Es ist dies ein neues Beispiel für meine Ansicht von den Zellenterritorien. Ich zerlege die ganze Sehne, abgesehen von primären und secundären Fascikeln, in eine gewisse Zahl von Reihen linear und maschenförmig verbundener Zellen; jeder Reihe rechne ich ein gewisses Gewebsgebiet zu, so dass z. B. auf einem Längsschnitte etwa die Hälfte der Zwischenmasse der einen, die andere Hälfte derselben der anderen Zellenreihe zugehören würde. Das, was man als die eigentlichen Bündel der Sehne betrachtet, wird hier also noch weiter zerspalten, indem die Sehne in eine grosse Zahl von besonderen Ernährungs-Territorien auseinander gelegt wird.
Ein solches Verhältniss finden wir überall bei den Geweben dieser Gruppe wieder. Aus ihm leitet sich, wie man sich durch direkte Anschauung überzeugen kann, zugleich die Grösse der Krankheitsgebiete ab: jede Krankheit, welche wesentlich auf einer nutritiven Störung der inneren Gewebs-Einrichtung beruht, stellt immer eine Summe aus den Einzelveränderungen solcher Territorien dar. Die Bilder, welche man bei diesen Untersuchungen gewinnt, gewähren durch die Zierlichkeit der inneren Anordnung zugleich einen wirklich ästhetischen Genuss, und ich kann nicht leugnen, dass, so oft ich einen Sehnenschnitt ansehe, ich mit immer erneutem Wohlgefallen diese netzförmigen Einrichtungen betrachte, welche in so zweckmässiger Weise die Verbindung des Aeusseren mit dem Inneren herstellen, und welche, ausser in dem Knochen, kaum in irgend einem anderen Gebilde mit so grosser Schärfe und Klarheit sich darlegen lassen, wie in der Sehne. —
Dem Bau und den Einrichtungen nach schliesst sich hier am leichtesten die Hornhaut an. Denn in ähnlicher Weise, wie die Sehne ihr peripherisches Gefässsystem hat und ihre inneren Theile durch das feine saftführende Röhrensystem ernährt werden, so reichen auch an der Hornhaut nur die feinsten Gefässe, und auch diese kaum eine Linie weit, über den Rand herüber, so dass nicht bloss der centrale Abschnitt, sondern der grösste Theil der Cornea vollkommen gefässlos ist, was schon wegen der Durchsichtigkeit des Gewebes sich als nothwendig ergibt. Der grösste Theil der Hornhaut ist daher in seinen Ernährungs-Einrichtungen so gestellt, dass er vom Umfange und von den Flächen her Stoffe aufnehmen und leiten kann, ohne dass es dazu direkter Gefässverbindung bedürfte.
Die Substanz der Hornhaut besteht nach der älteren Ansicht aus über einander geschichteten Lamellen (Platten oder Blättern), welche mehr oder weniger parallel durch die ganze Ausdehnung der Hornhaut gehen. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch, dass die Lamellen, wie beim Knochen, nicht vollkommen getrennt sind, dass vielmehr die einzelnen Gewebs-Schichten, welche allerdings im Grossen lamellös über einander gelagert sind, unter einander vielfach zusammenhängen; sie liegen nicht in irgend welcher Art lose oder fest auf einander, sondern sie haben unter sich direkte Verbindungen. Es ist daher die Cornea vielmehr als eine überall zusammenhängende Masse anzusehen, deren fast homogene Grundsubstanz in gewissen Richtungen oder Zügen unterbrochen wird durch zellige Elemente (Hornhautkörperchen), ganz in derselben Weise, wie dies bei den anderen verwandten Geweben, welche wir schon besprochen haben, gesehen wird. Ein Verticalschnitt zeigt uns spindelförmige Elemente, welche unter einander anastomosiren, zugleich aber auch seitliche Ausläufer haben. Betrachtet man sie von der Fläche, im Horizontalschnitte, so erweisen sie sich als vielstrahlige, sternförmige, aber sehr platte Zellen, den Knochenkörperchen vergleichbar.
Fig. 47. Senkrechter Durchschnitt der Hornhaut des Ochsen, um die Gestalt und Anastomose der Hornhautzellen (Körperchen) zu zeigen. Hie und da sieht man durchschnittene, als Fasern oder Punkte erscheinende Zellenfortsätze. Vergr. 500. Nach His Würzb. Verhandl. IV. Taf. IV. Fig. I.
Indem nun diese Zellen in regelmässiger Weise, nehmlich in mehrfachen, parallelen Ebenen, in die Grundsubstanz eingelagert sind, so entsteht eben jene lamellöse, blätterige oder plattenartige Beschaffenheit des ganzen Gewebes. Die Blätter der Hornhaut sind die Analoga der Bündel der Sehne. —
Fig. 48. Flächenschnitt der Hornhaut, parallel der Oberfläche; die sternförmigen, platten Körperchen mit ihren anastomosirenden Fortsätzen. Nach His, ebendas. Fig. II.
