Reden an die deutsche Nation. Johann Gottlieb Fichte. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottlieb Fichte
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
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Lernens selbst willen, und aus keinem andern Grunde, mit Lust und Liebe lerne. Wir haben das Mittel gefunden, diese reine Liebe zum Lernen anzuzünden, dies, die unmittelbare Selbsttätigkeit des Zöglings anzuregen, und diese zur Grundlage aller Erkenntnis zu machen, also, daß an ihr gelernt werde, was gelernt wird.

      Diese eigne Tätigkeit des Zöglings in irgendeinem uns bekannten Punkte nur erst anzuregen, ist das erste Hauptstück der Kunst. Ist dieses gelungen, so kommt es nur noch darauf an, die angeregte von diesem Punkte aus immer im frischen Leben zu erhalten, welches allein durch regelmäßiges Fortschreiten möglich ist, und wo jeder Fehlgriff der Erziehung auf der Stelle durch Mißlingen des Beabsichtigten sich entdeckt. Wir haben also auch das Band gefunden, wodurch der beabsichtigte Erfolg unabtrennlich angeknüpft wird an die angegebene Wirkungsweise, das ewige und ohne alle Ausnahme waltende Grundgesetz der geistigen Natur des Menschen, daß er geistige Tätigkeit unmittelbar anstrebe.

      Sollte jemand, durch die gewöhnliche Erfahrung unsrer Tage irregeleitet, sogar gegen das Vorhandensein eines solchen Grundgesetzes Zweifel hegen, so merken wir für einen solchen zum Ueberflusse an, daß der Mensch von Natur allerdings bloß sinnlich und selbstsüchtig ist, solange die unmittelbare Not und das gegenwärtige sinnliche Bedürfnis ihn treibt, und daß er durch kein geistiges Bedürfnis, oder irgendeine schonende Rücksicht sich abhalten läßt, dieses zu befriedigen; daß er aber, nachdem nur diesem abgeholfen ist, wenig Neigung hat, das schmerzhafte Bild desselben in seiner Phantasie zu bearbeiten, und es sich gegenwärtig zu erhalten, sondern daß er es weit mehr liebt, den losgebundenen Gedanken auf die freie Betrachtung dessen, was die Aufmerksamkeit seiner Sinne reizt, zu richten, ja daß er auch einen dichterischen Ausflug in ideale Welten gar nicht verschmäht, indem ihm von Natur ein leichter Sinn beiwohnt für das Zeitliche, damit sein Sinn für das Ewige einigen Spielraum zur Entwicklung erhalte. Das letzte wird bewiesen durch die Geschichte aller alten Völker, und die mancherlei Beobachtungen und Entdeckungen, die von ihnen auf uns gekommen sind; es wird bewiesen bis auf unsre Tage durch die Beobachtung der noch übrigen wilden Völker, falls nämlich sie von ihrem Klima nur nicht gar zu stiefmütterlich behandelt werden, und durch die unsrer eignen Kinder; es wird sogar bewiesen durch das freimütige Geständnis unsrer Eiferer gegen Ideale, welche sich beklagen, daß es ein weit verdrießlicheres Geschäft sei, Namen und Jahreszahlen zu lernen, denn aufzufliegen in das, wie es ihnen vorkommt, leere Feld der Ideen, welche sonach selber, wie es scheint, lieber das zweite täten, wenn sie sich's erlauben dürften, denn das erste. Daß an die Stelle dieses naturgemäßen Leichtsinns der schwere Sinn trete, wo auch dem Gesättigten der künftige Hunger, und die ganzen langen Reihen alles möglichen künftigen Hungers, als das einzige seine Seele füllende, vorschweben, und ihn immerfort stacheln und treiben, wird in unserm Zeitalter durch Kunst bewirkt, beim Knaben durch Züchtigung seines natürlichen Leichtsinns, beim Manne durch das Bestreben für einen klugen Mann zu gelten, welcher Ruhm nur demjenigen zuteil wird, der jenen Gesichtspunkt keinen Augenblick aus den Augen läßt; es ist daher dies keineswegs Natur, auf die wir zu rechnen hätten, sondern ein der widerstrebenden Natur mit Mühe aufgedrungenes Verderben, das da wegfällt, sowie nur jene Mühe nicht mehr angewendet wird.

