Der junge Mann sprach diese Worte in so tieftraurigem Tone, daß die Königin ihn verwundert ansah und Dona Beatrice, welcher ohne Zweifel der Liebeskummer ihres Neffen bekannt war, eine Thräne abwischte, die still über ihre Wange rann.
»Und wohin willst Du gehen?« fragte die Königin weiter.
»Nach Frankreich, Hoheit.«
Isabella runzelte leicht die Stirn.
»Hm Euch,« fuhr sie fort, ohne weiter Du zu sagen, »König Carl VIII. zur Hochzeit mit der Erbin der Bretagne geladen, oder Euch aufgefordert, Dienst in dem Heere zu nehmen, das er, wie man sagt, aufstellte, um Italien zu erobern?«
»Ich kenne den König Carl VIII. Nicht,« antwortete Don Inigo, »und welchen Antrag er mir auch machte, in seinem Heere zu dienen, ich würde ihn ablehnen, denn ich müßte sicherlich gegen meine vielgeliebte Souveränin dienen.«
»Und was treibt Dich nach Frankreich, wenn Du nicht einen Herrn suchen willst, der Dir besser zusage als wir?«
»Ich begleite einen Freund, den Ihr fortgetrieben habt.«
»Wer ist er?«
»Christoph Columbus, Hoheit.«
Es trat eine Pause ein, in welcher man das leichte Knarren der Thür zum Cabinet des Königs hörte, die halb geöffnet wurde.
»Gott verhüte es, wir haben euren Freund nicht fortgetrieben, Don Inigo,« entgegnete Isabella in einer Trauer, die sie nun nicht von sich abweisen konnte; »aber unser Rath hat die Bedingungen, welche der Genueser gestellt, für so übertrieben erklärt, daß wir sie nicht annehmen können, ohne gegen die Achtung zu verstoßen, die wir uns selbst und unsern beiden Kronen schuldig sind. Wenn euer Freund, Don Christobal, einige Nachgiebigkeit gezeigt hätte, würde die Ausführung eines Planes, dessen Mißlingen er sich selbst zuzuschreiben hat, durch den guten Willen des Königs Ferdinand und das Interesse, das ich daran nehme, leicht geworden seyn.«
Isabella schwieg und wartete auf die Antwort Don Inigo’s, aber dieser antwortete nicht.
»Abgesehen übrigens davon,« fuhr sie fort, »daß die Theorie des Genuesen über die runde Gestalt der Erde mit den Worten der heiligen Schrift nicht wohl übereinstimmt, wisset Ihr, daß die gelehrtesten Männer des Reiches Christoph Columbus als einen Träumer behandeln.«
»Lieber seinen Hoffnungen zu entsagen, als seiner Würde,« entgegnete der Neffe der Beatrice, »sieht einem Träumer nicht ähnlich. Columbus unterhandelt um ein Reich, das, wie er meint, zehnmal größer ist, als Spanien und seine Forderungen entsprechen dieser Größe. . . Ich begreife das.«
»Neffe!« flüsterte Beatrice.
»Sollte ich unwillkürlich gegen die der Königin gebührende Ehrfurcht gehandelt haben?« fragte Don Inigo; »das würde mich tief betrüben.«
»Nein, mein Kind, nein,« entgegnete Isabella lebhaft. Als sie einen Augenblick nachgedacht hatte, fragte sie Don Inigo: .
»Du meinst also, es liege etwa Ernsthaftes, Mögliches. Wirkliches den Träumen des Seefahrers zu Grunde?«
»Ich bin zu unwissend, um Ew. Hoheit im Namen der Wissenschaft darauf Antwort geben zu können, aber im Namen des Glaubens antworte ich: Die Ueberzeugung Christophs hat auch mich überzeugt und wie Ew. Hoheit das Gelübde thaten, Santa Fe nicht zu verlassen, bevor Granada erobert sey, so habe ich gelobt, Columbus nicht zu verlassen, bis er den Boden jener neuen Welt betreten, die Ew. Hoheit ausgeschlagen hat.«
»Aber,« sagte Isabella, welche zu scherzen versuchte, obgleich ihr die Worte des jungen Mannes, wenn nicht die Lust dazu, doch die Fähigkeit benommen hatten, »da Du so großen Glauben auf die Wissenschaft des Genuesen hast und er nur zwei Caravellen, hundert Matrosen und dreitausend Kronen für sein Unternehmen braucht, warum hast, Du nicht von deinem Vermögen, das dreimal so groß ist, die beiden Caravellen bauen lassen, die hundert Matrosen in Dienst genommen und die dreitausend Kronen vorgeschossen? Da Columbus in diesem Falle Niemanden Schuldner gewesen, hätte er König seines erträumten Reiches seyn und Dich zum Vicekönig ernennen können.«
»Ich habe es ihm angeboten, Hoheit,« antwortete Don Inigo ernst, »nicht in Hoffnung aus so hohen Lohn, denn ich bin nicht ehrgeizig, aber Columbus bat mein Anerbieten abgelehnt.«
»Columbus hat die Ausführung eines Planes abgelehnt, mit dem er sich seit zwanzig Jahren trägt?« fragte Isabella; »Kind, das werde ich Dir nie glauben.«
»Und doch ist es die Wahrheit, Hoheit,« antwortete Don Inigo mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung.
