„Ich wusste auch nicht, dass sie Parfüm verkaufen“, entgegnete Ben. „Ich dachte, sie verkauften nur überteuerten Schmuck. Willst du mich ansprühen?“
Emily, die plötzlich ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren konnte, brach in Tränen aus. All ihre Hoffnungen fielen um sie herum zusammen. Sie fühlte sich wie eine Idiotin, weil sie sich dem Glauben hingegeben hatte, dass er ihr heute Abend womöglich einen Antrag machen würde.
„Warum weinst du?“, fragte Ben mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er schien auf einmal gekränkt zu sein. „Die Leute schauen schon.“
„Ich dachte…“, stammelte Emily, während sie sich mit der Serviette die Augen abtupfte. „Weil wir hier im Restaurant sind und es unser Jahrestag ist…“ Sie brachte die Worte nicht heraus.
„Ja“, erwiderte Ben mit kalter Stimme. „Es ist unser Jahrestag, weshalb ich dir ein Geschenk gekauft habe. Es tut mir leid, wenn es nicht gut genug ist, aber du hast ja immerhin gar keines für mich.“
„Ich dachte, dass du mir einen Antrag machen würdest!“, erklärte Emily schließlich weinend, als sie ihre Serviette auf den Tisch warf.
Die Hintergrundgeräusche in dem Restaurant verstummten, da alle Menschen aufgehört hatten zu essen, sich umdrehten und sie nun anstarrten. Doch es war ihr mittlerweile egal.
Bens Augen weiteten sich aus Angst. Er schaute sogar noch verängstigter aus als damals, als sie die Möglichkeit erwähnt hatte, eine Familie zu gründen.
„Warum willst du heiraten?“, fragte er.
In dem Moment wurde Emily einiges klar. Sie schaute ihn an, als ob sie ihn das erste Mal sähe. Ben würde sich nie verändern. Sie hatte Jahre damit verbracht, auf etwas zu warten, das so offensichtlicherweise niemals eintreten würde, und diese mini Flasche Parfüm war der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
„Es ist vorbei“, sagte Emily. „Ich bin nicht mehr blind. Das hier – du, ich – war nie richtig gewesen.“ Sie stand auf und warf ihre Serviette auf den Stuhl. „Ich ziehe aus“, erklärte sie. „Ich werde heute Nacht bei Amy schlafen und dann morgen meine Sachen holen.“
„Emily“, widersprach Ben und griff nach ihrer Hand. „Können wir bitte darüber reden?“
„Warum?“, schoss sie zurück. „Damit du mich dazu überreden kannst, weitere sieben Jahre zu warten, bevor wir uns ein eigenes Haus kaufen? Ein weiteres Jahrzehnt bevor wir ein gemeinsames Bankkonto führen? Siebzehn Jahre, bevor du überhaupt darüber nachdenkst, dass wir uns gemeinsam eine Katze anschaffen könnten?“
„Bitte“, flüsterte Ben, während er den Kellner anschaute, der ihre Nachspeise brachte. „Du machst eine Szene.“
Emily wusste das, doch es war ihr egal. Sie würde ihre Meinung nicht ändern.
„Es gibt nichts mehr, über das wir reden könnten“, entgegnete sie. „Es ist vorbei. Genieß deine Mousse aus gesalzenem Karamell!“
Und mit diesen letzten Worten stürmte sie aus dem Restaurant.
KAPITEL ZWEI
Emily starrte auf ihre Tastatur und befahl ihren Fingern, sich zu bewegen, etwas zu tun, irgendetwas. Eine weitere E-Mail erschien in ihrem Posteingang und sie schaute sie mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck an. Das Geräusch der Bürogespräche um sie herum bemerkte sie kaum. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Ihr kam es so vor, als würde sie alles durch einen Schleier wahrnehmen. Die Tatsache, dass sie auf Amys klumpiger Couch kaum geschlafen hatte, trug auch ihren Teil dazu bei.
Sie war schon seit einer Stunde auf der Arbeit, doch sie hatte noch nichts geschafft, außer ihren Computer einzuschalten und eine Tasse Kaffee zu trinken. In ihrem Gehirn schwirrten Erinnerungen an die vergangene Nacht herum. Jedes Mal, wenn sie an den schrecklichen Abend dachte, verfiel sie in leichte Panik.
