscard? Ich möchte von Ihnen erfahren, daß er eben so heiter und vergnügt sei wie Sie.«
»Es thut mir sehr leid, lieber Freund, daß ich Ihnen nicht nach Wunsch antworten kann. Herr von Guiscard lacht nicht, und wird hoffentlich nie mehr lachen, wenn in seiner Gegenwart von einem als Pflaster applicirten Degengefäß die Rede ist.«
»Sie haben ihn also erstochen, Chevalier?«
»Nein, nicht ganz; er wird vierzehn Tage das Bett und vier Wochen das Zimmer hüten müssen, und die zurückbleibende Blässe wird ihn in den Augen der Frauen interessant machen – doch um auf unser voriges Thema zurückzukommen. Wenn ich jung und hübsch wäre, wie unsere reizende Wirthin,« setzte der Chevalier hinzu, indem er mit den Fingerspitzen über den Nacken der Frau Bertrand strich, »so könnte ich glauben, die persönliche Zuneigung habe Sie zwanzig Minuten vor der bestimmten Zeit in dieses Zimmer getrieben; aber ich habe meine guten Gründe, mich dieser Täuschung nicht hinzugeben und Ihr frühes Erscheinen einer andern Ursache zuzuschreiben.«
»Chevalier, ich versichere –«
»Versichern Sie nichts,« entgegnete der Chevalier, und griff in die Westentasche, um mit einigen Goldstücken zu klimpern.
»Was meinen Sie?«
»Sie wundern sich, daß ich Ihnen die fünfzig Louisd’or, die Sie mir geliehen, noch nicht zurückgeschickt habe.«
»Herr Chevalier,« erwiederte Fontanieu, über diese Zumuthung beleidigt, »Sie haben versprochen, mich als Freund zu behandeln, aber Sie scheinen sich dessen nicht mehr zu erinnern.«
»Wie so?«
»Ihre Zumuthung ist so beleidigend, daß ich sie nicht einmal widerlegen mag.«
»Sie sind ein braver junger Manns Ihre Handlungsweise gefällt mir, sie erinnert mich an die gute alte Zeit. Wenn nicht eine Frau hier wäre, welche die nächsten Ansprüche an meine Huldigungen hat, so würde ich Sie küssen. Aber nehmen Sie Ihre tausend Franken.
»Lassen Sie doch, Chevalier —«
»Sie müssen mir diese zweite Gefälligkeit noch erweisen, junger Mann.«
»Aber ich brauche das Geld nicht, Chevalier.«
»Sie wollen wohl gar für einen Millionär gehalten werden? Nehmen Sie das Geld, das Ihre Mutter und Ihre Schwester vielleicht in zwei oder drei Jahren mühsam erspart haben. Nehmen Sie es und gewöhnen Sie mich nicht daran.«
»Warum denn?«
»Weil ich Ihnen von Herzen gut bin, und wenn Sie mich gewöhnen Ihr Schuldner zu sein, so würde daraus ein für unsere Freundschaft nachtheiliges Verhältniß entstehen.«
»Chevalier, es wird mich immer freuen —«
»Das ist möglich, aber wenn ich Ihr Schuldner bin, werde ich Ihnen natürlich Böses nachsagen. Ich will lieber die Casse des Marquis in Anspruch nehmen; was ich ihm nachsagen werde, ist wenigstens keine Verleumdung.«
Er bemerkte nun, daß Frau Bertrand den jungen Mann sehr aufmerksam ansah.
»Warum sehen Sie denn Herrn von Fontanieu so scharf an?« sagte er zu ihr, »Sehen Sie doch lieber mich an, Sie könnten sonst die schöne Margarethe zu meiner Feindin machen.«
»O Chevalier —« bat Fontanieu.
»Was für eine Margarethe? etwa Margarethe Gelis?« fragte Frau Bertrand neugierig.
»Allerdings, es gibt ja sonst keine Margarethe in Châteaudun. Ja, Madame, Margarethe Gelis verschlingt ihn mit den Augen, wie Sie eben thaten; sie ist in ihn vernarrt. Sind Sie nun zufrieden?«
»Was sagen Sie, Chevalier?« sagte Louis von Fontanieu, unwillkürlich erröthend.
