»Mein Name ist schwerlich so berühmt wie der Ihrige. Ich heiße Hammer.«
»Ist das ein deutscher Name?«
»Ja.«
»So sind Sie ein Deutscher?«
»Allerdings.«
»So halten Sie gefälligst den Mund, wenn es sich um hiesige Angelegenheiten handelt! Ich bin ein Porteño, verstanden?«
Er sagte dieses Wort mit scharfer Betonung und blickte dem andern dabei von oben herab stolz in das Gesicht. Porteños nennen sich die eingeborenen Bewohner des Landes im Gegensatze zu den Eingewanderten. Sie halten sich, doch ohne allen Grund, für besser, als dieselben. Wenn der Espada glaubte, mit diesem Worte Eindruck zu machen, so hatte er sich geirrt, denn der Riese that gar nicht, als ob er die Bedeutung desselben kenne. Darum fuhr der Espada in noch zornigerem Tone fort:
»Sie haben mit Geringschätzung von mir gesprochen. Wollen Sie Ihren Ausdruck zurücknehmen?«
»Nein. Ich habe gesagt, daß man einen Büffel nicht mit Worten tötet, und weil ich eben ein Deutscher bin, pflege ich stets zu wissen, was ich sage.«
»Carracho! Das ist stark! ich, der berühmteste Espada dieses Landes, soll mich von einem Deutschen verhöhnen lassen! Mann, wenn ich Sie nun vor meine Klinge fordre, was werden Sie da sagen?«
»Nichts, gar nichts werde ich sagen, da es ja der Rede gar nicht wert ist,« antwortete Hammer, indem er sich auf seinem Stuhle behaglich zurücklehnte und dem Espada einen Blick zuwarf, welcher auf alles andre, aber nur nicht auf Furcht schließen ließ. Das erregte diesen noch mehr. Er trat mit vor Zorn funkelnden Augen noch einen halben Schritt näher, hob den Arm wie zum Schlage und rief:
»Wie, Sie wollen mir die Beleidigung nicht abbitten und mir auch keine Genugthuung geben?«
»Nein.«
»Gut, so werde ich Sie als einen ehrlosen Feigling kennzeichnen. Hier haben Sie das!«
Er wollte dem Deutschen mit der Faust in das Gesicht schlagen; dieser aber parierte den Hieb von unten herauf mit dem Arme, fuhr schnell empor, nahm den Espada bei den beiden Armen, drückte sie ihm an den Leib, hob ihn in die Höhe und warf ihn, als ob er ein federleichter Gegenstand sei, an die Wand, daß es krachte.
Alle Gäste erhoben sich von ihren Sitzen, um zu sehen, was nun geschehen werde. Der Espada war, wie überhaupt alle Anwesenden, von denen keiner das Gewand der Pampa trug, auf französische Art gekleidet, und es stand also nicht zu erwarten, daß er eine Waffe bei sich tragen werde, doch griff er, nachdem er sich rasch aufgerafft hatte, unter den Rock, zog ein langes Gauchomesser hervor und drang wutbrüllend mit demselben auf den Deutschen ein. Dieser wich keinen Zoll zurück, sondern sah ihm mit scharfem Auge entgegen, packte ihn mit raschem Griffe an dem das Messer hochhaltenden Arm und drückte ihm denselben so, daß er die Waffe mit einem Schmerzensschrei fallen ließ. Dann gebot er ihm in drohendem Tone:
»Gib Ruhe, Antonio Perillo! Mir kommt man nicht in dieser Weise. Wir befinden uns in Buenos Ayres, nicht aber in der Salina del Condor. Verstanden?«
Bei diesen Worten nahm er seinen Gegner so scharf in das Auge, als ob er ihm in das innerste Herz blicken wolle. Perillo fuhr zurück und starrte den Sprecher erschrocken an. Er war bleich, sehr bleich geworden; sein Auge flimmerte in einem ungewissen Scheine und seine Stimme zitterte beinahe, als er antwortete:
»Die Salina del Condor? Was ist's mit dieser? Ich kenne sie nicht.«
»Du kennst sie nur zu gut; ich sehe es dir an.«
»Ich bin nie, niemals dort gewesen. Was wollen Sie mit dem Namen dieses Ortes sagen?«
»Ganz dasselbe, was du dir jetzt im stillen sagst, freilich ohne es laut werden zu lassen. Aber es wird laut werden, früher oder später; das versichere ich dir!«
»Ich weiß nicht, was Sie reden und was Sie wollen. Ich mag mit Ihnen nichts zu thun haben.«
»Dazu hast du allen Grund; also hüte dich davor, daß ich einmal mit dir zu thun bekomme, denn du würdest da schwerlich so gut davonkommen wie heute!«
Er griff in die Tasche, warf, um das Genossene zu bezahlen, eine Anzahl von Papierthalern auf den Tisch, nahm den Hut vom Nagel und schritt der Thüre zu, ohne daß jemand es wagte, ihn anzuhalten. Seit er nicht mehr auf dem Stuhle saß, sondern sich aufgerichtet hatte, sah jeder ein, daß mit diesem Goliath nicht gut anzubinden sei. Seine drei Gefährten folgten ihm.
