„Es liegen genügend Leichen am Strand“, erklärte Thanos für alle anderen. „Wir nehmen ihre Ausrüstung und kehren zum Schiff zurück, um Nachschub zu holen.“
„Was meinst du?“ fragte Akila.
Im Schein des flackernden Feuers der Höhle konnte Thanos nicht ausmachen, welcher der Männer sprach. Ihre Fragen schienen aus der Dunkelheit zu dringen, sodass er nicht wusste, wer ihm zustimmte, wer Zweifel hatte und wer ihn tot sehen wollte. Es war nicht viel besser als die Politik, die zu Hause gemacht wurde. Doch auch besser in vielerlei Hinsicht, da ihn zumindest niemand anlächelte, während er eigentlich seine Ermordung plante.
„Was ist mit den Wachen auf den Schiffen?“ fragte einer der Rebellen.
„Das werden nicht viele sein“, sagte Thanos. „Und sie wissen, wer ich bin.“
„Was ist mit all den Leuten, die in der Stadt sterben werden, während wir das versuchen?“ fragte ein anderer.
„Sie sterben bereits jetzt“, entgegnete Thanos. „So habt ihr wenigstens eine Möglichkeit, euch zu wehren. Wenn wir das schaffen, dann werden wir Hunderte, vielleicht sogar Tausende von ihnen retten.“
Stille breitete sich aus und die letzte Frage durchschnitt sie wie ein Pfeil.
„Wie können wir ihm trauen, Akila? Er ist nicht nur einer von ihnen, er ist adlig. Ein Prinz.“
Thanos wandte sich von der Richtung ab, aus der die Stimme gekommen war. Er hielt ihm seinen Rücken entgegen. „Sie haben versucht, mich zu erstechen. Sie haben mich dem Tod überlassen. Ich habe genau so wie ihr allen Grund sie zu hassen.“
In diesem Moment dachte er nicht nur an den Typhoon. Er dachte an all das, was seine Familie den Menschen von Delos angetan hatte und an das, was sie Ceres angetan hatten. Wenn sie ihn nicht gezwungen hätten, zum Quellplatz zu gehen, dann wäre er nicht da gewesen, als ihr Bruder starb.
„Wir können hier rumsitzen“, sagte Thanos, „oder handeln. Ja, es wird gefährlich. Wenn sie unsere Verkleidung durchschauen, sind wir wahrscheinlich tot. Ich bin gewillt, es zu versuchen. Wie sieht es bei euch aus?“ Als niemand antwortete, hob Thanos die Stimme. „Seid ihr bereit?“
Die Antwort glich einem Jubel. Akila trat nah an ihn heran und gab Thanos einen Klaps auf die Schulter.
„In Ordnung, Prinz, es sieht so aus, als würden wir die Dinge auf deine Weise angehen. Wenn das gut geht, dann hast du einen Freund fürs Leben.“ Sein Griff wurde fester bis Schmerzen durch Thanos Rücken schossen. „Betrüge uns, schicke meine Männer in den Tod und ich schwöre dir, dass du dafür bezahlen wirst.“
KAPITEL ACHT
Es gab Gebiete von Delos, in die Berin normalerweise nicht ging. Sie stanken nach Schweiß und Verzweiflung, so wie Menschen rochen, wenn sie alles in Kauf nahmen, nur um über die Runden zu kommen. Er winkte ab, als man ihm aus dem Halbdunkel Angebote machte und warf den Werbenden böse Blicke zu, um ihre Offerten zu stoppen.
Wenn sie gewusst hätten, dass er Gold dabei hatte, dann hätte er sich früher oder später mit aufgeschlitzter Kehle in der Gosse wiedergefunden, der Inhalt seines Portemonnaies würde unter ihnen aufgeteilt und in einer der lokalen Tavernen und Spielhäusern auf Nimmerwiedersehen verschwinden noch bevor der Tag vorbei war. Er war hier, weil er sonst keinen Ort wusste, an dem Soldaten außer Dienst anzutreffen waren. Als Waffenschmied wusste Berin, wie man mit Männern kämpfte und er kannte die Orte, zu denen sie gingen.
Er hatte Gold, weil er einen Händler besucht hatte und ihm zwei Dolche gebracht hatte, die er zur Ansicht für mögliche Arbeitgeber geschmiedet hatte. Sie waren zwei hübsche Dinger und mit ihrer goldenen Filigranarbeit und den in die Klinge geätzten Jagdszenen eines jeden Adligen Gürtels wert. Es waren die zwei letzten Dinge von Wert, die er noch besaß. Er hatte mit einem Dutzend anderer Leute vor dem Tische des Händlers gewartet und hatte gerade einmal die Hälfte von dem bekommen, was sie wert waren.
