Meer Der Schilde . Морган Райс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Морган Райс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия: Ring der Zauberei
Жанр произведения: Героическая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9781632910066
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um sich haben. Er brauchte Zeit, um mit ihr zu sprechen, zu verstehen, warum sie ihn mit demselben liebevollen Blick ansah, den auch er für sie hatte; zu verstehen, ob all das real war, und was mit ihnen geschah.

      Reeces Herz pochte, während sie weiterliefen, und er war nicht sicher, was er als nächstes tun oder sagen sollte. Sein Verstand schrie ihn an, sich umzudrehen und davonzulaufen, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Stara zu bringen, das nächste Schiff zurück zum Festland zu nehmen, und nie wieder an sie zu denken. Er sollte nach Hause zurückkehren, wo seine künftige Gemahlin treu auf ihn wartete. Schließlich liebte Selese ihn, und er liebte sie. Und ihre Hochzeit war nur noch wenige Tage entfernt.

      Reece wusste, dass dies die kluge Entscheidung gewesen wäre. Die richtige Entscheidung.

      Doch sein Verstand wurde überwältigt von einer Welle von Gefühlen, von einer Leidenschaft, die er nicht beeinflussen konnte, die sich der Kontrolle seines rationalen Verstandes widersetzte. Die Leidenschaft zwang ihn, an Staras Seite zu bleiben, mit ihr durch diese Felder zu wandern. Es war der unkontrollierbare Teil seiner selbst, den er nie verstanden hatte, der ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hatte, überstürzte Entscheidungen zu treffen und seinem Herzen zu folgen. Er hatte ihn nicht immer die besten Entscheidungen treffen lassen. Doch Reeces leidenschaftliche Seite war stark, und er konnte sie nicht immer kontrollieren.

      Während er neben Stara her ging, fragte er sich, ob sie genauso fühlte wie er. Die Rückseite ihrer Hand streifte immer wieder seine, und er glaubte, ein leises Lächeln auf ihren Lippen zu sehen. Doch er konnte sie schlecht lesen – das war schon immer so gewesen. Das erste Mal, als er ihr begegnet war – sie waren noch kleine Kinder gewesen – war er wie vom Donner gerührt dagestanden und hatte tagelang an nichts anderes mehr denken können.

      Da war etwas in ihren fast durchscheinenden Augen, etwas in ihrer Haltung, so stolz und edel, wie ein Wolf, der ihn ansah, das hypnotisierend auf ihn wirkte.

      Als Kinder hatten sie gewusst, dass eine Beziehung unter Verwandten verboten war. Doch das hatte ihnen nie wirklich etwas ausgemacht. Zwischen Ihnen gab es etwas, etwas, das so stark war, zu stark, das sie gegenseitig anzog, egal, was die Welt darüber dachte. Sie hatten als Kinder zusammen gespielt, waren sofort beste Freunde geworden und hatten ihre Gegenwart der ihrer anderen Cousins und Cousinen bevorzugt. Wann immer er die Oberen Inseln besuchte, verbrachte er jeden Augenblick mit ihre; sie hatte seine Gefühle erwidert und hatte schon Tage vor seiner Ankunft am Ufer auf sein Schiff gewartet.

      Zuerst waren sie nur gute Freunde gewesen. Doch als sie älter wurden, hatte sich in einer schicksalhaften Nacht alles geändert. Obwohl es verboten war, war ihre Freundschaft zu etwas Stärkerem geworden, und keiner von ihnen war in der Lage gewesen, zu widerstehen.

      Reece hatte die Oberen Inseln zwar wieder verlassen, war jedoch stets in seinen Träumen bei ihr, abgelenkt bis zur Schwermut und monatelang von Schlaflosigkeit geplagt. Jede Nacht, wenn er sich zum Schlafen hinlegte, sah er ihr Gesicht und wünschte sich, dass weder der Ozean noch die Familie zwischen ihnen stehen würden.

      Reece wusste, dass sie das gleiche spürte; er hatte zahllose Briefe von ihr erhalten, in der sie ihre Liebe zu ihm in Worte gefasst, zu ihm über das Meer gebracht von einem Heer von Falken. Er hatte zurückgeschrieben, doch seine Worte waren nicht so geschliffen gewesen wie ihre.

      Der Tag, an dem es zum Bruch zwischen ihren Familien gekommen war, war einer der schlimmsten Tage in Reeces Leben gewesen. Es war der Tag, an dem Tirus ältester Sohn gestorben war, vergiftet mit dem Gift, das Tirus für Reeces Vater vorgesehen hatte. Doch trotzdem hatte Tirus König MacGil die Schuld gegeben. Das bedeutete den endgültigen Bruch und brach Reeces – und Staras – Herz. Sein Vater war genauso mächtig wie Staras, und beide hatten ihnen verboten, mit den anderen MacGils zu kommunizieren. Sie waren nie wieder auf die Oberen Inseln gereist, und Reece hatte nächtelang gelitten, wachgelegen, geträumt und gehofft, dass er Stara wiedersehen könnte. Von ihren Briefen wusste er, dass sie genauso fühlte.

