Genug der Verbrechen, zur Schande seines Andenkens; genug der öffentlichen Angriffe gegen die Völker; ich werde nicht mehr die vielen entsetzlichen Gerüchte aufwühlen, die ihn so verhaßt gemacht haben; ich werde nicht die Asche der Königin, des Dauphins und seiner Gemahlin stören. Ludwig XV., Du sahest sie trocknen Auges in die Gruft senken jetzt ruhen sie daselbst an Deiner Seite; und hätten sie noch Empfindung, sie wäre ihnen vielleicht eine Qual.
Da wären wir denn angelangt, an dem Ende dieser drei Dynastieren von Räubern, Betrügern, Tyrannen, deren Keiner verdient hat, daß die Geschichte sie vertheidige; denn sie plünderten, beraubten, vernichteten die Nation!
Ja, alle diese Könige haben gewetteifert, sich mit denselben Lastern, denselben Verbrechen zu besudeln. Sie Alle haben das Volk wie einen gemeinen Haufen Vieh betrachtet, den sie an den Gränzen erwürgen ließen, nachdem sie ihn in Frankreich geschoren hatten.
Was mich anbetrifft, so will ich das Publikum nicht in den parc aux cerfs und an die andern Orte führen, wo Ludwig XV. seine ungezügelten Leidenschaften befriedigte. Ueber diesen Mann, den der Tod mitten in den frechsten und schändlichsten Orgien überraschte, ist genug gesagt.
Die Regierung Ludwig XV. endigt mit Bankerott, Hungersnoth, Erniedrigung. Dieser König, dem alle menschliche, wie alle politische Würde fehlte, sah, in dem den Thron umgebenden Kothe sich wälzend, nicht, wie das Volk, so vielen Elendes endlich überdrüssig, sich zu einem entsetzlichen Kampfe bereitete. Man erstaunt, bei Lesung jener traurigen blutigen Annalen, über den Leichtsinn und die Blindheit der Könige.
Die Werke des unsterblichen Roussau und die weniger populairen des Voltaire und Helvetius waren von der ausübenden Gewalt, die mit einem unverschämten Lächeln auf den Lippen dem Abgrunde zueilte, verächtlich zurückgewiesen worden. Was lag daran! Alles deutete auf eine unausbleibliche Reaction, Alles trieb zu einer gewaltsamen Umwälzung. Ludwig XVI. bestieg den Thron; er sollte die Rechnung des Königthums mit dem Volke abmachen, doch es fehlte ihm an Genie, Gründlichkeit und besonders am Willen; er war weder beharrlich, noch fest, noch energisch; er kannte weder die Menschen, noch seine Gefahr, hatte weder Einsicht in die Geschäfte, noch Lebenserfahrung. Er war ein schüchterner, haltungsloser Mann; er schwankte, von verhängnißvollen Entscheidungen beherrscht, zwischen dem Volke, welches er nicht verabscheute, dem Hof, den er hätte schonen mögen, der Aristokratie, die er fürchtete, und den Feinden, die er zu Hilfe rief. Die Klubbs werden gestiftet, das Volk erhebt sich, die Stunde der Volksherrschaft naht!
Sechstes Kapitel
Philipp Egalité (IV)„das Ungeheuer), Vater Louis Philipps
Die französische Revolution war Frankreichs Wiedergeburt; sie war das Werk der Freiheit und des Fortschrittes, welches von Christus mild begonnen, von den Menschen gewaltsam vollendet ward; sie war ein majestätisches, dramatisches Schauspiel, voll wichtiger, der Beachtung aller Menschenfreunde würdiger Lehren.
Man sieht ein durch Siege entfesseltes Volk, einen Thron, der sich, durch feinen Fall betäubt und entmuthigt, um sich selbst dreht. Es sei mir erlaubt, hinzuzufügen, daß nie eine mächtigere, muthigere, alle Hindernisse verachtendere und so innig mit den andern Völkern, ihren Brüdern vor Gott, sympathisierendere Nation eine Revolution bewirkte.
