Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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mit donnernder Stimme:

      »Brüder und Schwestern – Mitbürger – Mitchristen – Sünder – nichtswürdige, elende, erbärmliche Sünder – der Tag der Rache ist nahe!«

      »Oh Loooooord!« schrie die eine Mitschwester an Maulbeeres Seite, der doch jetzt fand, daß diese verschiedenen Ausrufe keineswegs einem körperlichen Gebrechen, sondern eher einer geistigen Vervollkommnung, einer Empfänglichkeit des Herzens für das Höhere, zuzuschreiben sei. Mr. Hottenbrocken hatte indessen eine kleine Pause gemacht, als ob er seinen Zuhörern Zeit geben wollte, über diese Verkündigung nachzudenken, und begann nun, nachdem er vorher sein Taschentuch herausgenommen und sich vorsichtig geschneuzt hatte, mit einer Stimme und einem Ausdruck seine Predigt, als ob er in irgend einem gleichgültigen Gespräch etwa gesagt hätte – »ich glaube wir werden diesen Nachmittag Regen bekommen.«

      »Der ehrwürdige Mr. Sweetlip, mein verehrter Bruder und fleißiger Mitarbeiter im Weinberg des Herrn, hat Euch, liebe Schwestern und Brüder, die Freuden des Elysiums geschildert; er hat Euch mit glühenden lebendigen Farben, wie den höheren heiligen Sphären abgelauscht, die Plätze der Seligen vorgeführt, wohin die Guten einst kommen werden. Es giebt einen solchen Platz, liebe Schwestern und Brüder, wie ich Euch wohl kaum noch zu sagen habe, denn Jeder von Euch weiß es – es steht mit klaren einfachen Worten in der Bibel, und ist daher keine Kunst das zu wissen – Jeder kann das wissen der nur lesen kann, oder einen Bekannten hat, von dem er weiß, daß er ihm keine Lügen erzählt, und der ihm die Geschichte vorliest. Also wir sind davon, als einer ausgemachten Thatsache, überzeugt, daß es einen Platz giebt, wohin die Guten, die Gerechten vor dem Herrn kommen, und nicht allein unsere Phantasie, geliebte Brüder und Schwestern, verleiht diesem Platz die höhere Wonne, nein auch die heilige Schrift giebt uns ziemlich genaue Grundlagen über den etwaigen Zustand dort oben, wie ihn mein Bruder in Christo, Mr. Sweetlip geschildert hat – Aber« – rief er plötzlich, und unterbrach damit gewissermaßen seine bis dahin vollkommen ruhige und wie gesprächsweis gehaltene Rede – »aber,« donnerte er noch einmal, mit jetzt tief und dröhnend schallender Stimme, »aber wer sind die Gerechten? – wo sind sie? – wie viele oder wie wenige sind es ihrer? – Wehe, wehe, wehe, mein Auge streift umher, und keinen Frieden, kein Licht findet es, wohin es schweift – mein Ohr lauscht auch dem leisesten Klang, und nur Weheklagen sind es, die es vernimmt!«

      »Oh Loooooord!« – stöhnte Maulbeere's Nachbarin wieder.

      Lauter und lauter wurde jetzt die Stimme des Sprechers, mit der er jammerte daß er umsonst das Haupt eines Gerechten suche, es mit der ewigen Glorie zu decken – sie wären Alle Sünder, schlechte, miserabele, elende Sünder vor dem Herrn – keiner, der bestehen würde vor seiner Gerechtigkeit, und nur wenn sie stürben, würden sie es den ersten Tag bequem haben, sie fortwährend bergunter führen, tief tief hinunter zu dem höllischen Abgrund, wo da ist Heulen und Zähneklappen, dann aber – dann —

      »Oh gracious Looooord!« stöhnten die Stimmen rechts und links – »merci, merci – merci! Gnade! – sei gut zu uns Herr, sei gut zu uns!« und hie und da standen Einzelne der Mitglieder auf, und taumelten mehr als sie gingen unter dem glory-, glory- und happy-, happy-Rufen in den einen kleinen Pferch, der zur Linken des Predigers stand, wo sie sich auf die Knie warfen, und laut und brünstig, nur von einzelnen Schreien unterbrochen, an zu beten fingen.

      Maulbeere wurde unruhig, er blickte um sich her und sah seine Nachbarn an, machte sogar ein paar Mal Miene aufzustehen, setzte sich aber immer wieder nieder. Das Gestöhne um ihn her wurde dabei immer toller, und je wilder und feuriger der Mann auf der Kanzel jetzt anfing mit rasselnder, dröhnender Stimme die Qualen der Verdammten zu schildern, und lauter und drohender der ganzen Schaar seiner Zuhörer ein ähnliches Schicksal zu prophezeihen, je mehr er mit den Armen warf und seine langen Glieder umherzuschlenkern begann, die Augen dabei verdrehte und mit der Stimme, vielleicht das Wimmern der Gepeinigten nachzuahmen, in ein Gekreisch und Gewinsel fiel, und dann wieder um Gnade, Gnade schrie für die Verdammten, um deren Glieder er schon die Lohe schlagen sähe, die im ewigen Feuer zuckten und sich krümmten und die Arme umsonst flehend, Hülfe suchend, herausstreckten aus dem knisternden Verderben, da erreichte der Aufruhr und Lärmen einen furchtbaren Grad. Die Leute sprangen und heulten auf ihren Sitzen, schlugen mit den Armen und Beinen um sich, und klammerten sich aneinander an, als ob sie schon jetzt fürchteten von dem höllischen Feind gefaßt, und nach seinen Regionen niedergeführt zu werden.

