Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Pferden nicht schaden, denn 's ist noch eine gute Stunde bis in die Colonie hinunter.«

      Die beiden Deutschen sahen sich erst erstaunt um, von wo her die Stimme eigentlich komme. Endlich entdeckten sie hinter der Hecke und gerade unter einem blühenden Granatbaume das rothe, freundliche Gesicht eines jungen Mannes, der ihnen erst jetzt, als er ihren Blick auf sich gerichtet fand, sein herzliches »Guten Morgen mit einander!« zurief.

      »Guten Morgen, Landsmann,« sagte der jüngere Fremde, der ihm zunächst hielt, indem er den Kopf seines Thieres gegen die Hecke drehte, »ich wußte gar nicht, weshalb mein Grauer immer die Ohren spitzte. Also eine Stunde Weges ist's noch hinunter? Es sieht eigentlich von hier oben viel näher aus.«

      »Ja,« lachte der hinter der Hecke, »wenn die Brücke nicht wieder eingebrochen wäre, die der Bleifuß da neulich erst neu gebaut hat, dann wär's auch nicht viel mehr als ein halb Stündchen zu Thal. So aber müßt Ihr hier rechts unter meiner Chagra durch, um der Schlucht aus dem Wege zu gehen, und der Pfad zieht sich mordmäßig in die Länge. Aber steigt ab, das besprechen wir besser im Hause.«

      »Schon recht,« sagte Günther, indem er sich leicht aus dem Sattel schwang; »unseren Packthieren sind wir doch vorausgeritten, und bis die nachkommen, können wir recht gut ein halb Stündchen plaudern.«

      Sein Gefährte folgte, ohne ein Wort zu erwiedern, dem Beispiele, denn es drängte ihn selber das Innere des Häuschens zu sehen, das schon von außen einen so freundlichen Eindruck auf ihn gemacht. Die beiden Reisenden banden deshalb ihre Pferde außen an der Hecke an die herunterhangenden Äste eines stattlichen Orangenbaumes, und traten dann in den Garten, wo ihnen der Hausherr, ein junger, prächtig gewachsener Mann mit offenen, ehrlichen Gesichtszügen, blauen Augen und blonden Haaren, entgegen kam und sie begrüßte.

      »Das ist gescheidt,« sagte er dabei, »Sonntag Morgens habt Ihr so nicht viel in der Colonie zu versäumen und kommt noch zeitig genug zum Mittagessen, wenn Ihr nicht das hier ebenfalls verzehren wollt.«

      Er schüttelte dabei den beiden Fremden kräftig die Hand und führte sie dann ohne Weiteres in sein Haus hinein, wo Beide aber unwillkürlich erstaunt und überrascht auf der Schwelle stehen blieben.

      Das kleine Zimmer, das sich ihnen öffnete, glänzte von Sauberkeit; der einfache Holztisch war schneeweiß gescheuert, aber nicht weißer als der Fußboden selber, den in der Mitte eine leichtgeflochtene Matte überdeckte. An den Fenstern hingen sogar Gardinen, und ein nett gearbeiteter Nähtisch aus polirtem Holze schien mit diesen, als Luxusmöbel, concurriren zu wollen. Aber die Freunde sahen das Alles weniger, als daß sie es im Eindrucke des Ganzen fühlten, denn Beider Augen hingen in dem ersten Momente an einem wunderbar schönen jungen Weibe, das ein Kind auf dem Schooße hielt und, als die Fremden die Hütte betraten, den kleinen, strampelnden Burschen aufgriff und ihnen mit freundlichem Lächeln entgegentrat.

      »Grüß' Gott!« sagte sie herzlich, als sie Beiden nach einander die Hand reichte, »und setzt Euch und macht's Euch bequem – Vater, hast Du denn schon nach den Pferden gesehen?«

      »Werd's schon besorgen, Schatz,« lachte der Mann, »bring' Du nur einmal ein paar Gläser Milch, denn die beiden Herren werden durstig geworden sein.«

      »Ja, dann mußt Du indessen den Schlingel da nehmen,« sagte die junge Frau, indem sie ihrem Gatten den kleinen unruhigen Burschen so leicht hinüberreichte, als ob er keine zwei Pfund gewogen hätte, wie er sicher zwanzig wog, – »der läßt mir ja sonst nicht Ruh' noch Frieden an den Milchnäpfen.«

      »Ob er Frieden halten wird?« lachte der Mann, nahm ihr den kleinen Burschen ab, gab ihm ein paar derbe Küsse und setzte ihn sich in den linken Arm. »Und nun thut, als ob Ihr zu Hause wäret,« fuhr er dann, indem er sich wieder zur Thür wandte, gegen die Fremden fort; »ich bin gleich wieder da, und zu trinken wird Euch die Trine auch im Augenblick bringen.« Die »Trine« war schon lange aus der Thür hinaus, und die beiden Freunde sahen sich im nächsten Momente allein in dem kleinen Raume.