Im Jahre 1789 seufzte die französische Nation unter all den Uebeln, deren Quelle das monarchische System der Bourbon’s war, als die General-Staaten plötzlich zusammenberufen wurden. Da bildete sich die National-Versammlung und stellte sich kühn einem umstürzenden Throne gegenüber, den indessen die Erinnerungen seiner einstigen Gewalt und Größe noch umgaben. Der alten und stolzen Aristokratie Frankreichs, der Armee, dem zürnenden Hofe wagte die National-Versammlung zu erklären, daß sie die Nation vertrete und dieselbe als unverletzbar anerkenne. Gewiß, das war Muth, war Heldensinn. Nie hatte eine Nation so majestätisch gehandelt, wie diese, welche ein Schauspiel gab, das die Furchtsamsten ermuthigen konnte. Durch diesen imponierenden Ausspruch ihres Willens besiegte die National-Versammlung eine mehre Jahrhunderte bestandene, von einer so servilen Aristokratie, als mächtigen Armee beschützte absolute Monarchie. Wie kam sie denn dazu, diese von ihr überwundene Macht wiederherstellen zu wollen? Weil den armen Gesetzgebern der Kopf wirbelte, bei dem Gedanken an die Umgestaltung, deren jene sociale Stufenleiter bedurfte, auf deren Gipfel Glück und Reichthum sich häuften, während unten. Alles fehlte: Alles, ja, es ist schrecklich zu sagen, Alles, sogar das zur Fristung des Lebens unumgänglich nothwendige Brot. Sie ließen es also dabei bewenden, das Königthum zu einer simpeln Magistratur herabzusetzen; aber sie irrten sich. Die Geschichte gleicht dem menschlichen Leben: man sieht in derselben eine Täuschung durch die andre, einen Kampf durch den andern, eine Tyrannei durch die andre ersetzt; und das ist nicht die kleinste Lehre der Geschichte.
Der Irrthum der National-Versammlung bestand darin, daß sie glaubte, ein Volk, dem es gelungen war, einen Theil der öffentlichen Gewalt zu erringen, werde seine Anstrengungen, dieselbe ganz zu gewinnen, einstellen; auch irrte dieselbe, wenn sie glaubte, ein Bourbon, welcher König gewesen war, werde sich mit der Stelle des Präsidenten einer Republik begnügen. Die Bourgeoisie, welche 1830 denselben gefährlichen Glauben hegte, erstickte, durch Ehrgeiz und Egoismus verleitet, die großmüthigen Stimmen, welche sich erhoben, die Volksherrschaft kühn zu proclamieren.
Die Nationen fehlen sehr, daß sie die ganze Sorge der Regierung einem Alleinherrscher anvertrauen, wenn sie nicht sichre Garantien gegen dessen Ausschreitungen und schnelle wirksame Mittel haben, dessen Gewalt zu widerstehen, sobald er den Willen der Nation dem seinigen unterordnet. Alle Blätter der Geschichte zählen die Uebelstände auf, welche aus dieser großen Unvorsichtigkeit entstehen.
Die National-Versammlung setzte, statt Ludwig XVI. selbst abzusetzen, nur seine Macht herab, und stellte so zwei Gewalten einander gegenüber, die des Volks und die des Königs, welche einander so lange bekämpfen mußten, bis die Eine durch die Andre vernichtet war. Es war indessen, nicht schwer, eine Revolution vorauszusehen, die um so fürchterlicher werden mußte, als das Volk so lange unter dem Druck gelebt hatte. Je länger eine Nation verachtet und ihrer Rechte unbewußt schläft, je furchtbarer ist ihr Erwachen.
Ludwig XVI. hatte nicht gesäumt, seine Unzufriedenheit mit der Stellung, welche die National-Versammlung ihm zuerkannte, zu erkennen zu geben, er konnte den Titel eines Königs der Franzosen, den Oberbefehl der Armeen und dreißig Millionen Einkünfte nicht als hinreichende Entschädigung anerkennen. Nichts, selbst nicht der Umstand, daß er früher im Besitz der unumschränkten Gewalt war, kann ihn in den Augen der Machtwelt entfchuldigen, daß er sich, nachdem es einmal so weit gekommen, damit nicht begnügte.
Es vereinigte sich übrigens Alles, das Volk zu einer Revolution zu stimmen. Niemals war das Elend zu einer solchen Höhe gestiegen gewesen, und doch erhöhte der überaus strenge Winter von 1789 dasselbe noch.
Die Gemüther waren in einer außerordentlichen Gährung. Die Bürger bildeten Gesellschaften, die sie Clubbs nannten. Dort wurden die Interessen der Nation, die abzuschaffenden Mißbräuche, die zu bewirkenden Verbesserungen erörtert; dort wurde bewiesen, daß das Volk von den höheren Classen ausgeplündert, die Industrie in ihrem Fortschritt gehemmt sei. In der That seufzte das Volk unter Auflagen, die ihm so grausam und drückend, als den Großen unbedeutend und leicht waren; es ernährte mit seinem Schweiße und vertheidigte mit seinem Blute übermüthige Bevorrechtigte. Selbst ein Theil des Adels war unzufrieden und sah eine nahe Umwälzung voraus. Schon hatten im Anfang des Jahres 1789 mörderische Kämpfe. Statt gefunden; schon entehrte der Herzog von Orleans das Volk, indem er es betrog.
Dieser Prinz, der Schandfleck des Hauses Bourbon, ist durch seine Verrätherei und seine Sittenlosigkeit nur zu berüchtigt worden. In der