Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adam Karrillon
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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und gefoppt von den Enttäuschungen, die das Leben mit sich bringt, wollte er sich, ein verwundeter Krieger, aus dem Kampfe zurückziehen, zufrieden mit der Auszugswohnung über den Schweineställen und mit der Aussicht, seinen Sohn zu einem tüchtigen Menschen heranreifen zu sehen. Das war nun alles, alles wieder zerstört, zum mindesten in weite Ferne gerückt und zwar durch den Unverstand seines eigenen Weibes, der keine Ahnung dämmerte von dem, was den Schlaf seiner Nächte kürzte und Falten in sein Gesicht grub, dass er borkig und zerrissen aussah wie der Stamm einer Eiche. Denn ach, es wollte kein Segen ins Haus ziehen, trotzdem der Bach sich schäumend in der Turbine wälzte und die neuen Stühle wie wütend zwischen ihren rotierenden Walzen das Mahlgut quetschten. Man hatte bei all den teueren Umbauten einen Umstand übersehen, der sich schwer rächte. Der Weizen, den der vaterländische Boden trug, war zu weich, das stellte sich nun heraus, er »floss« unter der Walze und ward dünn wie Papier, aber er gab sein Mehl nicht her.

      Mordche Rimbach sagte: »Taganróck muss es sein oder Argentinier, der Heimische tut’s nicht,« und er schüttelte den Kopf, dass ihm schier die Ohren abgefahren wären. Aber wo sollte der Müller das Geld hernehmen, um Schiffsladungen fremden Weizens kommen zu lassen?

      Mutlos und verzagt sah er, dass die Mühlstube wieder stiller, ja ganz einsam wurde. So war sie eine Brutstätte trübseliger Gedanken, in der Vater Höhrle verlassen sitzen und sein Soll und Haben täglich überdenken konnte. Vom Lärm des Getriebes umgeben, den er nicht mehr hörte, saß er mit seinen zugestaubten Gehörgängen unter dem Scheine der altväterischen Laterne, die vom rußgeschwärzten Durchzug niederhing, und rechnete an den Fingern sein schweres Soll heraus. Da war der Aufwand für die Mühlknechte und den Mühlarzt, da waren Steuern in allen Namen und unter jedem Vorwand, ein wahrer Straßenraub unter gesetzlichen Formen. Da war der Aufwand für Hans, der erst nach Jahrzehnten eine Rente versprach und dann nur seiner Person, schwerlich dem, der seine Ausbildung mit so saurer Arbeit ermöglichte. Da waren Luxusausgaben, die auf dem Konto seiner Frau standen, die er aber nicht schmälern durfte, ohne das magere Paradies seines Ehehimmels in eine Wüste voller Schrecken zu verwandeln. Da waren die Zinsen für das von Schütteldich verbürgte Darlehn bei der Sparkasse, die mit zur Tafel gingen und den Löffel in die Schüssel senkten, bevor noch irgendjemand vom Hause Höhrle sein Tischgebet gesprochen.

      Sein Haben war nahe beisammen. Da lagen ums Haus herum die Äcker und die Wiesen, schön gepflegt, aber sie lohnten bei den erhöhten Forderungen der Taglöhner nur mit geringen Zinsen den Aufwand von Mühe und Geld. Da war der Wald hinter dem Hause, in dem die mächtigen Eichen ihre Arme zum Himmel reckten und unvorsichtige Wolken fingen, die sich der Mutter Erde zu sehr genähert hatten. Er war die Sparkasse in jedem wohlgeordneten Bauernhaushalt. Es war eine heilige, aus der Urväter Zeiten überkommene Tradition, dass er die Aussteuer und das Nadelgeld der Töchter zu liefern hatte. Hatte er das getan, so ließ man ihm wieder Ruhe, und die Wunden, die man ihm geschlagen, vernarbten, bis die Enkel das Lieben gelernt. Vater Höhrle hing mit frommer Scheu an dem althergebrachten Brauche, und leichter wohl hätte er eines der zehn Gebote übertreten, die am Sinai unter Blitz und Donner gegeben waren, als das ungeschriebene Gesetz, dessen strikte Handhabung die hundert Augen all der Nachbarbauern kontrollierten.

      Da war die Mühle, vordem so einträglich, als noch der Landmann mit allen seinen Lebensbedingungen im eignen Grund und Boden wurzelte und aus ihm seine Nahrung sog wie Apfel- und Birnbaum. Aber seitdem Groß und Moos den verfeinerten Genuss boten, schienen sich die Bauernmäuler geändert zu haben. Es war nicht zu glauben, aber es gab Leute, die empfindsam geworden waren gegen den Reiz der Kleie auf dem Zahnfleisch. Den Anfang machten die Frauen mit ihrem Kirchweihkuchen, dann kamen die Fastnachtskrapfen daran, und schließlich wurden die sturzblechernen Bauernmägen, die vordem Schuhnägel verdauten, nervös. So wich das gediegene Schwarzbrot dem Produkte der Firma Groß und Moos und verschwand genau so wie der blauleinene Kittel, der vor der Schabwolle floh, die ihre Auferstehung aus Lumpen feierte. Die neue Zeit, den Papierkragen als Wimpel am Fockmast, steuerte ihr Schifflein in die entlegensten Gebirgstäler. Vater Höhrle wusste, dass sein Gebet von jenem Sonntag nicht erhört war. Traurig und in einer Allerseelenstimmung ging er an sein Hauptbuch, den Tisch mit den eingeschnittenen Namen.

