Mothril deutete durch eine Verbeugung an, es stehe diesem Wunsche des Großmeisters kein Hinderniß entgegen.
»Habt Ihr durch dieselbe Gelegenheit dem König Don Pedro, meinem Bruder, etwas sagen zu lassen?« fragte Don Federigo.
»Nein, hoher Herr, mein Bote ist abgegangen und wird vor dem Eurigen ankommen.«
»Es ist gut,« sagte Don Federigo, »geht voran.«
Der Großmeister widmete den kurzen Raum, der ihm bis zum Flusse blieb, einer zärtlichen und klugen Ermahnung an Fernando. Er liebte ungemein diesen Pagen, den er noch als Kind zu sich genommen, und der junge Mann war ihm innig ergeben. Auch halte Don Federigo nicht gezögert, ihn, so jung er noch war, zum Vertrauten aller seiner Geheimnisse zu machen.
Mothril wartete am User des Flusses, Vom Mond beschienen, da und dort durch die großen Schatten des Gebirges unterbrochen, stellenweise durch die glänzenden Reflexe des Stromes beleuchtet, schien die Landschaft einem von jenen Feenreichen anzugehören, wie man sie im Traum sieht. Beruhigt durch dieses Schweigen und durch diese nächtliche Durchsichtigkeit, würde auch der mißtrauischste Mensch, wenn man ihn gewarnt hätte, nicht an die Gefahr haben glauben wollen.
Von Natur tapfer und abenteuerlich, wie man es in seinem Alter ist, empfand Fernando auch nicht die geringste Furcht und ritt aus seinem Rosse hinter dem Maulthier des Mauren nach dem Fluß.
Mothril ritt voran. Ungefähr fünfzehn Schritte hielten das Pferd und das Maulthier gerade Linie, doch allmälig zog sich der Maure gegen rechts.
»Ihr geht vom Wege ab, Mothril!« rief Don Federigo vom Ufer aus. »Nimm Dich in Acht, Fernando, nimm Dich in Acht!«
»Seid unbesorgt, Hoheit, da ich voran reite,« erwiderte Mothril. »Wenn eine Gefahr vorhanden wäre, so würde ich sie zuerst erkennen.«
Diese Antwort war nicht zu verwerfen. Fernando, obgleich der Maure immer mehr von der geraden Linie abging, faßte auch keinen Verdacht. Vielleicht war es überdies ein Mittel, das sein Führer anwandte, um die Strömung mit geringerer Schwierigkeit zu durchschneiden.
Das Maulthier des Mauren verlor den Boden, und das Pferd von Fernando fing an zu schwimmen; doch der Page kümmerte sich wenig darum, denn er selbst schwamm so, daß er sich wohl durch den Fluß arbeiten konnte, falls er zu seinen eigenen Kräften Zuflucht zu nehmen genöthigt gewesen wäre.
Der Großmeister beobachtete mit wachsender Unruhe den Uebergang.
»Ihre geht schräge, Mothril,« rief er. »Halte Dich zur linken Seite, Fernando!«
Doch Fernando, der sein Pferd kräftig schwimmen fühlte und dem der Maure immer voran ritt, faßte keine Angst ob diesem schiefen Zuge, worin er nur ein Spiel sah, und aus dem Sattel sich umwendend, antwortete er seinem Gebieter:
»Seid unbesorgt, Hoheit, ich folge dem guten Weg, da Herr Mothril vor mir ist.«
Doch während er diese Bewegung machte, war ihm eine seltsame Vision erschienen; er hatte in dem Sog, den sein Pferd hinter sich ließ, den Kopf eines Menschen zu sehen geglaubt, der sogleich, als er sich umgedreht, niedergetaucht war, doch nicht schnell genug, um seinem Blick zu entgehen.
»Senor Mothril,« sagte er zu dem Mauren, »mir scheint in der That, wir täuschen uns.
Eure Sänfte ist nicht hier hinübergekommen, und wenn mich nicht Alles trügt, sehe ich sie dort, in den Strahlen des Mondes, vor dem Orangenwäldchen und ganz zu unserer Linien.«
»Das ist nur ein kleiner etwas tieferer Raum,« erwiderte der Maure.
»Du gehst ganz ab!« rief abermals Don Federigo, doch schon so entfernt, daß seine Stimme kaum bis zu dem Jüngling gelangte.
»Es ist wahr,« sprach Fernando, den eine gewisse Unruhe zu ergreifen anfing, als er sah, daß sein wie durch eine Unbekannte Gewalt in die Strömung fortgezogenes Pferd vergeblich sich anstrengte, während, Herr seines Maulthiers, Mothril zu seiner Linken ziemlich entfernt von ihm blieb.