      »Ist das nicht ein wahres Madonnengesicht?« brach aber der Jüngere heraus, als der junge Bauer kaum das Zimmer verlassen hatte; »haben Sie je in Ihrem Leben ein Paar solcher Augenbrauen, einen solchen Mund gesehen?«

      »Ein wunderhübsches Paar, in der That,« erwiederte Günther, der den Blick indessen forschend umherwarf, »und wie nett und sauber sieht's bei ihnen aus! Ja,« – fuhr er tief aufseufzend fort, »der hat's gut, und Unsereiner zieht nun so in der Welt umher, sieht die verbotenen Früchte an den Bäumen hangen, wischt sich resignirt den Mund und – wandert eben weiter.«

      »Ob denn das wirklich Deutsche sind?« sagte sein Freund.

      »Was denn sonst? Doch wahrhaftig keine Portugiesen!«

      »In meinem Leben habe ich noch keinen ausgewanderten Bauernburschen gesehen,« erwiederte der Jüngere, »der ein so ungezwungenes und doch anständiges Benehmen hatte, und die junge Frau würde in einem schweren Seidenstoffe eben so zu Hause sein, wie in ihrem einfachen Kattunröckchen. Aber sie sprechen vollkommen gut Deutsch.«

      »Er noch dazu mit dem rheinischen, sie etwas mit dem Tyroler Dialekte,« sagte Günther, »aber da kommt sie zurück. Sie wird uns gleich sagen, wo sie herstammen.«

      »So – da bin ich wieder – hat's lang gedauert?« sagte die junge Frau, als sie mit einem kleinen Präsentirteller in's Zimmer trat; »und nun setzen Sie sich her und langen Sie zu – 's ist nicht viel, aber wir haben's hier oben noch nicht besser, denn wir sind hier erst seit kaum sechs Monaten auf der Chagra.«

      Während sie sprach – und so rasch und gewandt, daß Alles sich fast von selber zu ordnen schien – hatte sie indessen das Mitgebrachte auf dem Tische ausgebreitet, und frische, süße Milch, weißes Brod, Butter und Käse, Alles auf blinkendem Geschirr, lachte den Fremden bald darauf entgegen und lud sie schon selber ein, nur tapfer zuzulangen.

      »Und sind Sie erst so kurze Zeit hier oben?« fragte der ältere Fremde; »die Pinien und Orangen müssen doch schon vor vielen Jahren gepflanzt sein.«

      »Das sind sie auch,« erwiederte der Mann, der in diesem Augenblicke wieder in der Thür erschien und der Frau das Kind entgegen hielt. »Da, Mutter, nimm den Schlingel,« fuhr er dann zu dieser fort; »ob der Bengel wohl Ruhe gegeben hat, bis ich ihn auf den Grauen setzte, und da oben blieb er, bis ich die Thiere gefüttert hatte.«

      »Aber der Graue ist ein unruhiges Thier,« sagte Günther.

      »Bah, der hält sich schon fest,« lachte der Mann, »ja, was ich sagen wollte, die Chagra habe ich erst kürzlich gekauft, und zwar von einem Deutschen, der sie so hatte verwildern lassen, daß man die Bäume kaum fand, die darauf standen. Es war ein vornehmer Herr gewesen, der, wie er meinte, hatte brasilianischer »Pflanzer« werden wollen, sich die Sache aber wohl ein Wenig anders und leichter gedacht haben mochte und auch irgendwo anders besser hinpaßte, als hinter Pflug und Egge.«

      »Und seid Ihr keine Deutsche?« fragte der ältere Fremde.

      »Wir? – Nein,« lachte der Mann, – »das heißt, ja, wir sind schon Deutsche, aber doch nicht in dem Deutschland drüben geboren, sondern hier in Brasilien. Mein Vater stammt vom Rheine, und der Frau ihr Vater von Innsbruck, die Beide vor etwa dreißig Jahren hier herüber gekommen waren und sich in San Leopoldo niedergelassen hatten.«

      »Also Brasilianer?« sagte Günther enttäuscht.

      »Ah, nein, wir sind schon Deutsche,« lachte die Frau gutmüthig, »und halten uns ja auch immer zu Deutschen, wie Ihr seht, denn mit den Bleifüßen ist es doch Nichts, und sie wollen Nichts arbeiten und schaffen.«

      »Bleifüße – was zum Henker ist das nur?« lachte der eine Fremde; »ein Bleifuß soll ja auch die schlechte Brücke gebaut haben.«

      »Ih ja,« meinte der Mann schmunzelnd, »der Bleifüße giebt's gar viele – eigentlich mehr, als gut ist, und wir nennen besonders die eigentlichen Portugiesen so, die immer herüberkommen und so thun möchten, als ob Brasilien ihnen gehörte. Weshalb sie aber eigentlich so genannt werden, weiß ich selber nicht recht; aber den Namen haben sie, so viel ist sicher, und werden ihn wohl auch behalten. Aber seid Ihr selber erst so kurze Zeit im Lande, daß Ihr noch nicht einmal das Wort Bleifuß gehört habt? Ich dächte doch, das würde häufig