Jake sagte, "Du bist der Mörder, aber du hast noch niemanden getötet. Du bist gerade in den McLaughlin's Pub in Brinkley gekommen und hast dich einem Mädchen namens Melody Yanovich vorgestellt. Du flirtest mit ihr und es scheint, als würde alles glatt laufen."
Sie fing an, die Dinge aus der Sicht des Mörders zu sehen. Die Szene spielte sich deutlich in ihrem Verstand ab.
Jake sagte, "Da ist eine kleine Schale mit Streichholzbriefchen der Bar. Während du mit ihr flirtest, nimmst du eins und steckst es in deine Tasche. Warum?"
Riley konnte die Streichhölzer fast zwischen ihren Fingern fühlen. Sie stellte sich vor, wie sie sie in ihre Brusttasche steckte.
Aber warum?, fragte sie sich.
Als der Fall beendet wurde, hatte es eine recht einhellige Meinung dazu gegeben. Der Mörder hatte die Streichhölzer von der Bar und die Notizzettel von den Motels bei den Opfern gelassen, um die Polizei zu verhöhnen.
Aber jetzt wurde ihr klar – das war nicht, was Jake dachte.
Und sie dachte es jetzt ebenfalls nicht.
Sie sagte, "Er wusste nicht, dass er sie töten würde – zumindest nicht, als er dort im McLaughlin's Pub war, nicht das erste Mal. Er hat das Streichholzbriefchen als Souvenir für seine bevorstehende Eroberung mitgenommen, eine Trophäe für die gute Zeit, die er erwartete."
"Gut", sagte Jake. "Was dann?"
Riley konnte sich deutlich vorstellen, wie der Mörder Melody Yanovich aus seinem Auto half und sie zu dem Motelzimmer führte.
"Melody war freiwillig dort und hat sich selbstsicher gefühlt. Sobald sie in das Motelzimmer kamen, ist sie sofort ins Badezimmer gegangen, um sich vorzubereiten. Währenddessen hat er ein Notizzettel mit dem Motel Logo eingesteckt – aus dem gleichen Grund, aus dem er die Streichhölzer mitgenommen hat, als Souvenir. Dann hat er sich ausgezogen und hat sich auf das Bett unter die Decke gelegt. Bald ist Melody aus dem Badezimmer gekommen …"
Riley hielt inne, um ein klareres Bild zu bekommen.
War die Frau nackt gewesen?
Nein, nicht ganz, dachte Riley.
"Melody hatte ein Handtuch um sich gewickelt. Da fing er an, sich unsicher zu fühlen. Er hat in der Vergangenheit Probleme gehabt. Würde er auch diesmal wieder mit dem Akt Probleme haben? Sie ist ins Bett geklettert und hat das Handtuch weggezogen …"
"Und?" drängte Jake.
"Und er wusste sofort – er würde es nicht tun können. Er war beschämt und peinlich berührt. Er konnte die Frau nicht mit dem Wissen gehen lassen, dass er versagt hatte. Eine glühende Wut hat ihn überkommen. Seine Rage hat seine Menschlichkeit weggewischt. Er hat sie am Hals gepackt und in dem Bett erwürgt. Sie ist schnell gestorben. Seine Wut ebbte ab und als ihm klar geworden ist, was er getan hatte, wurde er von Schuldgefühlen gepackt. Und …"
Rileys Verstand eilte durch den Rest des Verbrechens. Der Mörder hatte sein Opfer nicht nur in einem flachen Grab verscharrt, sondern es auch in der Nähe zur Straße und dem Highway getan. Er wusste sehr genau, dass die Leiche gefunden werden würde. Tatsächlich hatte er dafür gesorgt.
Riley riss die Augen auf.
"Ich verstehe es, Jake. Als er das Streichholzbriefchen und den Notizzettel eingesteckt hatte, wollte er nur Souvenirs sammeln. Aber nach den Morden hat er sie für etwas anderes genutzt. Er hat sie bei den Leichen gelassen, um der Polizei zu helfen, nicht um sie zu verspotten. Er wollte gefasst werden. Er hatte nicht den Nerv sich zu stellen, also hat er Hinweise hinterlassen so gut er konnte."