»Senor Mothril!« rief der Page, »das ist eine Verrätherei!«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als das Pferd plötzlich stöhnte, aus eine Seite sank, und das Wasser mit aller Gewalt schlug, doch ohne wie zuvor mit dem rechten Beine zu schwimmen. Beinahe in derselben Secunde wieherte es schmerzlich und hörte auch mit dem linken Beine auf zu schwimmen. Und nun, da es sich nur noch mit den Vorderbeinen zu halten vermochte, sank das Thier allmälig mit dem Kreuz unter das Wasser.
Fernando sah, daß der Augenblick, sich in den Fluß zu stützen, gekommen war, doch er wollte vergebens die Steigbügel verlassen: er fühlte sich an das Pferd festgebunden und rief:
»Zu Hilfe! zu Hilfe!«
Dies war der schmerzliche Rus, den Agenor hörte, und der ihn der Begeisterung entriß, in die ihn der Anblick und die Stimme der schönen Maurin versetzt hatten.
Das Pferd sank in der That immer mehr unter; nur noch seine Nüstern waren über der Oberfläche des Flusses und schnauften geräuschvoll, während seine Vorderfüße das Wasser rings umher aufspringen machten.
Fernando wollte zum zweiten Male um Hilfe rufen: doch fortgerissen durch die geheime Gewalt, der er schon vergebens zu widerstehen versucht hatte, folgte er dem Pferde in den Abgrund; nur seine Hand bewegte sich noch, zum Himmel emporgestreckt, als wollte sie Rache oder Hilfe fordern, einen Augenblick über dem Schlund; bald aber verschwand sie wie der übrige Körper, und man sah nichts mehr, als einen Wirbel, der aus der Tiefe des Flusses an die Oberfläche emporstieg, wo zahlreiche und blutige Blasen zerplatzten.
Zwei Freunde eilten Fernando zu Hilfe; einerseits, wie wir gesagt, Agenor, andererseits der Gebirgshund, der gewohnt war, der Stimme des Pagen so getreu zu, gehorchen, als der seines Gebieters.
Beide suchten vergebens, obgleich Agenor den Hund zwei oder dreimal in derselben Richtung untertauchen sah; als das Thier zum dritten Male wieder erschien, hatte es einen Fetzen Stoff in seinem keuchenden Rachen. Doch als hätte er diesen Fetzen abreißend, Alles gethan, was er hatte thun können, schwamm der Hund an das User, legte sich zu den Füßen seines Herrn nieder und ließ jenes klägliche, verzweiflungsvolle Geheul vernehmen, das in der Stille der Nacht auch die muthigsten Herzen mit Schauer erfüllt. Dieser Fetzen Stoff war Alles, was von dem unglücklichen Fernando übrig blieb.
Die Nacht verging mit vergeblichen Nachsuchungen. Don Federigo, der ebenfalls ohne Unfall über den Fluß gesetzt war, blieb die ganze Nacht am Ufer. Er konnte sich nicht entschließen, das bewegliche Grab zu verlassen, aus dem er jeden Augenblick seinen Freund hervorkommen zu sehen hoffte.
Sein Hund heulte zu seinen Füßen.
Träumerisch und düster, hielt Agenor den von dem Hund zurückgebrachten Fetzen in der Hand und schien mit Ungeduld den Tag zu erwarten.
Mothril, der seinerseits, als suchte er den Jüngling, lange in die Oleander gebückt geblieben war, kehrte mit verzweifeltem Gesicht zurück, rief wiederholt: »Allah! Allah!« und suchte den Großmeister mit jenen Alltagsphrasen zu trösten, die für den Leidenden ein Schmerz mehr sind.
Es kam der Tag; seine ersten Strahlen beleuchteten Agenor, der zu den Füßen von Don Federigo saß; offenbar erwartete der Ritter diesen Augenblick mit großer Ungeduld, denn kaum schlüpften die ersten Strahlen durch die Oeffnung der Thüre, als er sich dieser Oeffnung näherte und mit dieser Aufmerksamkeit den von dem Wammse des unglücklichen Pagen abgerissenen Fetzen Stoff betrachtete.
Diese Prüfung bestärkte ihn ohne Zweifel in seinem Verdacht, denn er sprach, schmerzlich den Kopf schüttelnd, zum Großmeister:
»Hoher Herr, das ist ein sehr beklagenswerthes und besonders sehr seltsames Ereigniß.«
»Ja,« erwiderte Federigo, »sehr beklagenswerth und sehr seltsam! Warum hat mir die Vorsehung einen solchen Schmerz bereitet!«
»Hoheit,« entgegnete Agenor, »ich glaube, daß Ihr hierbei die Vorsehung nicht anklagen dürft. Schaut diese letzte Reliquie des Freundes an, den Ihr beklagt.«
»Meine Augen würden stumpf werden durch die Thränen, die ich bei ihrer Beschauung vergießen müßte,« versetzte Federigo.
»Aber