      Da war zu lesen: »Franz Hintenlang von Falkengesäß«. Vater Höhrle erinnerte sich seiner genau. Er hatte einige Auswüchse wie Schneeballen so groß aus seinem Kopfe und konnte deshalb nur gestrickte Kappen tragen. Das war der eigentliche Grund, weshalb er nie zum Abendmahle ging und in den Geruch kam, ein Aufgeklärter zu sein. Er war unter seinen Kartoffelwagen gekommen und hatte den Weg von hier in die Ewigkeit in wenig mehr als einigen Sekunden gemacht. Vater Höhrle verzieh ihm, dass er nicht mehr mit seinem Korn zur Mühle kam, und machte ein kleines Kreuz hinter seinen Namen.

      Dann kam »Pankraz Wohlgemuth aus Hartenrod.« Der lag auf dem Rücken, als er starb. So kam’s, dass der Tod seinen Schnitzbuckel nicht sah; denn wer weiß, ob er ihn aufgeladen, wenn er gewusst hätte, wie schwer er zu verpacken war.

      »Ignatius Weißkohl aus Hammelbach« war in einem guten Weinjahr den Weg alles Fleisches gegangen, obwohl man bei ihm von Fleisch eigentlich nicht reden konnte, denn er war so mager wie ein Spinnrad und doch durstig wie ein Trichter. Auch die beiden hatten einen anständigen Grund ihre Geschäftsverbindungen mit der Mühle zu lösen. Vater Höhrle zürnte ihnen nicht und setzte jedem ein kleines Kreuz hinter seinen Namen und ein Requiescat in pace.

      Jetzt aber entdeckte er den Namen »Klaus Krummholz aus Brombach«. Der Mann war ein leidlich begüterter Bauer. Im Winter aber und an den Regentagen besserte er alte Wagenräder aus und machte auch wohl neue. Er war ein unzuverlässiger Kopf und musste immer beim Neuesten sein. Er wechselte seinen Arzt, seinen Barbier, seinen Schuster und hatte sogar seine Religion gewechselt, nur seine Strümpfe wechselte er nicht. Er war einer der ersten, der sein windschiefes Rückgrat vor der Firma Groß und Moos beugte und sein Korn nach deren Mühle trug. Der Chef des Hauses hatte sich herabgelassen, mit ihm ein paar freundliche Worte zu reden, und Krummholz war vor Ergebenheit schier noch buckliger geworden, als er schon war. Späterhin lief er dann im Dorfe herum und erzählte Wunderdinge von dem Produkte der neuen Kunstmühle. Seine Frau hatte mit einer Hand voll Mehl einen Kuchen gebacken, so groß, dass das Wunder Jesu – die Speisung der fünftausend Menschen – wenn nur Groß und Moos das Mehl lieferten, eine selbstverständliche Sache war.

      Vater Höhrle, der den windigen Gesellen hasste, wenn sein sanftes Wesen einer derartig starken Gefühlsäußerung fähig war, empfand einen Ekel vor dem Namenszug dieses Klebrigen, schnitt ihn mit seinem Taschenmesser ans der Tischplatte und suchte weiter.

      Da kamen nun aber eine ganze Anzahl Leute, die wohl alle etwas besser wie der Krummholz, aber noch lange nicht gut waren. Es kam die große Schar derer, die dem Vater Höhrle Geld schuldig waren, und die nun vor anderen Leuten so taten, als ob sie nur ungern und nicht ohne Bedauern der Mühle ihre Gunst entzögen. ›Wir hätten gerne‹, – pflegten sie bedeutungsvoll zu sagen, – ›aber es ging nicht mehr, es ging wirklich nicht mehr.‹ Ehrabschneider, die andere Leute schlecht machen durch das, was sie scheinbar großmütig verschweigen.

      Dann jene Sorte, die überall für sich einen kleinen Vorteil riechen. ›Man kann nicht wissen, Groß und Moos konnten sich ein Paar Stiefel machen, den Bart scheren, einen Zahn ziehen lassen! Eine Hand wäscht die andere. Groß und Moos konnten in den Stadtrat gewählt werden.‹

      Diese erbärmliche, sich selbst misstrauende, aber zahlreiche Sorte hatte dem Tische übel mitgespielt. Von der krankhaften Sucht beherrscht, dass von ihrem Nichts etwas auf künftige Geschlechter kommen müsse, hatten sie das Eichenbrett glatt durchgeschnitten. Vater Höhrle konnte die Gänge dieser Holzwürmer unmöglich herausradieren, deshalb holte er Fensterkitt und schmierte sie zu. Aber ihrer waren viele, und als der Alte fertig und nur die treugebliebene Kundschaft nebst den Toten übrig war, sah der Tisch verschmiert aus, schier wie ein Nudelbrett am Freitagvormittag.

      Der Müller war recht traurig, als er so sein Hauptbuch überschaute, und auch Suse, die unbemerkt an die Seite des Vaters getreten war und sein seltsam Tun beobachtete, ließ das schöne Köpfchen hängen, so dass sie mitleiderregend aussah wie eine Rosenknospe im Novemberfrost.

      »Vater,« sprach sie nach langem Schweigen, »will’s denn immer noch nicht gehen?«

      Der Alte erschrak