"Jetzt verstehst du es", sagte Jake. "Ich nehme an, dass die ersten beiden Morde sich genau so abgespielt haben. Jetzt sieh dir die Zusammenfassung der Morde in den Polizeiberichten an."
Riley sah sich den Bericht an.
"Auf welche Weise unterscheidet sich der letzte Mord?", fragte Jake.
Riley überflog den Text. Sie bemerkte nichts, was sie nicht bereits wusste.
"Tilda Steen ist vollkommen bekleidet begraben worden. Es scheint, als hätte er nicht einmal versucht, mit ihr Sex zu haben."
Jake sagte, "Jetzt sag mir, was dort über die Todesursache bei den drei Opfern steht."
Riley fand die Stellen schnell.
"Strangulation", sagte sie. "Die gleiche Todesursache für alle drei Opfer."
Jake grunzte unzufrieden.
"Das war der Fehler der Polizei", sagte er. "Die ersten beiden, Melody Yanovich und Portia Quinn, sind definitiv erwürgt worden. Aber ich habe von dem Gerichtsmediziner erfahren, dass keine Strangulationsmale auf dem Hals von Tilda Steen zu finden waren. Sie wurde erstickt, aber nicht erwürgt. Was sagt uns das?"
Rileys Verstand verarbeitete die neuen Informationen.
Sie schloss wieder die Augen und versuchte sich die Szene vorzustellen.
"Etwas ist passiert, als Tilda in das Motelzimmer gekommen ist", sagte Riley. "Sie hat ihm etwas anvertraut, vielleicht etwas, das sie niemandem sonst gesagt hat. Oder vielleicht hat sie ihm etwas über ihn gesagt, was er nicht hören wollte. Sie wurde plötzlich …"
Riley hielt inne.
Jake sagte, "Weiter. Sag es."
"Menschlich für ihn. Er fühlte sich schuldig wegen dem, was er tun würde. Und auf eine verdrehte Weise …"
Riley brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu sortieren.
"Er hat entschieden, sie als eine Art Gnadenakt zu töten. Er hat sie nicht mit den Händen erwürgt. Er hat es sanfter getan. Er hat sie auf dem Bett überwältigt und sie mit einem Kissen erstickt. Er war so voller Reue, dass …"
Riley öffnete die Augen.
"… er nicht noch einmal getötet hat."
Jake grunzte anerkennend.
Er sagte, "Das ist die Schlussfolgerung, zu der ich damals gekommen bin. Das denke ich noch immer. Ich glaube, dass er noch in der Gegend ist und er wird von dem verfolgt, was er vor all den Jahren getan hat."
Ein Wort fing an durch Rileys Kopf zu hallen.
Reue.
Etwas wurde plötzlich glasklar.
Ohne darüber nachzudenken, sagte sie, "Er bereut es noch immer, Jake. Und ich wette, dass er Blumen auf den Gräbern der Frauen hinterlässt."
Jake lachte zufrieden.
"Nicht schlecht", sagte er. "Das ist es, was ich an dir mag, Riley. Du verstehst die Psychologie und du weißt, wie du sie anwenden kannst."
Riley lächelte.
"Ich habe von dem Besten gelernt", sagte sie.
Jake grummelte seinen Dank für das Kompliment. Sie bedankte sich und beendete den Anruf. Dann saß sie nachdenklich in ihrem Büro.
Es liegt an mir.
Sie musste den Mörder finden und ihn ein für alle Mal seiner gerechten Strafe übergeben.
Aber sie wusste, dass sie es nicht alleine tun konnte.
Sie brauchte Hilfe, um den Fall wieder aufzunehmen.
Sie eilte in den Flur und machte sich auf den Weg zu dem Büro von Bill Jeffreys.
KAPITEL ACHT
Bill Jeffreys genoss einen ungewöhnlich ruhigen Morgen im BAU, als seine Partnerin in sein Büro gestürmt kam. Er erkannte sofort den Ausdruck auf ihrem Gesicht. So sah Riley immer aus, wenn sie wegen einem neuen Fall aufgeregt war.
Er wies auf einen Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtischs und Riley setzte sich hin. Aber während er ihrer Beschreibung der Morde aufmerksam