“Wend ich so meinen Rücken;
Noch anderswo gibts eine Welt...”
--William Shakespeare
Coriolanus
KAPITEL EINS
Gwendolyn stand am Ufer der Oberen Inseln und blickte hinauf auf den Ozean. Mit Schrecken betrachtete sie, wie Nebel aufzog, und ihr Baby verschlang. Es brach ihr das Herz, als sie Sah, wie das kleine Boot mit Guwayne von den Wellen immer weiter in Richtung Horizont davongetragen wurde und schließlich im Nebel verschwand. Die Gezeiten würden ihn Gott weiß wohin tragen und mit jedem Augenblick entfernte er sich weiter von ihr.
Tränen rollten über Gwendolyns Gesicht als sie zusah, doch sie konnte den Blick nicht abwenden, war wie gelähmt. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren und spürte ihren Körper nicht mehr. Ein Teil von ihr starb als sie zusah, wie der Mensch, den sie auf der Welt am meisten liebte, aufs Meer hinausgetragen wurde. Ein Teil von ihr wurde mit ihm von den Wellen ins Ungewisse getrieben.
Gwendolyn hasste sich für das, was sie gerade getan hatte, doch gleichzeitig wusste sie, dass es das einzige war, was ihr Kind vielleicht retten konnte. Sie hörte Donnergrollen am Horizont hinter sich, und wusste, dass bald die ganze Insel vom Feuer der Drachen verzehrt werden würde – und nichts auf der Welt konnte sie retten. Nicht Argon, der sich immer noch in einem hilflosen Zustand befand; nicht Thorgrin, der sich irgendwo am anderen Ende der Welt befand, im Land der Druiden; nicht Alistair oder Erec, die auch weit entfernt auf den Südlichen Inseln waren; und nicht Kendrick oder die Silver oder irgendeiner der anderen tapferen Männer, die hier waren – keiner von ihnen hatte, was nötig war, um einen Drachen zu bekämpfen. Sie brauchten Magie – und das war das Eine, das ihnen nicht zur Verfügung stand.
Sie hatten Glück gehabt, dem Massaker im Ring überhaupt entkommen zu sein, und nun, das wusste sie, hatte das Schicksal sie eingeholt. Es gab keinen Ausweg mehr, keinen Ort, an dem sie sich verstecken konnten. Es war an der Zeit, sich dem Tod zu stellen, der sie so lange verfolgt hatte.
Gwendolyn drehte sich um und blickte gen Himmel. Selbst von hier aus konnte sie sehen, wie die riesige Schar der Drachen den Himmel verdunkelte. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit; sie wollte nicht alleine hier am Ufer sterben. Sie wollte bei ihrem Volk sein, und es so gut sie konnte verteidigen.
Sie blickte aufs Meer hinaus, in der Hoffnung, noch einen letzten Blick auf Guwayne erhaschen zu können.
Doch da war nichts. Guwayne war schon weit fort, irgendwo hinter dem Horizont, auf dem Weg in eine Welt, die sie niemals sehen würde.
Bitte Gott, betete Gwendolyn, wache über ihn. Nimm mein Leben an seiner statt. Ich bin bereit, alles dafür zu tun. Bring ihn in Sicherheit. Und erlaube mir, ihn bald wieder in den Armen halten zu können. Ich flehe dich an. Bitte.
Gwendolyn öffnete ihre Augen. Sie hoffte ein Zeichen zu sehen, vielleicht einen Regenbogen am Himmel – irgendetwas.
Doch der Himmel blieb leer. Dicke, schwarze Wolken hingen bedrohlich über ihr, gerade so, als ob das Universum wütend auf sie war für das, was sie getan hatte.
Schluchzend wandte sie sich vom Meer ab und rannte in Richtung ihres Volkes. Es war alles, was ihr geblieben war, und sie wollte in der letzten Schlacht an ihrer Seite stehen.
*
Gwendolyn stand auf den Zinnen von Tirus‘ Festung, umgeben von ihren Leuten – unter ihnen ihre Brüder Kendrick, Reece, und Godfrey; Matus und Stara, die überlebenden Kinder ihres Onkels Tirus; Steffen, Aberthol, Srog, Brandt, Atme, und die verbliebenen Angehörigen der Legion. Alle betrachteten sie ernst den Himmel. Sie wussten, was auf sie zukam.
Als sie den Fernen Schreien lauschten, die die Erde erzittern ließen, standen sie hilflos da und beobachteten, wie Ralibar für sie sein Leben in die Waagschale warf. Ein einzelner Drache, der eine riesige Herde feindlicher Drachen abhielt. Gwendolyns Herz schwoll vor Stolz, als sie ihm zusah, so tapfer, so mutig, ein Dache allein gegen Dutzende, und doch war er furchtlos. Ralibar spie Feuer auf die anderen Drachen, griff sie mit seinen scharfen Krallen an und kratzte sie, hielt sie fest, und biss ihnen in die Hälse. Er war nicht nur grösser und stärker als die anderen, er war auch schneller. Ein unglaublicher Anblick.
Gwendolyn fasste ein wenig Hoffnung; tief im Inneren hoffte, sie, dass Ralibar