Molbech, Christian
Geboren 1783 zu Soröe, einer der bedeutsamsten dänischen Philologen, Historiker und Kritiker. Er bereisete in den Jahren 1819 und 1830 sowohl Deutschland, als Frankreich und Italien; wurde schon 1823 Professor der Litteraturgeschichte an der Universität; war von 1831 bis 1842 Dramaturg des Kopenhagener Nationaltheaters.
Sein „Dansk Ordbog,“ 2 Bde., sowie seine „Geschichte der dänischen Sprache“ (1846), haben ihm eine hohe Stelle in der gelehrten Welt gesichert, weil sie ganz neue Bahnen brachen. Vielfache Monographieen aus der dän. Historie, zahlreiche kritische Aufsätze und Anthologieen vaterländischer Poesie geben Zeugniß unausgesetzter Thätigkeit. Daß er ein eben so liebenswerther Charakter ist, wie er für einen achtungswerthen Gelehrten gilt, das lesen wir aus diesen Briefen.
I
Ihr freundliches, mir aus unserm Holberg mitgegebenes Geleite hat mich, wie Sie sehen, wirklich nach Seeland gebracht. Schon in 4 Wochen bin ich zurück im heimischen Kreise; und schon oft sind während dieser Zeit meine Gedanken bei Ihnen gewesen, mit dem Wunsche, daß weniger Land und gar kein Wasser uns trennte. Unvergeßlich ist mir Ihre liebreiche, freundliche Güte. Wie gern geselle ich jetzt Ihre persönliche Erinnerung Ihren Worten, Ihren Dichtungen bei, die mir so oft erfreut und ergötzt, so oft ans Herz geredet haben; und wie werden mir diese jetzt doppelt lebend und anschaulich! Ich hatte noch das Vergnügen mit Ihnen, nemlich mit Ihrem Octavianus, von Berlin nach Hamburg zu reisen; und der gute jugendliche Geselle hat mich oft auf der schleichenden Sandfarth und in den elenden Wirthshäusern aufgemuntert und getröstet. Auch den William Lowel habe ich mir aus Berlin mitgebracht. Dies Buch habe ich vor mehreren Jahren einmal auf dem Lande in der Weihnachtszeit gelesen, und es machte damals einen sonderbaren, schauerlichen Eindruck auf mich. Ich konnte es nicht recht lieb gewinnen, obgleich es mich häufig sehr interessirte. Ich werde es jetzt einmal wieder lesen, und Ihnen sagen, wie ich es damals und jetzt fand. – Uebrigens, wenn ich Ihren Octavianus, ein Paar Reisebeschreibungen und ein Paar Bände prosaischer Erzählungen von Ingemann (der, wie ich glaube, Ihnen geschrieben hat) ausnehme, habe ich fast nichts gelesen seit meiner Rückkunft; so viele Arbeiten, Zerstreuungen und Hindernisse haben sich meiner Ruhe und Ordnung entgegengestellt. Es muß doch einmal, hoffe ich, anders werden.
Ein Bruder meines lieben und vertrauten Freundes, Hrn. J. Deichmann, Besitzer der Gyldendalschen Buchhandlung, reist nach Berlin und andern Städten, um seine Fertigkeit und Kenntniße als Buchdrucker zu erweitern. Mit ihm schicke ich dieses nach Berlin, und lasse die Comedie von Heiberg (der noch in Paris ist), und eine durch sie veranlaßte kleine Schrift mitfolgen. Ein kleines Paket mit einem Brief aus Leipzig hoffe ich, daß Sie erhalten haben. Ich hatte es dem Buchhändler Vogel in Leipzig empfohlen.
Es ist meine Absicht gewesen, Ihnen einen Commentarius perpetuus über das Heibergsche Lustspiel zu geben; und Sie werden finden, daß es mancherlei Erläuterungen bedarf. Es ist nemlich äußerst national und local, und spielt ganz in der jetzigen Zeit. – Es gebricht mir aber jetzt ganz und gar an Zeit, um dieses mit einiger Vollständigkeit zu thun. Vieles wird Ihnen auch ohne alle Aufklärung verständlich sein. – Die Blanca von Ingemann kennen Sie doch wohl? Diese, und der Dichter überhaupt, wird scharf, aber lustig mitgenommen. Die Hauptpersonen dieser Tragoedie, Enrico und Blanca, finden Sie hier metamorphosirt und travestirt wieder. Der „Kammerjunker mit einer Harfe“ ist ein gewisser Kammerjunker Lewetzau, der die Blanca deutsch übersetzt hat. Um den Dialog pag. 28–30 zu verstehen, ist es nothwendig zu wissen, daß der Professor Theologiae J. Möller vor einigen Jahren als ästhetischer Recensent in der dänischen Litteraturzeitung das Scepter führen wollte, obschon er diesem Buch gar nicht gewachsen ist. Den Ingemann hatte er besonders in Protection genommen, und lobte ihn immer auf eine so hyperbolische Art, daß die Blanca (bei Heiberg p. 30) wohl mit Recht sagen kann: „Wir haben uns nicht zu beklagen!