      In dem links gelegenen Pferch hatten sich indeß die »Böcke« mehr und mehr angesammelt – es waren die, die sich als die größten, nichtswürdigsten Sünder erkannten – und lagen hier auf den Knieen, rangen die Hände, heulten, schrieen, und gebehrdeten sich mit einen Wort wie Verrückte. Zwangsjacken wären auch in der That das einzige gewesen, was sie hätte halten können.

      Mr. Hottenbrocken oben auf seiner Kanzel aber fing an zu triumphiren.

      »Da kommen sie!« schrie er mit ausgestrecktem Arm und Finger niederdeutend, auf die mehr und mehr dem Pferch Zudrängenden, (Männer und Frauen und Mädchen, Alles durcheinander) und sein Auge schoß Blitze, seine Gestalt hob sich höher und gewaltiger, und zog sich dann manchmal in sich selbst zusammen, als ob er noch unschlüssig sei, vielleicht mit einem Satz über die Barriere weg, mitten zwischen die Schaar hineinzuspringen – »da drängen sie herbei, vom Teufel gepeitscht, der hinter ihnen mit ausgespreizten Krallen dreinspringt, den Einen oder Anderen noch von denen die ihm entfliehen wollen zurückzureißen in sein Reich der Verdammniß!«

      »Oh L – o – o – o – o – o – rd – merci – merci!« schrieen die Frauen wieder, die sich jetzt zwischen den Bänken anfingen ängstlich umzusehn, und sogar manchmal mistrauische Blicke auf den Scheerenschleifer warfen – »habe Gnade mit uns, barmherziger Gott; rette uns, rette uns vor dem Teufel – rette uns vor dem ewigen Feuer!«

      »Gnade?« schrie aber der Mann auf der Kanzel mit seiner Donnerstimme nieder in den Lärm und Aufruhr – »Gnade wollt Ihr? – Gnade für Euere Sünden? – Gnade für Euern Unglauben? Gnade für Euere verderbten und verstockten Herzen? – der Fluch Gottes wird Euch treffen am jüngsten Gericht – niederschmettern wird er Euch in den Staub, die Ihr Euch jetzt am stolzesten und höchsten wähnt – niederschmettern in ewige Verdammniß und Nacht und Finsterniß und ewiges Feuer, wo Satan die Macht über Euch haben wird und die Kraft und die Gewalt; und dort steht er!« schrie er plötzlich wild gellend auf, mit dem ausgestreckten Arm gegen den Wald hinauszeigend – »dort grinst er herüber auf Euch und fletscht die gelben fürchterlichen Zähne! – dort steht er und schüttelt sich vor Lachen und innerer grimmiger Lust, wie er die Heerde sieht, die er bald eintreiben kann in sein höllisches Reich, die Opfer sieht, die ihm verfallen sind durch ihre eigene Sünde und Lust und rettungslos, rettungslos verloren gehn!«

      »Merci – merci – glory – glory – oh Looooord!« schrie und stöhnte die Schaar wieder, und ein solches Wüthen und Drängen und Ächzen und Winzeln begann zwischen den Menschen, daß Maulbeere mistrauisch die Leute von der Seite ansah, und doch nicht herausbekommen konnte ob sie im Ernst waren, oder sich nur verstellten.

      Und trotzdem war der Paroxismus noch nicht zum höchsten Grade gestiegen. Der Geistliche auf der Kanzel hatte wieder eine Pause gemacht; es fehlten ihm Worte weitere Schrecken heraufzubeschwören, das Schlimmste was er hatte aufführen können war geschehn – der Teufel stand mit gekrümmten Krallen hinter den Bäumen und lauerte auf seine Opfer; der Schrecken mußte jetzt wirken und dann die Möglichkeit der eingeschüchterten Schaar gezeigt werden, dem zu entgehn.

      »Fühlt Ihr Euere Gefahr? – erkennt Ihr den Abgrund an dem Ihr steht?« rief der lange finstere Mann plötzlich wieder mit nicht sehr lauter, aber zu den entfernteren Stellen dringender, bohrender Stimme, »habt Ihr das schwarze Meer, mit seinen stürmenden rollenden Wogen gesehn, das über Euch hereinwälzen will, Euch in seine Tiefe zu ziehn? – fühlt Ihr endlich Euere Nichtigkeit, Euere Erbärmlichkeit, Euere Sünde, die schwarz genug ist daß sie die Sonne verfinstern und der Engelein Gnadengebet ersticken könnte? – fühlt Ihr sie? wißt Ihr daß Ihr verloren sein müßtet – rettungslos, erbarmungslos für immer und ewig, wenn Ihr nur das bekämt was Ihr hier verdient? nur dem gerechten Richter gegenüber?«

      »Oh Looooooo'od a massy!« schrie eine dicke, vor Maulbeere