Ich schliesse ein anderes Gewebe hier an, das sonst in der Histologie nicht besonders bevorzugt ist, das aber gewiss kein geringes Interesse hat, nehmlich das Schleimgewebe. Wir finden dasselbe in besonders reichlicher Anhäufung in dem Nabelstrang, wo es die sogenannte Wharton'sche Sulze darstellt23. Diese gehört auch zu den Geweben, welche allerdings Gefässe führen, aber doch eigentlich keine Gefässe besitzen. Denn die Gefässe, welche durch den Nabelstrang hindurchgeleitet werden, sind nicht Ernährungsgefässe für die Nabelstrangsubstanz, wenigstens nicht in dem Sinne, wie wir von Ernährungsgefässen an anderen Theilen sprechen.
Wenn man nehmlich von nutritiven Gefässen spricht, so meint man damit stets solche Gefässe, welche in die Theile, die ernährt werden sollen, Capillaren senden. Die Aorta thoracica ist nicht das nutritive Gefäss des Thorax, eben so wenig als die Aorta abdominalis oder die Vena cava das für den Bauch. Man sollte also, wenn es sich um den Nabelstrang handelt, erwarten, dass ausser den beiden Nabel-Arterien und der Nabel-Vene noch Nabelstrang-Capillaren existiren. Allein Arterien und Vene verlaufen, ohne auch nur das Mindeste von Aesten abzugeben, vom Nabel bis zur Placenta hin; erst hier beginnen die Verästelungen. Die einzigen capillaren Gefässe, die überhaupt in dem Nabelstrange eines etwas entwickelten Fötus gefunden werden, reichen nur etwa 4–5 Linien, selten ein wenig mehr von der Bauchhaut aus in denjenigen Theil des Nabelstranges hinein, welcher nach der Geburt persistirt. Je nachdem dieser gefässhaltige Theil höher oder niedriger heraufreicht, wird auch der spätere Nabel verschieden entwickelt. Bei sehr niedriger Gefässschicht wird der Nabel sehr tief, bei sehr grosser gibt es einen prominirenden Nabel. Die Capillaren bezeichnen die Grenze, bis zu welcher das permanente Gewebe reicht; die Portio caduca des Nabelstranges hat keine eigenen Gefässe mehr.
Fig. 49. Das abdominale Ende des Nabelstranges eines fast ausgetragenen Kindes, injicirt. A die Bauchwand. B der persistirende Theil mit dichter Gefäss-Injection am Rande. C Portio caduca mit den Windungen der Nabelgefässe. v die Capillargrenze.
Dieses Verhältniss, welches mir für die Theorie der Ernährung sehr wichtig zu sein scheint, übersieht man sehr leicht mit blossem Auge an injicirten Früchten vom fünften Monate an, sowie an Neugebornen. Die gefässhaltige Schicht setzt sich zuweilen fast geradlinig ab.
Freilich ist ein solches Object nicht absolut beweisend, denn es könnten immerhin einzelne feine Gefässe noch weiter gehen, welche nicht mit blossem Auge erkennbar wären. Aber ich habe gerade diesen Punkt zum Gegenstande einer speziellen Untersuchung gemacht24, und obwohl ich eine Reihe von menschlichen Nabelsträngen bald von den Arterien, bald von den Venen aus injicirt habe, so ist es mir doch nie gelungen, auch nur das kleinste collaterale Gefäss zu sehen, welches über die Grenze der Portio persistens hinausging. Der ganze hinfällige Theil des Nabelstranges, das lange Stück, welches zwischen dem cutanen Ansatz und der Placentar-Auflösung liegt, ist vollständig capillarlos, und es ist in ihm nichts weiter von Gefässen vorhanden, als die drei grossen Stämme. Diese zeichnen sich aber sämmtlich durch sehr dicke Wandungen aus, welche, wie wir erst durch Kölliker's Untersuchung wissen, ausserordentlich reich an glatten Muskelfasern sind.
Auf einem Querschnitte durch den Nabelstrang bemerkt man, wie die dicke mittlere Haut der Gefässe ganz und gar aus diesen Muskelfasern besteht, eine unmittelbar an der anderen, so reichlich, wie es sonst kaum an irgend einem vollständig entwickelten Gefässe gefunden wird. Diese Eigenthümlichkeit erklärt die auffallend grosse Contractilität der Nabelgefässe, welche bei Einwirkung mechanischer Reize, beim Abschneiden mit der Scheere, beim Kneifen