“ – Die Scene p. 59 u. f. ist ganz Kopenhagensch; doch kennt man ja wohl auch die faden Pfänderspiele in Deutschland. – Pag. 83 „Mithridates,“ „Turnus,“ „Warners Wanderung,“ „Procne,“ – alles Titel einiger der Ingemannschen Werke. „Die schwarzen Ritter“ ein großes episch-romantisches Gedicht, was den großen Fehler hat, weder episch, noch romantisch zu sein. – P. 115 „Die Locke aus Signes blondes Haar“ – Anspielung auf die Tragoedie Signe og Hagbarth von Oehlenschläger, wo der gefangene Hagbarth die Fessel zerreißt, aber sich durch eine Haar-Locke seiner Geliebten binden läßt – eine Scene die viel Glück auf der Scene gemacht hat. Im Stück ist von blonden Haaren die Rede. Die Actrice, welche Signe gab, hat aber braunes Haar. – P. 186 Bogen – hiedurch wird ein bekannter Schriftsteller Hóegh-Guldberg bezeichnet – ein eben so schlechter, als arroganter Dichter und Schriftsteller, und ein äußerst verschrobener Stilist und pedantischer Grammatiker. – P. 195 Mundkurven. Man hatte in Kopenhagen vor einigen Jahren die Polizei-Verordnung, daß alle Hunde im Sommer Maulkörbe tragen sollten, um das Beissen der tollgewordnen Hunde zu verhüten. – P. 163. 164 – alle diese Anfangslinien der Prologe, die Harlekin recitiren will, und die das Publikum so schlecht aufnimmt, sind Anfänge der verschiedenen Ingemannschen Prologe. – P. 229 Reisers Gespenst. – Um diese Scene, und die ganze poetische Anrede des Gespenstes zu verstehen, müßten Sie ein Buch kennen, was ein alter teutscher Chirurgus, Nahmens Reiser, der als Kind die große Feuersbrunst in Kopenhagen 1728 erlebt hatte, beinahe 60 Jahre später, in den 80ger Jahren, dänisch herausgab. Es ist dies eins der am meisten komischen Bücher, das in dänischer Sprache existirt. Der Verf. konnte weder schreiben noch buchstabiren, und glaubte doch ganz kindlich und unbefangen, ein recht gutes und brauchbares Buch geliefert zu haben. Spötter bestärkten ihn in diesem Glauben. Eben durch die naive und komische Art, womit der Verfasser sich dem Gelächter Preis giebt, machte das kleine Buch ein großes Glück und hatte einen reissenden Abgang. Es erschien bald eine zweite Auflage, mit dem treuen, carricaturmäßigen Bildniß des einige und 70 Jahre alten Verfassers; in einen Schwalle von Spottschriften (ich besitze das Ganze in 2 ziemlichen Octavbänden) wurde er mitgenommen; er aber blieb sich selber gleich, und gab auch sein Leben heraus, das freilich nicht ganz so komisch ist, wie die Feuergeschichte, aber doch lustig genug zu lesen. – Das Glück womit Heiberg den bei uns jetzt ziemlich vergessenen, und doch in einer gewissen Art klassischen Reiser am Schlusse seiner Comoedie wieder aufgeführt hat, und ihn den Schriftstellern und dem Publikum herbe Sachen sagen läßt: werden Sie selbst erkennen. Ich bemerke nur, wegen einigen Ausdrücken in der Reiserschen Anrede (die Scene ist der noch stehende Thurm der 1795 abgebrannten S. Nicolai-Kirche), daß er in seinen lächerlichen Producten mitunter viele Religiosität durchblicken läßt; und daß viele in den ersten Strofen vorkommenden Ausdrücke seine eigene Worte sind; so wie auch die mit latein. Lettern gedruckte Worte sich bei ihm so finden. Die Idee, daß Reiser jede Nacht zur Pforte der Hölle hinabsteigt, und durch dem Gitterthore kuckt, um alte Erinnerungen aufzufrischen, und aus einer gewissen Feuerslust: werden Sie gewiß recht komisch finden. – Nehmen Sie, lieber Freund, mit diesen wenigen vorlieb; und schreiben Sie mir doch einmal, wie Ihnen die Comoedie gefallen hat. – Ueber Heiberg werde ich Ihnen mehr ein ander mal sagen. – Auf der Bibliothek ist leider! nichts für Ihr Altengl. Theater zu gewinnen. Unsre große Sammlung von engl. Comedien in 6 dicken Quartanten sind Alle neuere Sachen (nemlich später als Carl I.). Ich habe nur eine einzige ältere gefunden, die wir separat haben, und wenn ich nicht irre in den Zeiten Jakobs I. gedruckt ist. Den Titel habe ich jetzt nicht bei der Hand. – Empfehlen Sie freundlichst meinen Andenken Ihrer liebenswürdigen Familie, und der Unbekannten, und sagen Sie ihnen 1) daß Hamburg mir jetzt etwas besser, wie voriges Jahr gefallen hat, und daß ich einen ganzen Tag, von Morgens 7 bis zur Comedien-Zeit die Stadt in allen Richtungen durchstrichen habe, auch die sehr schöne Promenade auf dem Walle nicht vergessen habe. 2º.) Daß ich in einigen Tagen (den 23sten Oct.) heirathen werde, obschon die Sachen sehr in ecclesia pressa stehn; meine Gesundheit nemlich sich wieder sehr verschlimmert hat, und man meinen höchst eingeschränkten Gehalt gar nicht erhöhen will. – Meine Braut, die Sie besonders von dem Sternbald her, lieb hat, läßt sich Ihnen auch empfehlen; und ich schicke Ihnen mit Achtung und Liebe einen herzlichen Gruß von
P. S. Berlin hat mir wenig gefallen. Mit Hoffmann konnte ich nicht, wie mit Ihnen, zu Recht kommen.
II