      Doch eines Tages kamen keine Briefe mehr. Reece hatte den Verdacht, dass sie irgendwie abgefangen worden waren, doch er wusste es nie sicher. Er hatte den Verdacht, dass seine Briefe sie auch nicht mehr erreichten. Nach einer Weile musste Reece die schmerzvolle Entscheidung treffen, die Gedanken an sie aus seinem Herzen zu verdrängen.

      Die Erinnerung an Staras Gesicht flackerte zu den seltsamsten Zeiten auf, und er hatte nie aufgehört sich zu fragen, was aus ihm geworden war. Dachte sie auch immer noch an ihn? Hatte sie einen anderen geheiratet?

      Sie heute wiederzusehen, hatte alles zurückgebracht. Reece erkannte, wie sehr die Wunde in seinem Herzen noch immer brannte, gerade so, als hätte er sie gerade eben erst verlassen. Sie war älter, weiblicher, eine noch schönere Version ihrer selbst, wenn das überhaupt möglich war. Sie war eine Frau. Und ihr Blick war noch hypnotisierender, als er es zuvor gewesen war. In ihrem Blick sah Reece ihre Liebe und er fühlte sich besser zu wissen, dass auch sie noch dieselben Gefühle für ihn empfand wie er für sie.

      Reece wollte an Selese denken. Soviel schuldete er ihr. Doch so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht.

      Reece wanderte mit Stara über den Bergrücken, beide schwiegen, keiner von ihnen wusste, was er sagen sollte. Wo sollten sie anfangen, die Leere der verlorenen Jahre zu füllen?

      „Ich habe gehört, dass du bald heiraten wirst“, brach Stara schließlich das Schweigen.

      Reece spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Der Gedanke an seine Hochzeit mit Selese hatte ihn immer mit einer Welle von Liebe und freudiger Erregung erfüllt; doch jetzt, wo Stara ihn daran erinnerte, fühlte er sich am Boden zerstört, als hätte er sie betrogen.

      „Es tut mir leid“, antwortete Reece.

      Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Er wollte sagen: Ich liebe sie nicht. Ich weiß nun, dass es ein Fehler war. Ich will alles ändern. Ich will stattdessen dich heiraten.

      Doch er liebte Selese. Soviel musste er sich eingestehen. Es war eine andere Art von Liebe, wenn auch nicht so intensiv wie die, die er für Stara empfand. Reece war verwirrt. Er wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Welche liebe war stärker? Gab es überhaupt so etwas wie eine Rangstelle, wenn es um Liebe ging? Wenn man jemanden liebt, sollte das dann nicht heißen, dass man denjenigen bedingungslos, ohne Wenn und Aber liebte?

      „Liebst du sie?“, fragte Stara.

      Reece holte tief Luft, fühlte sich gefangen in einem Sturm der Gefühle und wusste kaum, was er antworten sollte. Sie liefen für eine Weile stumm weiter. Währenddessen ordnete er seine Gedanken, bis er endlich antworten konnte.

      „Ja“, sagte er mit Schmerz im Blick. „Ich liebe sie. Ich kann nicht lügen.“

      Reece blieb stehen und ergriff zum ersten Mal Staras Hand.

      Sie sah ihn an.

      „Doch ich liebe dich auch“, fügte er hinzu.

      Er sah, wie sich ihre Augen mit Hoffnung füllten.

      „Liebst du mich mehr als sie?“, fragte sie leise, hoffnungsvoll.

      Reece überlegte.

      „Ich habe dich mein ganzes Leben lang geliebt“, sagte er schließlich. „Du wirst auf ewig das einzige Gesicht der Liebe sein, das ich kenne. Du bist für mich der Inbegriff von Liebe. Ich liebe Selese. Doch mit dir… ist es, als wärst du ein Teil von mir. Wie ich selbst. Wie etwas, ohne dass ich nicht leben kann.“

      Stara lächelte. Sie hielt seine Hand und sie gingen mit einem Lächeln auf dem Gesicht weiter.

      „Du hast keine Ahnung wie viele Nächte ich geweint habe, weil ich dich vermisst habe“, gab sie zu und wandte den Blick ab. „Ich habe dir meine Worte mit den Falken geschickt – doch mein Vater hat sie abgefangen. Nach dem Bruch konnte ich dich nicht mehr erreichen. Ich habe sogar ein oder zweimal versucht, mich auf ein Schiff zum Festland zu schleichen – doch sie haben mich erwischt.“

      Reece war überwältigt all das zu hören. Er hatte keine Ahnung gehabt. Er hatte sich immer gefragt wie