Ich nehme sie fest in den Arm und küsse sie auf die Stirn.
„Shhh,” flüstere ich „Es ist alles in Ordnung. Das alles liegt jetzt hinter uns. Denk nicht mehr daran.“
Trotzdem weint sie weiter.
Bree vergräbt ihr Gesicht an meiner Brust. Ich wiege sie als sie weint und weint.
„Es tut mir so leid, meine Süße“ sage ich „es tut mir so leid.“
Ich wünschte, ich könnte das alles von ihr nehmen. Aber das kann ich nicht, es ist jetzt ein Teil von ihr. Ich wollte sie schon immer beschützen, vor allem. Und jetzt ist ihr Herz von Schrecken erfüllt.
Als ich sie wiege wünsche ich mir, wir wären irgendwo anders als hier. Ich wünschte, wir wären, wo wir früher einmal gewesen sind. Die Zeit zurückdrehen. Damals, als die Welt gut war. Zurück zu unseren Eltern. Aber das geht nicht. Wir sind hier. Und ich habe das Gefühl, dass alles nur noch schlimmer wird.
Ich wache auf und merke, dass bereits Tag ist. Ich weiß nicht, warum es schon so spät ist, oder wie es kommt, dass ich so lange geschlafen habe. Ich schaue mich auf dem Boot um und habe komplett die Orientierung verloren. Ich weiß nicht was los ist.
Unser Boot treibt jetzt in der Mitte des großen Flusses. Bree und ich sind die einzigen auf dem Boot. Ich weiß nicht wo die anderen sind und auch nicht, wie wir hierhin gekommen sind.
Wir stehen beide vorne im Boot und schauen auf den Horizont, und ich sehe drei Boote der Sklaventreiber direkt auf uns zu rasen.
Ich versuche etwas zu tun, aber meine Arme sind hinter dem Rücken zusammengebunden. Ich drehe mich um und sehe einige Sklaventreiber auf dem Boot, sehe dass sie mir Handschellen angelegt haben, mich festhalten. Ich kämpfe so gut ich kann, aber ich bin hilflos.
Eines der Sklaventreiber-Boote hält an, einer von ihnen kommt heraus, seine Maske bedeckt sein Gesicht, er betritt unser Boot und greift nach Bree. Sie versucht sich heraus zu winden, aber sie ist ihm nicht gewachsen. Er hebt sie mit einem Arm und trägt sie weg.
“BREE! NEIN!” schreie ich.
Ich ringe mit der ganzen Welt, aber es hilft nicht. Ich muss hier stehen und zuschauen, wie sie Bree, die tritt und schreit, in ihr Boot schleppen. Ihr Boot treibt mit der Strömung weg, Richtung Manhattan. Bald ist es kaum noch zu sehen.
Während ich zusehe, wie sich meine kleine Schwester weiter und weiter von mir entfernt weiß ich, dass es dieses Mal für immer ist.
Ich kreische, ein gespenstisches Kreischen, ich bettle und weine, damit meine Schwester zurück zu mir kommt.
Ich wache schweißgebadet auf, ich sitze kerzengerade, atme schwer, schaue mich um und versuche herauszufinden, was passiert ist.
Es war ein Traum. Ich schaue rüber und sehe Bree neben mir liegen, alle anderen im Boot schlafen. Es war alles nur ein Traum. Niemand ist gekommen, niemand hat Bree genommen.
Ich versuche meinen Atem zu beruhigen, mein Herz klopft immer noch. Ich setze mich hin und schaue in die Ferne. Die Morgendämmerung setzt ein, ein schwacher Silberstreifen am Horizont.
Ich schaue rüber zum Dock und sehe Ben Wache halten. Ich erinnere mich, wie Logan mich aufgeweckt hat, wie ich Wache gehalten habe, und wie ich anschließend Ben aufgeweckt und ihm die Waffe gegeben habe. Dann hat er meine Position eingenommen. Danach muss ich eingeschlafen sein.
Als ich zu Ben schaue sehe ich, dass er in sich zusammengesunken ist. Ich kann von hier im matten Licht der Morgendämmerung sehen, dass er auch schläft. Dabei sollte er Wache halten. Wir sind wehrlos. Plötzlich sehe ich Bewegung, Schatten in der Dunkelheit. Es sieht aus wie eine Gruppe von Menschen oder Tieren, die auf uns zukommen. Ich frage mich, ob ich meinen Augen trauen kann.
Aber dann beginnt mein Herz wie wild in meiner Brust zu schlagen und mein Mund wird trocken, denn es handelt sich nicht um einen Streich des Morgenlichts.
