Das Kind. Adolf von Wilbrandt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf von Wilbrandt
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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zu. Indessen, Rutenberg schien das nicht zu bemerken, in etwas kerzengerader Höflichkeit erwiderte er. »Sie werden den Ball mit meiner Tochter eröffnen, hör’ ich.«

      »Eine Ehre, auf die ich stolz bin!« entgegnete Wyttenbach, wieder mit einem leichten Lächeln. »Unter diesen besonderen Umständen ist der Tanz natürlich ein Vergnügen für mich, das ich zu schätzen weiß – wenn ich auch sonst nicht mehr der unreife Jüngling bin, den dieses Herumspringen beglückt. Für ernsthafte Männer wird natürlich der Tanz zu dem, was er wirklich ist: zu einer Spielerei – einer ›angenehmen‹ – na ja, mag sein. Aber doch eigentlich zu einer geistlosen Geschäftigkeit der Beine, des unteren Menschen – also des niederen Menschen. So denke auch ich, meine Herren halte eigentlich schon zu Ihnen – zu Ihnen. Nur die Galanterie gegen die Damen zwingt mich natürlich noch« – — er verbesserte sich »legt mir die angenehme Pflicht auf —«

      »Zu springen,« ergänzte Schilcher trocken.

      »Zu tanzen,« schloß Wyttenbach seinen Satz.

      »Schadet Ihnen nichts,« bemerkte Schilcher.

      Der junge Mann lächelte etwas gezwungen. »Gewiß nicht! – Gewiß nicht! – Außerdem ist es ja eine gesunde körperliche Bewegung – wie schon die Alten bemerkten und wenn Plato das Gehen für die gesündeste Motion erklärte, so —«

      Er konnte nicht zu Ende sprechen, Gertrud erschien eben in der Thür, zu seiner Verwunderung noch im Hauskleid, aber mit einem entzückend strahlenden, zugleich auch ein bißchen verlegenen Gesicht. Indem sie ihm flüchtig zunickte und noch stehen blieb, sagte sie: »Brink hat mir’s verraten. Ein Bouquet für mich!« Wyttenbach war aufgestanden mit einer seiner elegantesten Verneigungen kam er auf sie zu. »Allerdings,« sagte er, das »r« wie ein Lieutenant schnarrend, »diese armen Blumen, verehrtes Fräulein Gertrud, möchten Sie begrüßen.« Wie zur Entschuldigung zuckte er die Achseln. »Das Beste, was unser rauher deutscher November hergab —«

      »Das Treibhaus,« setzte Schilcher hinzu.

      Gertrud hörte das nicht, sie nahm die Blumen und schaute sie zärtlich an. »O wie dank’ ich Ihnen!« sagte sie mit fast kindlicher Freude. »O wie bin ich glücklich!«

      Sie war aber zu eilig gewesen, der junge Mann hatte noch allerlei zu sagen, mit einer geschickt tändelnden Bewegung nahm er ihr den Strauß wieder aus der Hand und bewegte ihn vor ihr hin und her, wie wenn er damit salutierte. »Die Blumen brauchten zwar nicht deutsch zu sprechen,« setzte er darauf seine Rede fort, »denn sie haben bekanntlich ihre eigne Sprache, aber sie möchten Ihnen doch auf deutsch ein paar Worte, ein paar Verse sagen.

      ›Der Süßen Süßes!‹ spricht ein Dichterwort

      ›Der Blume Blumen!‹ wagen wir zu sprechen.

      Doch wir verbessern uns sofort:

      Der Knospe will man Knospen brechen.

      Du Knospe denn, die sich zur Blume heut’ erschlossen

      Nimm Knospen hier und Blumen zu Genossen!«

      Nun erst überreichte er ihr das Bouquet, mit feierlichem Lächeln, dann wandte er sich zu den Männern zurück. »Meine Herren,« sagte er, auf einmal zehn Jahre älter geworden, »verzeihen Sie mir diese kleine lyrische Schwärmerei!«

      Das Mädchen hatte mit rührend großen Augen bewegungslos zugehört, während ihr Dichter die Verse mit seiner schönen Stimme sprach, da sie nun den Strauß wieder in der Hand hielt, die vor Freude leise zu zittern anfing, dankte sie über ihn hinweg mit einem verstohlen liebevollen Blick. Sie versenkte ihr feines Näschen, ihr ganzes Gesicht in die duftenden Blumen, küßte sie heimlich, nur Arthur konnte es sehn. Aus dem Bouquet heraus klang dann ein leises, kaum vernehmbares, glückseliges Lachen.

      Unterdessen beugte sich Rutenberg zu Schilcher hinunter und sagte ebenso leise: »Ein etwas süßes, fades Herrchen was?«

      »Ein Hansquast!« flüsterte Schilcher.

      Gertrud strahlte wieder den Dichter an. »Und wie dank’ ich Ihnen für die schönen Verse! Die müssen Sie mir aufschreiben —«

      Mit einer geringschätzigen Bewegung lehnte Wyttenbach diese Zumutung ab.

