Thor blickte sich um und fragte sich dasselbe. Egal wohin er sah, sie waren von dichtem Blattwerk umgeben aus dem es keinen Weg heraus zu geben schien. Thor wurde bange ums Herz und er fühlte sich in zunehmendem Masse verloren.
Dann hatte er eine Idee.
„Krohn.“, sagte er und kniete sich hin um in sein Ohr zu flüstern. „Klettere auf den Baum da. Sei unsere Augen und sag uns wo wir hin müssen.“
Krohn schaute mit treuen Augen zu ihm auf und Thor wusste, dass er ihn verstanden hatte.
Krohn nahm Anlauf und sprintete auf einen riesigen Baum, mit einem Stamm so dick wie zehn Männer, zu und mit einem riesigen Satz sprang er daran hoch und kletterte von Ast zu Ast bis fast nach ganz oben. Er schob sich bis zur Spitze des Astes vor und hielt mit aufgestellten Ohren Ausschau. Thor hatte schon immer geglaubt, dass Krohn ihn verstehen konnte, doch jetzt war er sich sicher.
Krohn duckte sich und gab einen seltsamen schnurrenden Laut von sich, sprang flink über die Äste wieder herunter und lief los. Die Jungen tauschten zunächst verwunderte Blicke aus und folgten dann Krohn tiefer in den Urwald hinein. Sie mussten sich mühsam ihren Weg durch das dichte Blattwerk bahnen.
Nach ein paar Minuten, in denen sie fast blind durch den Wald tasteten entdeckte ein sehr erleichterter Thor den schon verlorengeglaubten Weg, und die abgebrochenen Äste wiesen ihnen wieder den Weg den die andere Gruppe gegangen sein musste. Thor beugte sich zu Krohn herunter und gab ihm einen Kuss auf den Kopf.
„Keine Ahnung, was wir ohne ihn tun würden“, erkannte Reece.
„Ich auch nicht!“, antwortete Thor, und Krohn schnurrte zufrieden und es erschien fast so, als ob er stolz war.
Als sie tiefer in den Urwald vordrangen und sich ihren Weg durch das dicht gewachsene Unterholz bahnten, kamen sie in eine Gegen mit neuen Pflanzen. Sie hatten die Größe eines ausgewachsenen Mannes und blühten überall um sie herum. Die Farbenpracht war hypnotisch. Es gab Bäume mit Früchten in der Größe von Felsbrocken, die von ihren riesigen Ästen hingen.
Sie blieben stehen und bestaunten diese Wunder der Natur während Conval sich nach einer besonders leuchtend roten Frucht streckte.
Plötzlich hörten sie ein tiefes Knurren. Conval sprang zurück und griff sein Schwert und sie sahen sich nervös an.
„Was war das?“, fragte Conval.
„Es kam von da drüben.“, sagte Reece und deutete in die andere Richtung.
Sie wandten sich um schauten. Doch Thor konnte nichts außer Blättern erkennen. Krohn fauchte zurück. Das Knurren wurde lauter, anhaltender, und schließlich hörten sie Blätter rascheln.
Thor und die anderen traten zurück und zogen in Erwartung des Schlimmsten ihre Schwerter.
Was ihnen da aus dem Urwald entgegenkam übertraf selbst Thors schlimmste Erwartungen. Vor ihnen stand ein Insekt, das einer Gottesanbeterin oder Heuschrecke ähnelt, jedoch fünfmal so groß war wie er. Es hatte zwei muskulöse Hinterbeine, und zwei kürzere Vorderbeine mit langen Zangen an den Enden, die in der Luft baumelten und den Scheren eines Hummers ähnelten. Es war leuchtend grün und mit schillernden Schuppen bedeckt und hatte kleine Flügel, die surrten und vibrierten. Es hatte zwei Augen dort, wo man sie erwartet hätte und ein weiteres, drittes Auge an der Nasenspitze. Es bewegte sich und enthüllte noch mehr Zangen unter seinem Hals, die vibrierten und schnappten.
Es stand vor ihnen und überragte sie und eine weitere Zange kam aus seinem Bauch hervor, an einer Art langen, dünnen hervorstehenden Arm; plötzlich und schneller als auch nur einer von ihnen reagieren konnte, schossen drei seiner zangenbewehrten Arme vor und griffen O’Connor um die Hüfte, um ihn hoch in die Luft zu heben, als wäre er leicht wie ein Blatt.
O’Connor schwang sein Schwert aber er war nicht einmal annähernd schnell genug. Das Tier schüttelte ihn ein paarmal, dann öffnete es das Maul und entblößte Reihen von scharfen Zähnen und wollte O’Connor seitwärts hineinstecken.