Das war Berin jedoch egal. Das einzige, was zählte, war, seine Kinder zu finden und das würde Gold er dafür brauchen. Mit Gold konnte er Bier für die richtigen Leute kaufen. Gold konnte er in die richtigen Hände drücken.
Er schaffte es durch die Tavernenlandschaft Delos’, wenn auch nur langsam. Er konnte nicht gleich mit den Fragen, die er fragen wollte, herausplatzen. Er musste vorsichtig sein. Es war hilfreich, einige Freunde in der Stadt zu haben und einige in der Reichsarmee. Seine Schwerter hatten mehr als ein paar Menschenleben gerettet und das seit Jahren.
Er fand den Mann, nach dem er suchte, halbbetrunken mitten am Nachmittag. Er saß in einer Taverne und stank so sehr, dass niemand sich in seine Nähe gesetzt hatte. Berin vermutete, dass es allein seine Reichsuniform war, die die Leute davon abhielt, ihn mit dem Kopf zuerst auf die Straße zu schmeißen. Und die Tatsache, dass Jakar so fett war, dass es der Hälfte der Gäste des Lokals bedurft hätte ihn anzuheben.
Berin sah, wie sich die Augen des Mannes hoben, als er sich ihm näherte. „Berin? Mein alter Freund! Komm und trink mit mir ein Glas! Auch wenn du es bist, der bezahlen muss. Ich bin gerade etwas...“
„Fett? Betrunken?“ versuchte es Berin. Er wusste, dass es dem anderen Mann nichts ausmachen würde. Der Soldat schien einen Versuch zu unternehmen das schlechteste Beispiel der Armee zu werden. Er schien sogar einen gewissen Stolz darin zu finden.
„... finanziell ruiniert“, beendete Jakar seinen Satz.
„Ich könnte dir eventuell aushelfen“, sagte Berin. Er bestellte mehrere Gläser, doch ließ seines unberührt stehen. Er brauchte einen klaren Kopf, wenn er Ceres und Sartes finden wollte. Er wartete deshalb bis Jakar sein Glas herunterkippte. Seine Nase machte dabei Geräusche, die Berin an einen Esel erinnerten, der an einem Wassertrog stand.
„So, was bringt einen Mann wie dich zu meiner Wenigkeit?“ fragte Jakar nach einer Weile.
„Ich suche Neuigkeiten“, sagte Berin. „Die Art von Neuigkeiten, von denen ein Mann in deiner Position wissen könnte.“
„Ah, gut, Neuigkeiten. Neuigkeiten sind eine gierige Angelegenheit. Und möglicherweise eine teure.“
„Ich suche meinen Sohn und meine Tochter“, erklärte Berin. Bei jemand anderem hätte er so Sympathiepunkte sammeln können, doch er wusste, dass es einen solchen Mann unbeeindruckt ließ.
„Sein Sohn? Nesos, richtig?“
Berin lehnte sich über den Tisch, umschloss mit seiner Hand Jakars Handgelenk, als dieser ansetzte ein weiteres Bier herunterzuspülen. Ihm blieb nicht viel von der alten Kraft, die er sich durch das Hämmern verdient hatte, doch es war genug, um den anderen Mann zum Wimmern zu bringen. Gut, dachte Berin.
„Sartes“, sagte Berin. „Mein ältester Sohn ist tot. Sartes wurde zur Armee eingezogen. Ich weiß, dass du Dinge hörst. Ich will wissen, wo er ist, und ich will wissen, wo meine Tochter Ceres ist.“
Jakar lehnte sich zurück und Berin ließ von ihm ab. Er war sich auch nicht sicher, ob er seinen Griff noch länger hätte aufrechterhalten können.
„Davon könnte ich gehört haben“, räumte der Soldat ein, „aber es ist nicht ganz einfach. Ich habe Ausgaben.“
Berin zog den kleinen Sack Gold hervor. Er goss ihn auf dem Tisch aus, weit genug von seinem Gegenüber entfernt, dass er es nicht einfach wegschnappen konnte.
„Wird das deine ‚Ausgaben’ decken?“ fragte Berin und blickte auf das Bierglas des anderen Mannes. Er sah, wie der andere Mann das Gold zählte und wahrscheinlich versuchte abzuschätzen, ob es noch mehr zu holen gäbe.
„Deine Tochter ist der einfachere Fall“, sagte Jakar. „Sie ist im Schloss zusammen mit den Adligen. Sie haben verkündet, dass sie