»Und welchen Grund gab er bei seiner Ablehnung an?«
»Er sagte, zur Weihe eines solchen Unternehmens gehöre der Name und der Schutz eines großen Königs und da er es nicht unter der portugiesischen, nicht unter der spanischen Flagge ausführen könne, wolle er versuchen, ob es Carl VIII. unter den Schutz der drei Lilien Frankreichs stellen wolle.«
»Der Genuese ist nach Frankreich gereist? Der Genuese will seinen Plan dem Könige Carl VIII. vorlegen? Wisset Ihr das gewiß, Señor Inigo?« fragte Ferdinand von Aragonien, der plötzlich hereintrat und sich in das Gespräch mischte, aus das er seit einigen Augenblicken gehört hatte.
Alle Anwesenden drehten sich bei diesem unerwarteten Eintreten um und gaben ihre Ueberraschung wenigstens durch eine Geberde zu erkennen.
Nur Don Inigo, als habe er die Bewegung der Thür gehört und geahnt wer sie öffne, äußerte nur Ehrerbietung, indem er sich vor dem König verbeugte, wie vorher vor der Königin. Nun setzte er seinen Hut auf, als wolle er das ihm zustehende Recht üben, bedeckt vor dem Könige von Aragonien zu bleiben. Fast in demselben Augenblicke jedoch nahm er ihn wiederum ab, indem er sich gegen Isabella wendete von der, als seiner alleinigen Souveränin, er seine Entlassung zu erwarten schien.
Diese bebte übrigens vor Freude als sie sah, wie begierig der sonst so gelassene Ferdinand die für Spanien so demüthigende Nachricht anhörte, Columbus wolle die Gunst – und den Schutz eines andern Fürsten suchen.
Da Don Inigo auf die Frage Ferdinands nicht antwortete, so sagte sie zu dem jungen Manne:
»Hörst Du, was der König von Aragonien fragt? Er fragt Dich, ob es wahr sey, daß der Genuese nach Frankreich abgereist und ob er wirklich dem König Carl VIII. seine Dienste anbieten wolle.
»Ich habe diesen Morgen Christoph Columbus an dem Thore von Bara verlassen, Hoheit; er schlug den Weg nach der Küste ein, um in Alicante, in Valencia oder Barcellona eine Gelegenheit zu suchen nach der Provence zu fahren.«
»Und dann?« fragte Ferdinand.
»Dann, Sire,« antwortete Don Inigo, »dann kam ich hierher, um die Königin um die Erlaubniß zu bitten dem großen Manne zu folgen, mich mit ihm einzuschiffen und sein gutes oder böses Geschick zu theilen.«
»Du wolltest Dich also zu ihm begeben?«
»Sobald ich die Erlaubniß meiner gnädigen Königin erhalten,« antwortete Don Inigo.
»Er verläßt uns wahrscheinlich betrübt über den schlechten Erfolg seines Gesuches.«
»Er verläßt Spanien mit stolz erhobenem Haupt und heiterem Gesicht, Hoheit, denn wenn auch Bedauern und getäuschte Erwartung auf seinem Herzen ruhen, ist sein Herz doch groß genug, diese doppelte Last zu tragen.«
Ferdinand schwieg einen Augenblick vor dieser stolzen Antwort, dann strich er mit der Hand über die nachdenklich gewordene Stirn und flüsterte seufzend:
»Ich fürchte, meine Räthe sind mit ihrer abweisenden Antwort gegen diesen Mann zu voreilig gewesen; was sagt Ihr, Señora?«
Gleich bei den ersten Worten, welche der König gesprochen hatte, war Isabella aufgestanden und zu ihm gegangen. Mit gefaltenen Händen sagte sie:
»Herr, ich habe mich dem Beschlusse des Rathes unterworfen, weil ich glaubte, dieser Beschluß sey von Euch ausgegangen; wenn ich mich aber täuschte, wenn Ihr noch einigen Antheil an dem Manne nehmt, der solche Hingabe erwecken