Erst als die Thüre sich hinter ihnen geschlossen hatte, kehrte dem Espada der Mut zurück. Er wendete sich an seine Gefährten, um seine Niederlage zu beschönigen, denn einer derselben rief ihm höhnisch zu:
»Welch eine Blamage, Antonio Perillo! Er hat dich geworfen!«
»Laufe ihm doch nach und binde mit ihm an! Gegen so einen Riesen kann kein Mensch aufkommen.«
»Das mag sein. Aber er nannte dich Du. Welche Verächtlichkeit! Und du ließest es dir nicht nur gefallen, sondern nanntest ihn Sie, wie vorher.«
»Ich habe auf das Du gar nicht geachtet.«
»Und was war es mit dieser Salina del Condor? Was meinte er damit?«
»Weiß ich es? Dieser Aleman scheint an einer fixen Idee zu leiden. Ihr wißt ja, daß die Deutschen alle Träumer oder mondsüchtig sind. Sprechen wir nicht mehr davon.«
Vielleicht hätte man dieses Thema doch nicht fallen lassen, wenn nicht eben jetzt eine Person eingetreten wäre, welche die Blicke aller auf sich zog. Es war ein Gaucho, aber von so kleiner, schmächtiger Gestalt, wie keiner der Anwesenden in seinem Leben jemals einen Gaucho gesehen hatte. Das Männchen trug eine sehr weiße und sehr weite Hose, welche ihm nur bis an die Kniee reichte, und eine rote, baumwollene Chiripa. Das ist eine Decke, welche der Bewohner der Pampa schräg um die Hüften schlägt, vorn und hinten emporzieht und dann um den Leib legt, wo sie von einem Gürtel festgehalten wird. Die Ärmel des Hemdes, welches ebenso rein und weiß wie die Hose war, hatte der kleine Träger bis über die Ellbogen aufgewickelt, so daß seine Vorderarme unbedeckt waren. Über den Gürtel war eine rote Schärpe gebunden, deren Enden an der Seite herunterhingen. Ein ebenfalls roter Poncho bedeckte den Oberkörper. Das ist eine wollene Decke, in deren Mitte sich ein Schnitt befindet, durch welchen man den Kopf steckt. Die Unterschenkel waren mit echten Gauchostiefeln bekleidet, welche folgendermaßen zubereitet werden. Man zieht beim Schlachten eines Pferdes von den unteren Beinen die Haut, doch ohne sie zu zerschneiden, noch lebenswarm herunter und legt sie in heißes Wasser, um die Haare leichter abschaben zu können. Man steckt, während diese Häute noch naß sind, die Füße hindurch und zieht sie wie Strümpfe an. Sobald das Leder trocken wird, legt es sich fest um die Waden und bildet eine sehr wetterfeste Bekleidung, welche man freilich niemals ablegen kann, sondern tragen muß, bis sie von selbst zerreißt und von den Beinen fällt. Natürlich sind da nur die Unterschenkel und der obere Teil des Fußes bedeckt; die Zehen aber sehen vorn heraus und auch die Fußsohle bleibt nackt. Der Gaucho, welcher solche Stiefel trägt, geht also barfuß – wenn er nämlich geht. Von Gehen ist bei ihm nur dann die Rede, wenn er sich im Innern seiner Hütte befindet, sonst aber sitzt er ununterbrochen im Sattel. Daß die Zehen 'nackt sind, kommt ihm bei der Beschaffenheit seiner Steigbügel zu statten, denn dieselben sind so klein, daß er nur die große Zehe hineinzustecken vermag. Desto größer sind die Sporen, welche er trägt. Auch der kleine Mann, welcher jetzt in das Café getreten war, hatte ein paar Räder angeschnallt, welche die Größe eines silbernen Fünfmarkstückes besaßen. Ein graues Filzhütchen, von welchem eine Troddel hing, saß ihm auf dem Kopfe, und unter diesem Hute trug er ein rotseidenes Tuch, dessen hinten herabgehenden Zipfel er vorn am Halse festgebunden hatte. Solche Tücher trägt der Gaucho unter dem Hute, da sie den Nacken vor dem Sonnenbrande schützen und zugleich eine angenehme Kühlung gewähren, weil sie beim Reiten vorn die Luft auffangen und dem Nacken zuführen. In dem Gürtel unter der Schärpe steckte ein langes Messer und eine zweiläufige Pistole, und über die Achsel hing an einem breiten Riemen eine Doppelflinte, welche nicht viel kürzer als der Mann selber war, welcher zwei Bücher in den Händen hatte.
Dieser letztere Umstand