Ihr Handy begann zu blinken und sie schaute auf das Display, nur um festzustellen, dass Bens Name zum hundertsten Mal aufleuchtete. Sie hatte nicht einen einzigen seiner Anrufe beantwortet. Was gäbe denn schon noch zu reden? Er hatte sieben Jahre lang Zeit gehabt, für sich zu entscheiden, ob er mit ihr zusammen sein wollte oder nicht – ein Rettungsversuch in letzter Minute würde jetzt gar nichts bringen.
Das Telefon in ihrem Büro klingelte, wodurch sie sich ziemlich erschreckte, bevor sie nach dem Hörer griff.
„Hallo?“
„Hi Emily, ich bin’s, Stacey aus der fünfzehnten Etage. Mir ist gesagt worden, dass du heute Morgen an dem Meeting hättest teilnehmen sollen, und wollte nachfragen, warum du nicht dort warst.“
„Verdammt!“, rief Emily, während sie den Hörer auf die Station schmiss. Sie hatte das Meeting komplett vergessen.
Sie sprang von ihrem Schreibtisch auf und rannte durch das Büro zum Aufzug. Ihr hektisches Auftreten schien ihre Kollegen zu amüsieren, die wie Kinder anfingen, miteinander zu tuscheln. Als sie den Aufzug erreichte, schlug sie mit der Hand auf den Knopf.
„Komm schon, komm schon, komm schon.!“
Es dauerte eine Ewigkeit, doch schließlich kam der Aufzug an. Als die Türen aufgingen, stürmte Emily hinein, nur um direkt in jemanden hineinzulaufen, der gerade hinaustreten wollte. Sie stolperte atemlos zurück und erkannte, dass sie in ihre Chefin Izelda hineingelaufen war.
„Es tut mir schrecklich leid“, stammelte Emily.
Izelda musterte sie von oben bis unten. „Was genau? Dass Sie in mich hineingelaufen sind oder dass Sie das Meeting verpasst haben?“
„Beides“, antwortete Emily. „Ich war gerade auf meinem Weg dorthin. Ich hatte es total vergessen.“
Sie konnte die Augen all ihrer Kollegen in ihrem Rücken spüren. Das letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Portion öffentliche Erniedrigung, doch genau das genoss Izelda sehr.
„Haben Sie einen Kalender?“, fragte Izelda kühl, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkte.
„Ja.“
„Und wissen Sie auch, wie er funktioniert? Wie man schreibt?“
Hinter sich konnte Emily hören, wie mehrere ihrer Kollegen ihr Lachen unterdrückten. Ihr erster Instinkt war es, wie eine Blume den Kopf hängen zu lassen. Vor anderen Menschen heruntergeputzt zu werden war einer ihrer schlimmsten Albträume. Aber genau wie gestern Abend im Restaurant erlebte sie auch jetzt einen Moment der Klarheit. Izelda war keine Autoritätsperson, zu der sie aufschauen und deren Launen sie sich beugen musste. Sie war einfach nur eine bittere Frau, die ihre Wut an jedem ausließ, den sie traf. Und diese flüsternden Kollegen hinter ihr bedeuteten gar nicht.
Eine plötzliche Welle der Erkenntnis überrollte Emily. Ben war nicht das einzige, was sie an ihrem Leben nicht mochte. Sie hasste auch ihren Job. Diese Menschen, dieses Büro, Izelda. Sie steckte schon seit Jahren hier fest, genauso wie sie jahrelang mit Ben festgesteckt hatte. Und sie würde es nicht länger einfach so hinnehmen.
„Izelda“, sagte Emily. Zum ersten Mal sprach sie ihre Chefin mit ihrem Vornamen an. „Ich werde jetzt ganz ehrlich mit dir sein. Ich habe das Meeting vergessen, es ist mir einfach entfallen. Es ist nicht die größte Katastrophe der Welt.“
Izelda starrte sie mit bösem Blick an.
„Wie kannst du es wagen!“, bellte sie. „Du wirst den ganzen Monat bis Mitternacht arbeiten, bis du den Wert der Pünktlichkeit erkennst!“
Mit diesen Worten stürmte Izelda an ihr vorbei. Im Davongehen stieß sie an Emilys Schulter, ihrer Ansicht nach war das Thema anscheinend erledigt.
Doch