Wir sind nicht vorbereitet. Und jemand überfällt uns.
FÜNF
“BEN!” schreie ich und setze mich auf.
Aber es ist zu spät, sie greifen uns eine Sekunde später an.
Einer hat Ben übernommen und greift ihn an, während die zwei anderen Anlauf nehmen um direkt auf unser Boot zu springen.
Das Boot schaukelt gewaltig als die Männer landen.
Logan wacht auf, aber nicht schnell genug. Einer der Männer geht direkt auf ihn zu, das Messer gezogen, und will es ihm in die Brust stechen.
Meine Reflexe setzen ein. Ich greife nach hinten, nehme das Messer aus meinem Gürtel, beuge mich nach vorne und werde es. Das Messer rotiert in der Luft.
Ein perfekter Treffer! Das Messer steckt genau im Hals des Mannes, eine Sekunde, bevor er Logan erstechen kann. Er bricht leblos über ihm zusammen.
Logan setzt sich auf und wirft die Leiche von sich, sie landet platschend im Wasser. Zum Glück zieht er vorher geistesgegenwärtig mein Messer aus dem Hals.
Zwei weitere greifen mich an. Als es heller wird sehe ich, dass es sich nicht um Menschen handelt: Es sind Mutanten. Halb Mensch, halb ich weiß nicht was. Verstrahlt durch den Krieg. Verrückte. Das macht mir Angst: Diese Typen, anders als Rupert, sind extrem stark, extrem bösartig, und sie haben nichts zu verlieren.
Einer von ihnen eilt auf Bree und Rose zu, und das kann ich nicht zulassen. Ich springe auf ihn und werfe ihn zu Boden.
Wir landen beide hart, das Boot schaukelt wild. Ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Logan auf den zweiten springt, fest mit ihm zusammenstößt und ihn dann über Bord wirft.
Wir haben zwei von ihnen gestoppt, aber ein dritter rennt auf uns zu.
Derjenige, den ich angreife, wirbelt mich herum und hält mich fest. Er sitzt auf mir, und er ist stark. Er holt nach hinten aus und schlägt mich fest ins Gesicht, ich fühle Stachel auf meiner Wange.
Ich denke schnell. Hebe ein Knie und ramme es ihm fest zwischen die Beine
Noch ein Volltreffer. Er stöhnt und sackt in sich zusammen. Währenddessen schlage ich ihm meinen Ellenbogen voll ins Gesicht. Es macht ein knackendes Geräusch, als sein Wangenknochen zerbricht, und dann bricht er zusammen.
Ich werfe ihn über Bord, ins Wasser. Das war ein dummer Zug. Ich hätte ihn zuerst ausziehen und seien Waffen nehmen sollen. Das Boot schaukelt wild, als der Körper über Bord geht.
Jetzt wende ich mich dem Letzten zu, Logan ebenfalls.
Aber keiner von uns ist schnell genug. Er rennt an uns vorbei, und aus irgendeinem Grund greift er direkt Bree an.
Penelope springt in die Luft und schlägt ihre Zähne knurrend in sein Handgelenk.
Er schüttelt sie wie eine Stoffpuppe und versucht sie loszuwerden. Penelope hält durch, aber schließlich schüttelt er sie so stark, dass sie durch das ganze Boot fliegt.
Noch bevor ich ihn erreichen kann, will er über Bree herfallen. Mein Herz bleibt stehen als ich sehe, dass ich nicht rechtzeitig da sein kann. Rose springt auf um Bree zu retten und stellt sich dem Angriff des Mannes in den Weg. Er hebt Rose hoch, beugt sich über sie und schlägt seine Zähne in ihren Arm. Rose lässt einen gespenstischen Schrei los, als er seine Zähne in ihr Fleisch schlägt. Es macht mich krank, ein schrecklicher Anblick, einer von denen, die man nie vergisst. Der Mann lehnt setzt ab und will sie noch einmal beißen – aber jetzt erwische ich ihn rechtzeitig. Ich ziehe das Ersatzmesser aus meiner Tasche, hole aus und will es werfen. Aber Logan kommt mir zuvor, zielt ruhig mit seiner Pistole und schießt.
Das Blut spritzt nach allen Seiten, als er den Hinterkopf des Mannes trifft. Er bricht auf dem Boot zusammen, Logan geht zu ihm und wirft seine Leiche über Bord.
Ich eile zu Rose, die hysterisch kreischt, und ich weiß nicht, wie ich sie trösten kann. Ich reiße ein Stück von meinem Hemd ab, wickle es um ihren stark blutenden Arm und versuche die Blutung zu stillen so gut ich kann.
Aus den Augenwinkeln sehe