»Mordieu! ich sage die Wahrheit, wie immer. Es ist indeß gut, daß Sie es wissen. Margarethe ist in Ihre liebenswürdige Person so vernarrt, daß sie im Stande ist sich Ihnen diesen Abend beim Dessert an den Kopf zu werfen.«
»O das ist viel zu schmeichelhaft für mich, Chevalier, und ich glaube nicht km die Gefahr, die Sie mir in Aussicht stellen. Und wenn‘s wirklich so wäre, so verspreche ich Ihnen, Mademoiselle Margarethe so kalt zu behandeln, daß sie ihre Eroberungsgedanken aufgeben muß.«
»Ta ta ta ta! Wenn Sie ihren wundervollen Nacken, ihre üppigen Schultern, ihre runden Arme, ihren zarten Fuß gesehen haben und an andere verborgene oder halbverhüllte Reize denken, dann bürge ich für Sie nicht mehr als für mich selbst.«
Louis von Fontanieu blieb stumm; nicht als ob die Aufzählung der Reize Margarethens einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hätte, aber die Andeutungen des Marquis über die Laune des schönen Mädchens brachten ihn auf den Gedanken, das Entgegenkommen Margarethens zu benutzen, und den Marquis von ihrer Unwürdigkeit zu überzeugen.
Dieser schnell entworfene Plan machte seiner Unschlüssigkeit ein Ende.
»Chevalier,« sagte er nach einer kurzen Pause, welche Montglas benutzt hatte, um Frau Bertrand zu necken, »ich will aufrichtig sein und Ihnen gestehen, daß ich gekommen bin, Sie um Rath zu fragen.«
»Einen Rath geben, mein junger Freund, ist eine bedenkliche Sache. Diable! ein guter Rath wird selten befolgt, oder wenn man ihn befolgt, so macht man dem Rathgeber Vorwürfe. Ein Rath fordert Ueberlegung, und da es mir unmöglich ist, zwischen einem guten Madeira und einer schönen Frau zwei vernünftige Gedanken zusammenzubringen, so wollen wir Frau Bertrand um Erlaubniß bitten,. auf die Straße zu gehen.
Der Chevalier nahm seinen Hut und drückte einen Kuß aus die Wange der hübschen Wirthin, die sich gerade genug sträubte, um den Werth der Gunstbezeigung zu verdoppeln. Dann gingen die beiden Edelleute Arm in Arme auf die Straße.
Achtes Capitel.
Der Rath des Chevalier von Montglas
Der Chevalier und Louis von Fontanieu gingen Arm in Arm eine kleine Weile aus der Straße fort. Endlich stand der Erstere still, sah seinen Begleiter forschend an und sagte:
»Lassen Sie hören.«
Fontanieu dachte,er müsse mit diplomatischer Klugheit verfahren.
»Sie erinnern sich,« begann er, »daß mich der Marquis nach dem glücklichen Ausgange unseres Kampfes zum Souper eingeladen –«
»Und daß er hinzugesetzt hat: Chevalier von Montglas, schreiben Sie den Küchenzettel.«
»Ganz recht.«
»Sie haben’s gesehen und können’s bezeugen, daß Sie mich bei der Erfüllung dieser wichtigen Function gefunden haben.«
»Jetzt hören Sie weiter, Chevalier. Ich habe einiges Bedenken, meine Functionen anzutreten.«
»Als Gast oder als Courmacher?«
»Haben Sie nicht versichert, daß ich das Eine nicht ohne das Andere sein könne?«
»Ich fürchte es.«
»Aber es ist noch Zeit, Chevalier. Ich kann mich unter irgend einem Vorwande entschuldigen und nicht zum Soupet kommen.«
Der Chevalier sah Louis erstaunt an.
»Ist das Ihr Ernst?«
»Allerdings,« stammelte Fontanieu.
»Nun, so thun Sie es. Es ist ein heldenmüthiger Entschluß, aber der Klugheit angemessen.«
»Wie, Sie geben mir einen solchen Rath?«
»Sie haben mich ja um Rath gefragt.«
»Ja wohl, aber ich glaubte —«
»Sie glaubten, ich würde Ihnen einen andern Rath geben.«
»Aus Ihren gestrigen Aeußerungen glaubte ich zu schließen —«
»Der große Talleyrand hatte vollkommen Recht, man muß seinem ersten Gefühl nicht trauen. – Ich sehe, junger Mann, daß Sie den schlechten Rath, den ich Ihnen gegeben,