»Vorwärts, schon genug der Säumniß; Frau von Leviston, Eurer Sorge vertraue ich Frau von Castro; wir erwarten Euch, um in die Kapelle hinauf zu gehen;« da kam mir seine Stimme so gebieterisch vor, er schien so wenig Widerstand zu gestatten, daß ich mich fortführen ließ. Gabriel, verzeihe mir, ich war verwirrt, gelähmt, und hatte keinen Gedanken mehr . . . .«
»Wie! das begreift sich vortrefflich,« erwiderte Gabriel mit einem höhnischen Gelächter.
»Man führte mich in ein Zimmer,« sagte Diana. »Da nahm Frau von Leviston, unterstützt von zwei oder drei Zofen, aus großen Kisten ein weißes seidenes Kleid. Dann zogen sie mich, so sehr ich mich schämte, aus und wieder an. Ich wagte es kaum, in diesen schönen Gewändern zu gehen. Hernach befestigten sie mir Perlen an den Ohren und ein Collier von Perlen am Hals; meine Thränen rollten auf die Perlen. Doch diese Damen lachten unaufhörlich, ohne Zweifel über meine Verlegenheit und vielleicht auch über meinen Kummer. Nach Verlauf einer halben Stunde war ich bereit, und sie mochten immerhin sagen, ich wäre reizend, so geschmückt, ich glaube, sie logen nicht, Gabriel, doch ich weinte nichtsdestoweniger. Endlich überredete ich mich, ich handle in einem blendenden furchtbaren Traume. Ich schritt ohne Willen vorwärts, ich ging maschinenmäßig hin und her. Die Pferde stampften indessen vor der Thüre, Stallmeister und Edelknaben warteten stehend. Wir stiegen hinab. Die ausdrucksvollen Blicke dieser ganzen Versammlung fingen an auf mir zu lasten. Der Herr mit der rauhen Stimme bot mir abermals seinen Arm und führte mich zu einer Sänfte ganz von Gold und Atlaß, in der ich mich auf Kissen setzen mußte, welche beinahe so schön waren als mein Kleid. Der Herzog von Castro ritt am Schlage, und so zog der Cortege langsam zur Kapelle des Schlosses Vimoutiers hinauf. Der Priester war schon am Altar. Ich weiß nicht, welche Worte man um mich her sprach, welche Worte man mir dictirte; ich fühlte nur, wie in einem Augenblick in diesem seltsamen Traume der Herzog mir einen Ring an den Finger schob. Dann nach Verlauf von zwanzig Minuten oder von zwanzig Jahren, ich habe kein Bewußtsein davon, traf mich eine frischere Luft ins Gesicht. Wir verließen die Kapelle; man nannte mich Frau Herzogin, ich war verheirathet! Hörst Du wohl, Gabriel? ich war verheirathet!«
Gabriel antwortete nur durch ein wildes Gelächter.
»O Gabriel,« sprach Diana, »ich war wirklich so außer mir, daß ich zum ersten Male, als ich nach Hause zurückkehrte, nachdem ich mich etwas erholt, daran dachte, den Gemahl anzuschauen, den alle diese Fremden mir aufgenöthigt hatten. Bis dahin hatte ich ihn gesehen, aber nicht angeschaut, Gabriel. Ah! mein armer Gabriel, er ist viel weniger schön als Du! Vor Allem ist sein Wuchs mittelmäßig, und in seinen reichen Kleidern erscheint er bei Weitem nicht so zierlich als Du in Deinem einfachen braunen Wamms. Und dann hat er eine eben so unverschämte, hochmüthige Miene, als Du sanft und artig aussiehst. Füge dem brennend blonde Haare und einen eben solchen Bart bei. Ich bin geopfert, Gabriel. Nachdem er sich eine Zeit lang mit demjenigen besprochen hatte, welcher sich für den Stellvertreter des Königs ausgab, näherte sich mir der Herzog, nahm mich bei der Hand und sagte mit einem sehr feinen Lächeln:
»Frau Herzogin, verzeiht, daß ich in die harte Nothwendigkeit versetzt bin, Euch so bald zu verlassen. Doch Ihr wißt, oder Ihr wißt nicht, daß wir im heftigsten Kriege mit Spanien begriffen sind, und meine Gewappneten fordern auf der Stelle meine Gegenwart. Ich hoffe die Freude zu haben, Euch in einiger Zeit am Hofe wiederzusehen, wo Ihr von dieser Woche an in der Nähe Seiner Majestät wohnen werdet. Ich bitte Euch, einige Geschenke anzunehmen, die ich für Euch hier zurückzulassen mir erlaubt habe. Auf Wiedersehen, Madame. Erhaltet Euch heiter und reizend, wie man es in Eurem Alter ist, und lebt nach Eures Herzens Gelüste, während ich mich schlagen werde.«