      Diese unmittelbar die geistige Selbsttätigkeit des Zöglings anregende Erziehung erzeugt Erkenntnis, sagten wir oben; und dies gibt uns Gelegenheit, die neue Erziehung im Gegensatze mit der bisherigen, noch tiefer zu bezeichnen. Eigentlich nämlich, und unmittelbar geht die neue Erziehung nur auf Anregung regelmäßig fortschreitender Geistestätigkeit. Die Erkenntnis ergibt sich, wie wir schon oben gesehen haben, nur nebenbei, und als nicht außenbleibende Folge. Ob es daher nun zwar wohl diese Erkenntnis ist, in welcher allein das Bild für das wirkliche Leben, das die künftige ernstliche Tätigkeit unsers zum Manne gewordenen Zöglings anregen soll, erfaßt werden kann; die Erkenntnis daher allerdings ein wesentlicher Bestandteil der zu erlangenden Bildung ist, so kann man dennoch nicht sagen, daß die neue Erziehung diese Erkenntnis unmittelbar beabsichtige, sondern die Erkenntnis fällt derselben nur zu. Im Gegenteile beabsichtigte die bisherige Erziehung geradezu Erkenntnis, und ein gewisses Maß eines Erkenntnisstoffes. Ferner ist ein großer Unterschied zwischen der Art der Erkenntnis, welche der neuen Erziehung nebenbei entsteht, und derjenigen, welche die bisherige Erziehung beabsichtigte. Jener entsteht die Erkenntnis der die Möglichkeit aller geistigen Tätigkeit bedingenden Gesetze dieser Tätigkeit. Zum Beispiel wenn der Zögling in freier Phantasie durch gerade Linien einen Raum zu begrenzen versucht, so ist dies die zuerst angeregte geistige Tätigkeit desselben. Wenn er in diesen Versuchen findet, daß er mit weniger denn drei geraden Linien keinen Raum begrenzen könne, so ist dieses letztere die nebenbei entstehende Erkenntnis einer zweiten ganz andern Tätigkeit des, das zuerst angeregte freie Vermögen beschränkenden Erkenntnisvermögens. Dieser Erziehung entsteht sonach gleich bei ihrem Beginnen eine wahrhaft über alle Erfahrung erhabene, übersinnliche, streng notwendige und allgemeine Erkenntnis, die alle nachher mögliche Erfahrung schon im voraus unter sich befaßt. Dagegen ging der bisherige Unterricht in der Regel nur auf die stehenden Beschaffenheiten der Dinge, wie sie eben, ohne daß man dafür einen Grund angeben könne, seien, und geglaubt, und gemerkt werden müßten; also auf ein bloß leitendes Auffassen durch das lediglich im Dienste der Dinge stehende Vermögen des Gedächtnisses, wodurch es überhaupt gar nicht zur Ahnung des Geistes, als eines selbständigen und uranfänglichen Prinzips der Dinge selber kommen konnte. Es vermeine die neuere Pädagogik ja nicht durch die Berufung auf ihren oft bezeugten Abscheu gegen mechanisches Auswendiglernen, und auf ihre bekannten Meisterstücke in sokratischer Manier, gegen diesen Vorwurf sich zu decken; denn hierauf hat sie schon längst wo anders den gründlichen Bescheid erhalten, daß diese sokratischen Räsonnements gleichfalls nur mechanisch auswendig gelernt werden, und daß dies ein um so gefährlicheres Auswendiglernen ist, da es dem Zöglinge, der nicht denkt, dennoch den Schein gibt, daß er denken könne; daß dies bei dem Stoffe, den sie zur Entwicklung des Selbstdenkens anwenden wollte, nicht anders erfolgen konnte, und daß man für diesen Zweck mit einem ganz andern Stoffe anheben müsse. Aus dieser Beschaffenheit des bisherigen Unterrichts erhellet, teils warum in der Regel der Zögling bisher ungern, und darum langsam und spärlich lernte, und in Ermangelung des Reizes aus dem Lernen selber, fremdartige Antriebe untergelegt werden mußten, teils geht daraus hervor der Grund von bisherigen Ausnahmen von der Regel. Das Gedächtnis, wenn es allein, und ohne irgendeinem andern geistigen Zwecke dienen zu sollen, in Anspruch genommen wird, ist vielmehr ein Leiden des Gemüts, als eine Tätigkeit desselben, und es läßt sich einsehen, daß der Zögling dieses Leiden höchst ungern übernehmen werde. Auch ist die Bekanntschaft mit ganz fremden, und nicht das mindeste Interesse für ihn habenden Dingen, und mit ihren Eigenschaften, ein schlechter Ersatz für jenes ihm zugefügte Leiden; deswegen mußte seine Abneigung durch die Vertröstung auf die künftige Nützlichkeit dieser Erkenntnisse, und daß man nur vermittelst ihrer Brot und Ehre finden könne, und sogar durch unmittelbar gegenwärtige Strafe und Belohnung überwunden werden; – daß somit die Erkenntnis gleich von vornherein als Dienerin des sinnlichen Wohlseins aufgestellt wurde, und diese Erziehung, welche in Absicht ihres Inhalts oben als bloß unkräftig für Entwicklung einer sittlichen Denkart aufgestellt wurde, um nur an den Zögling zu gelangen, das moralische Verderben desselben sogar pflanzen und entwickeln, und ihr Interesse an das Interesse dieses Verderbens anknüpfen mußte. Man wird ferner finden, daß das natürliche Talent, welches als Ausnahme von der Regel, in der Schule dieser bisherigen Erziehung gern lernte, und deswegen gut, und durch diese in ihm waltende höhere Liebe das moralische Verderben der Umgebung überwand, und seinen Sinn rein erhielt, durch seinen natürlichen Hang, jenen Gegenständen ein praktisches Interesse abgewann, und daß es, von seinem glücklichen Instinkte geleitet, vielmehr darauf ausging, dergleichen Erkenntnisse selbst hervorzubringen, denn darauf, sie bloß aufzufassen; sodann, daß in Absicht der Lehrgegenstände, mit denen, als Ausnahme von der Regel, es dieser Erziehung noch am allgemeinsten und glücklichsten gelang, dieses insgesamt solche sind, die sie tätig ausüben ließ, so wie zum Beispiel diejenige gelehrte Sprache, in der bis aufs Schreiben und Reden derselben ausgegangen wurde, beinahe allgemein ziemlich gut, dagegen diejenige andre, in der die Schreib- und Redeübungen vernachlässigt wurden, in der Regel sehr schlecht und oberflächlich gelernt, und in reiferen Jahren vergessen worden. Daß daher auch aus der bisherigen Erfahrung hervorgeht, daß es allein die Entwicklung der geistigen Tätigkeit durch den Unterricht sei, die da Lust an der Erkenntnis, rein als solcher, hervorbringe, und so auch das Gemüt der sittlichen Bildung offen erhalte, dagegen das bloß leidende Empfangen ebenso