Angesichts eines wahrscheinlich schmerzvollen Todes schrie O’Connor. Thor erwachte aus seiner Schreckensstarre. Ohne viel zu denken platzierte er einen Stein in seiner Schleuder, zielte auf das dritte Auge des Biests und holte aus.
Er landete einen direkten Treffer. Das Tier kreischte, ein furchtbares Geräusch, das laut genug schien, einen Baum spalten zu können, und ließ O’Connor fallen, der mit einem dumpfen Plumps auf den Boden fiel. Aufgebracht wandte das Biest seine Aufmerksamkeit Thor zu.
Thor wusste, dass der Versuch, die Kreatur zu bekämpfen nutzlos sein würde. Wahrscheinlich würde es zumindest einen von ihnen töten und womöglich auch Krohn, und es würde ihre ohnehin schon geschwächten Energiereserven weiter aufzehren.
Er hatte das Gefühl, dass sie vielleicht in sein Revier eingedrungen waren und dass er sie vielleicht in Ruhe lassen würde, wenn sie sich nur schnell daraus zurückziehen würden.
„LAUFT!“, schrie Thor.
Sie drehten sich um und rannten – und das Biest folgte ihnen.
Thor konnte die Geräusche von den Klauen des Tiers hören, mit denen es sich durch das dichte Blattwerk hinter ihm Schnitt. Eine der Zangen zischte durch die Luft und verfehlte seinen Kopf um weniger als einen Meter. Zerhackte Blätter flogen durch die Luft und regneten auf ihn herab. Sie rannten so schnell sie konnten, und Thor war sicher, dass sie, wenn sie nur genügend Abstand zwischen sich und das Tier bringen, irgendwo Unterschlupf finden konnten.
Doch plötzlich rutschte Reece neben ihm aus und fiel über einen Ast und mit den Gesicht voraus auf den matschigen Boden. Thor wusste, dass er nicht rechtzeitig würde aufstehen können. Er blieb neben ihm stehen, zog sein Schwert und stellte sich zwischen ihn und das Biest.
„LAUFT WEITER!“, schrie Thor den anderen über die Schulter zu, bereits Reece zu verteidigen. Das Biest stürzte sich kreischend auf ihn und schwang eine seiner Zangen nach Thors Gesicht. Thor duckte sich und riss gleichzeitig sein Schwert hoch und hackte mit der gleichen Bewegung dem Biest eine seiner Zangen ab. Es ließ einen furchterregenden Schrei los.
Eine grüne Flüssigkeit spritze über Thor und er sah schockiert, wie in nur wenigen Sekunden die Zange nachwuchs, als hätte er es nie verletzt.
Thor schluckte. Wie sollte er ein solches Wesen töten? Und jetzt hatte er es auch noch verärgert. Das Biest schlug mit einem anderen Arm, der aus einem anderen Körperteil zu kommen schien und traf Thor hart gegen die Rippen und schleuderte ihn durch die Luft in eine Baumgruppe. Das Biest sprang hinterher und senkte eine andere seiner Zangen auf Thor herab und er wusste, dass er ein Problem hatte.
Elden, O’Connor und die Zwillinge stürzten vor und als das Biest seine Zangen auf Thor senkte, schoss O’Connor einen Pfeil genau in sein Maul der in der Rückseite seines Halses stecken blieb. Es kreischte fürchterlich. Elden ließ seine zweihändige Axt auf den Rücken des Biests hinuntersausen während Conven und Conval es mir ihren Speeren attackierten und es in den Hals trafen. Reece hatte es endlich geschafft sich aufzurappeln und stieß ihm mit aller Kraft sein Schwert in den Bauch. Zur gleichen Zeit sprang Thor hoch und schwang sein Schwert und hackte dem Tier wieder den Arm ab. Auch Krohn beteiligte sich nun. Er sprang hoch und biss sich am Hals des Biests fest.
Es kreischte und schrie als sie ihm mehr Schaden zufügten als Thor überhaupt für möglich gehalten hatte. Doch Thor konnte nicht fassen, dass es immer noch mit vibrierenden Flügeln vor ihnen stand. Es wollte einfach nicht sterben.
Sie hatten mit Schrecken beobachtet, wie es nach den Speeren und der Axt gegriffen hatte, sie aus den Wunden gezogen hatte und diese vor ihnen Augen heilten. Das Biest schien unbezwingbar.
Es stellte sich auf die Hinterbeine und brüllte, und sie sahen erschrocken zu ihm hoch. Sie hatten mit allem was ihnen zur Verfügung stand angegriffen, und es schien nicht einmal eine Schramme zu haben. Es bereitete sich darauf vor, sich mit seinen rasiermesserscharfen Zähnen und Zangen erneut auf sie zu stürzen, und Thor erkannte, dass sie alles versucht hatten.