»So sprechend, küßte er mich vertraulich auf die Stirne, und sein langer Bart hat mich sogar gestochen; das ist nicht wie bei dem Deinigen, Gabriel. Und dann grüßten mich alle diese Herren und Damen, und gingen nach und nach weg und ließen mich allein mit meinem Vater Enguerrand. Er verstand nicht viel mehr als ich von diesem ganzen Abenteuer. Man hatte ihm das Pergament des Königs zu lesen gegeben, der mir, wie es scheint, den Herzog von Castro zu heirathen befahl. Der Herr, der Seine Majestät vertrat, heißt Graf d’Humières. Enguerrand, der ihn früher bei Herrn von Vimoutiers gesehen, hat ihn wiedererkannt. Alles, was Enguerrand mehr als ich wußte, war die traurige Nachricht, daß die Dame von Leviston, welche mich angekleidet hat und in Caen wohnt, in einem der nächsten Tage kommen würde, um mich an den Hof zu führen, und daß ich mich hierzu beständig bereit halten sollte. Das ist meine seltsame und schmerzliche Geschichte,« sagte Diana. »Ah! ich vergaß. Als ich in mein Zimmer zurückkam, fand ich in einer großen Schachtel, Du würdest nicht erraten was? eine herrliche Puppe, mit einer völligen Ausstattung an Weißzeug und mit drei Kleidern: weiße Seide, rother Damast und grüner Brocat, Alles zum Gebrauch der genannten Puppe. Ich fühlte mich im höchsten Maaße verletzt, Gabriel, dies waren also die Geschenke meines Gemahls! mich wie ein kleines Mädchen behandeln! Das Rothe steht indessen der Puppe am Besten, weil sie von Natur eine sehr lebhafte Gesichtsfarbe hat. Die kleinen Schuhe sind auch reizend, doch dieses Verfahren ist unwürdig, denn mir dünkt im Ganzen, daß ich kein Kind mehr bin.«
»Doch! Ihr seid ein Kind, Diana,« erwiderte Gabriel, bei dem der Zorn unmerklich der Traurigkeit Platz gemacht hatte, »ein wahres Kind! ich grolle Euch nicht, daß Ihr erst zwölf Jahre zählt, das wäre albern und unbillig. Ich sehe nur, daß ich Unrecht gehabt habe, an ein so junges und leichtes Gemüth eine so glühende und tiefe Leidenschaft zu heften. Denn ich fühle zu meinem Schmerz, wie sehr ich Euch liebte, Diana. Ich wiederhole Euch jedoch, daß ich Euch nicht grolle. Doch wenn Ihr stärker gewesen wäret, wenn Ihr in Euch die nothwendige Energie gehabt hättet, um einem ungerechten Befehle zu widerstehen, wenn Ihr nur ein wenig Zeit zu gewinnen vermocht hättet, Diana, so hätten wir glücklich sein können, da Ihr Eure Eltern gefunden habt und diese von vornehmem Geschlechte zu sein scheinen. Auch ich kam, um Euch ein großes Geheimniß mitzutheilen, das man mir diesen Morgen geoffenbart hat. Doch wozu soll es jetzt nützen? es ist zu spät. Eure Schwäche hat es zugelassen, daß der Faden meines Geschickes zerrissen ist, während ich glaubte, er würde endlich halten. Warum ihn je wieder anknüpfen? Ich sehe vorher, daß sich mein ganzes Leben Eurer erinnern, Diana, und daß meine junge Liebe stets den größten Platz in meinem Herzen einnehmen wird. Ihr jedoch, Diana, im Glanz des Hofes, im Geräusch der Feste, werdet schnell denjenigen aus dem Gesicht verlieren, der Euch in den Tagen Eurer Dunkelheit so sehr geliebt hat.«
»Nie!« rief Diana. »Und höre, Gabriel, nun, da Du hier bist und mich ermuthigen, unterstützen kannst, willst Du, daß ich mich weigere, abzureisen, wenn man kommt, um mich zu holen, daß ich den Bitten, dem Drängen, den Befehlen widerstehe, um immer bei Dir zu bleiben?«
»Ich danke, liebe Diana, doch fortan, siehst Du, gehörst Du vor Gott und den Menschen einem Andern. Wir müssen unsere Pflicht und unser Geschick erfüllen, wir müssen, wie der Herzog von Castro gesagt hat, jedes seines Wegs gehen, Du zu den Genüssen und zum Hofe, ich in die Lager und Schlachten; Gott gebe nur, daß ich Dich eines Tags wiedersehe.«
»Ja, Gabriel, ich werde Dich wiedersehen, ich werde Dich immer lieben,« rief Diana, und warf sich, in Thränen zerfließend, in die Arme ihres Freundes.
In diesem Augenblick erschien Enguerrand mit Frau von Leviston in einer nahen Allen.
»Hier ist sie, Madame,« sagte er, auf Diana deutend. »Ah! Ihr seid es, Gabriel?« rief er, als er den jungen Grafen erblickte, »ich war im Begriff, nach Montgommery zu gehen um Euch zu besuchen, als ich dem Pagen von Frau von Leviston begegnete und wieder umkehren mußte.«
»Ja, Madame,« sprach Frau von Leviston zu Diana, »der König hat meinem Gatten zu wissen gethan, es dränge ihn, Euch zu sehen, und ich beschleunigte deshalb unsere Abreise. Brechen wir, wenn es Euch gefällig ist, in einer Stunde aus. Eure Vorbereitungen werden, denke ich, nicht lange dauern, und Ihr seid wohl geneigt, mir zu folgen?«
Diana schaute Gabriel an.
»Muth gefaßt,« sprach dieser mit ernstem Tone.
»Ich habe die Freude, Euch anzukündigen,« fuhr Frau von Leviston fort, »daß Euer braver Nährvater uns nach Paris begleiten kann und will, und uns morgen in Alençon