Aber was er bald gewahret
in des Busches Zitterschein,
mit dem Säugling still gepaaret
schleicht ein Liebchen durch den Hain.
Und sie winkt ihn auf das Plätzchen:
„Lieber Herr, nicht so geschwind!
Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,
habt Ihr nichts für Euer Kind?“
Ihn durchglühet süße Flamme,
daß er nicht vorbei begehrt,
und er findet nun die Amme,
wie die Jungfrau, liebenswert.
Doch er hört die Diener blasen,
denket nun der hohen Braut,
und nun wird auf seinen Straßen
Jahresfest und Markt so laut,
und er wählet in den Buden
manches Pfand zu Lieb’ und Huld;
aber ach! da kommen Juden
mit dem Schein vertagter Schuld.
Und nun halten die Gerichte
den behenden Ritter auf.
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?
Die Verlegenheit ist groß.
Widersacher, Weiber, Schulden,
ach! kein Ritter wird sie los.
Sendschreiben
von
Johann Wolfgang von Goethe
Mein altes Evangelium
bring’ ich dir hier schon wieder;
doch ist mir’s wohl um mich herum,
darum schreib’ ich dir’s nieder.
Ich holte Gold, ich holte Wein,
stellt’ alles da zusammen;
da, dacht’ ich, da wird Wärme sein,
geht mein Gemäld’ in Flammen!
Auch tät’ ich bei der Schätze Flor
viel Glut und Reichtum schwärmen;
doch Menschenfleisch geht allem vor,
um sich daran zu wärmen.
Und wer nicht richtet, sondern fleißig ist,
wie ich bin und wie du bist,
den belohnt auch die Arbeit mit Genuß;
nichts wird auf der Welt ihm Überdruß.
Denn er blecket nicht mit stumpfem Zahn
lang’ Gesottnes und Gebratnes an,
das er, wenn er noch so sittlich kaut,
endlich doch nicht sonderlich verdaut;
sondern faßt ein tüchtig Schinkenbein,
haut da gut taglöhnermäßig drein,
füllt bis oben gierig den Pokal,
trinkt, und wischt das Maul wohl nicht einmal.
Sieh, so ist Natur ein Buch lebendig,
unverstanden, doch nicht unverständlich;
denn dein Herz hat viel und groß Begehr:
was wohl in der Welt für Freude wär’,
allen Sonnenschein und alle Bäume,
alles Meergestad’ und alle Träume
in dein Herz zu sammeln miteinander,
wie die Welt durchwühlend Banks, Solander.
Und wie muß dir’s werden, wenn du fühlest,
daß du alles in dir selbst erzielest,
Freude hast an deiner Frau und Hunden,
als noch keiner in Elysium gefunden.
Als er da mit Schatten lieblich schweifte
und an goldne Gottgestalten streifte.
Nicht in Rom, in Magna Gräcia;
dir im Herzen ist die Wonne da!
Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
find’t im Stengelglas wohl eine Welt.
Wirkung in die Ferne
von
Johann Wolfgang von Goethe
Die Königin steht im hohen Saal,
da brennen der Kerzen so viele;
sie spricht zum Pagen: „Du läufst einmal
und holst mir den Beutel zum Spiele.
Er liegt zur Hand
auf meines Tisches Rand.“
Der Knabe, der eilt so behende,
war bald an Schlosses Ende.
Und neben der Königin schlürft’ zur Stund’
Sorbet die schönste der Frauen.
Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,
es war ein Greuel zu schauen.
Verlegenheit! Scham!
Ums Prachtkleid ist’s getan!
Sie eilt und fliegt so behende
entgegen des Schlosses Ende.
Der Knabe zurück zu laufen kam
entgegen der Schönen in Schmerzen;
es wußt es niemand, doch beide zusamm’,
sie hegten einander im Herzen;
und o des Glücks,
des günst’gen Geschicks!
Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten
und herzten und küßten nach Lüsten.
Doch endlich beide sich reißen los;
sie eilt in ihre Gemächer;
der Page drängt sich zur Königin groß
durch alle die Degen und Fächer.
Die Fürstin entdeckt
das Westchen befleckt:
für sie war nichts unerreichbar,
der Kön’gin von Saba vergleichbar.
Und sie die Hofmeisterin rufen läßt:
„Wir kamen doch neulich zu Streite,
und Ihr behauptetet steif und fest,
nicht reiche der Geist in die Weite;
die Gegenwart nur,
die lasse wohl Spur;
doch niemand wirk’ in die Ferne,
sogar nicht die himmlischen Sterne.
„Nun seht! Soeben ward mir zur Seit’
der geistige Süßtrank verschüttet,
und gleich darauf hat er dort hinten so weit
dem Knaben die Weste zerrüttet. —
Besorg’ dir sie neu!
Und weil ich mich freu’,
daß sie mir zum Beweise gegolten,
ich zahl’ sie! sonst wirst du gescholten.“
Schneider-Kourage
von
Johann