      »Ich verlang’ es!« sagte sie wie eine kleine Herrscherin, doch dann lieblich bittend. »Sie müssen!« – Jetzt lief sie zum Vater, den sie so von Herzen liebte, und hielt ihm den Strauß hin, daß auch er daran riechen, sich mitfreuen sollte. »Nun, Ballväterchen?« sagte sie, als er das gethan hatte, und streichelte ihm die blühenden Wangen trotzig mit dem Strauß. »Deine Trudel geht nun und macht sich schön. Könnt’st das wohl auch thun, du. Bitte, wart’ heute nicht wie gewöhnlich bis zum allerletzten Augenblick!«

      »Nein, nein, ich werd’ mich anständig benehmen, Trudel,« erwiderte der Vater. Er legte ihr eine Hand an die warme und so weiche Wangen es that ihm gar gut. Auf Schilcher hinunterblickend, deutete er mit dem Kopf auf das Kind, voll Liebe und Wohlgefallen. Sein Blick schien zu fragen: Hab’ ich vorhin zu viel gesagt? bin ich nicht sehr glücklich? – Dann fragte er auch noch mit der Stimme durch ein leises »Hm?«

      »Hm!« erwiderte Schilcher einverstanden.

      Rutenberg wandte sich zu dem jungen Mann »Sie entschuldigen uns, Herr van Wyttenbach.«

      »Bitte sehr« fiel dieser ein »der sich zu entschuldigen hat, das bin ich!« – Er nahm seinen Hut, den er vor dem Versesprechen aus der Hand gelegt hatte, wie um nun auch zu gehn.

      Schilcher war aufgestanden, er nahm Rutenbergs Arm und zog ihn langsam zur andern Thür, die in Rutenbergs Wohnzimmer führte. »Ich schreib’ noch erst meine Postkarte bei dir,« sagte er: »Brink will sie dann in den Briefkasten stecken. Im Gehn setzte er leise hinzu, nachdem er den jungen Mann zum Abschied mit der Hand gegrüßt hatte. »Und ich trinke einen Schnaps auf dies Zuckerwasser . . .«

      »Gut zum Tanzen, Schilcher!« flüsterte Rutenberg, harmlos vergnügt, mit einer kleinen Daumenbewegung auf Wyttenbach zurückdeutend. »Ballfutter!« – Damit gingen sie aus der Thür.

      4

      Herr van Wyttenbach hatte sich, während die beiden Alten noch in Sehweite waren, mit einer förmlichen Verbeugung von Gertrud verabschiedet, als sie verschwanden, blieb er an der Salonthür stehn, warf das schöngekräuselte Haar zurück und lächelte das Mädchen zärtlich an. Die Stimme ein wenig dämpfend, doch nur so, daß sie noch Wohllaut behielt, fragte er, indem er die Lippen spitzte.

      »Also ich hab’ Ihnen etwas Freude gemacht, meine süße Gertrud?«

      Sie nickte liebevoll. »Die Blumen – und ihre Sprache! Ach, ich bin so glücklich!«

      »Sind Sie glücklich, Gertrud?«

      »Ich kann Ihnen so nicht sagen,« antwortete sie, »wie ich glücklich bin! – ›Und immer ging sie fort‹ . . . Ich muß Ihnen noch einen Traum erzählen —«

      Sie sollte aber ihren Traum heute nicht zum zweitenmal los werden. Arthur legte plötzlich einen Finger auf die Lippen und deutete mit dem Kopf hinter sich nach der Thür. Nun hörte sie auch Schritte dort, und Brinks verschleierte Stimme. Es wollte offenbar jemand kommen, man sprach hin und her. Arthur zuckte entsagend die Achseln, Gertrud, die siebzehnjährige, stampfte auf die Erde; sie fühlte, wie sie diesen Jemand haßte.

      Richtig, dachte sie, da kommt das Ungetüm! Die Salonthür ging auf, eine lange Gestalt, ebenso lang wie Wyttenbach, ebenso schwarz gekleidet, erschien auf der Schwelle. Es war ein junger Mann mit blassem Gesicht, mit sehr ernsten Zügen, den weichen schwarzen Hut hielt er in der Hand. Den kenn’ ich ja, dachte Gertrud, die ihn mit herzlichem Widerwillen ansah, da er sie so störte. Zu ihrem Erstaunen zitterten ihm die Lippen eine Weile, ehe er mit etwas unsicherer Stimme zu sprechen anfing. »Entschuldigen Sie, Fräulein Rutenberg —!«

      »Ach ja, wir kennen uns,« sagte sie nun gutmütig, seine Aufregung entwaffnete sie. »Herr von Hiller, nicht wahr —«

      Der junge Mann lächelte, im ersten Augenblick etwas schmerzlich, aber schnell gefaßt. »Sie verwechseln mich mit einem andern, mein Fräulein,« sagte er schlicht. »Waldeck ist mein Name.«

      »O!«