Hann Klüth: Roman. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
ne,« widersprach Siebenbrod mit einer gewissen Besitzerbehaglichkeit. »Vier Jören – kein Spaß – sparen, sparen.«

      »Ja,« mischte sich nun auch oll Kusemann listig ein und redete ganz laut, damit ihn sein Freund Hann in der Stube besser verstehen sollte, »Siebenbrod, kiek, da sind drei Kühe und zwei Schweine. Wenn man sich die ein paar Jahre vermehren läßt, sieh, dann kommt 'ne recht anständige lütte Viehzucht raus. Ich hatt' mal einen Vetter, der – «

      »Ne – man ja nicht – und der Rotlauf und die Klauenseuche,« wehrte der neue Besitzer ab und drückte das Zesnerfischerpatent in der Mappe zärtlicher an sich. »Sparen – sparen.«

      »Na, dann auch so! – Es is ja wirklich allens ganz nett,« fuhr der Lügenlotse, immer mit erhobener Stimme, bedächtig fort. »Und Mudding Klüth is ja auch noch ganz gut zu Weg. Man muß eben ein Auge zudrücken. Wenn sie sich mein schwarzes Seidenkleid aus Lyon anzieht, dann läßt sie sich noch ganz hübsch wonach.«

      »Ja, was sollt' sie nich,« murmelte Siebenbrod dagegen und blickte sich mißtrauisch im Kreise um, ob vielleicht einer Spaß mit ihm treiben wollte. »Frau Klüth is noch sehr bei Kraft.«

      »Deutsche Frauen – deutsche Treue,« klang es von dem Kartoffelkahn.

      »Na, die Hauptsache bleibt aber doch das Haus und die Schweine,« schloß Friedrich Pagels bestimmt. »Dabei bleibt es.«

      »Ja – ja, dagegen läßt sich nichts einwenden,« nickte Siebenbrod sehr vergnügt und drückte allen unter beifälligem Gemurmel die Hände.

      Dann trat er in das Klüthsche Familienhaus.

* * *

      Unter befangenem Schweigen hatte man an der festlichen Tafel gesessen.

      Alle scheuten sich, von ihren Tellern aufzusehen. Man hörte die herbstlich-matten Fliegen an der Decke summen und vernahm nur zuweilen das erzwungene »Hum – Hum« des Bootsmannes, der sich bemerkbar machen wollte.

      Doch keiner redete.

      Es war, wie wenn sich die vier Kinder hinter dieses Schweigen wie hinter einen letzten Wall zurückzögen.

      Zuletzt konnte es Siebenbrod nicht mehr aushalten.

      »Hum – Hum – Frau Klüth,« begann er endlich, während er ratlos und eingeschüchtert neben der Frau in dem steifen seidenen Kleide hin und her rückte. »Ich glaub', nun wär' es Zeit mit dem Bier.«

      »Ja, dann können wir ja nun.«

      Rauschend erhob sie sich, rauschend kam sie zur Tür wieder herein und stellte einen großen, braunen Krug auf den Tisch.

      Dann ließ sie sich mit ihrem unbeweglichen Gesicht neben dem Bootsmann nieder, aufrecht wie ein Licht, das in den Leuchter gesteckt wird.

      »Frau Klüth – ich werd' das selbst eingießen.«

      »Schön, Herr Siebenbrod.«

      Die Anreden steigerten sich in ihrer Feierlichkeit. Doch auch der Gerstensaft ließ keinen größeren Frohsinn aufkommen, immer wieder blickten acht Augen forschend und anklagend nach der Mitte der Tafel, als säße dort ein Paar, das einen ungeheuren Frevel verüben wollte. Bis endlich Siebenbrod dreimal energisch über seinen Kopf strich und sich halb verzweifelt zu der Witwe wandte: »Frau Klüth, nu muß ich es wohl tun?«

      Einen Augenblick Schweigen.

      Dann ein tiefes Aufatmen: »Ja, Herr Siebenbrod, nun bleibt wohl nichts mehr übrig.«

      »Na, denn – ,« der Bootsmann gab sich einen gewaltigen Ruck, sperrte den Mund auf und blickte jedes der vier Kinder, Nachsicht heischend, an: »Na, denn also – Paul, Bruno, Hann und Line – ich hab' ihr nu.«

      »Was haben Sie?« fragte der Theologe langsam, während er seine finsteren Augen nicht von ihm wandte.

      »Das Zesnerpatent, Herr Paul.«

      Siebenbrod holte das Papier aus der Tasche und hielt es wie einen Schutz oder eine Erklärung vor sich in die Höhe.

      »Ja, aber was folgt daraus?« forschte der Student unbarmherzig weiter.

      Was daraus folgt? —

      Siebenbrod sah sich verwirrt im Kreise um, wischte sich die Nase und machte wieder den Mund auf. Ja, was sollte denn daraus anderes folgen, als was doch so klar war? – Herr Gott – Herr Gott – solch ein studierter Mensch – was für Umstände: »Je,« stotterte er, »daß ich hier nu alles übernehme.«

      »So? – Das stand ja aber schon vorher fest. Dabei ist doch nichts Besonderes?«

      Als sich der Fischer derartig in die Enge getrieben sah, geriet er in Verzweiflung. Weit schob er die Füße von sich, legte eine Faust auf den Tisch und sagte in völliger Resignation: »Ja, das mag ja nun alles sein, wie es will – aber wir sünd einig – wir heiraten uns.«

      Und Frau Klüth blickte mit ihrem starren Gesicht jedes einzelne der Kinder an und setzte traurig hinzu: »Glaubt mir, es geht nicht anders.«

      Nach dieser Erklärung waltete neues, drückendes Schweigen. Als jedoch zwischen Mittagbrot und Kaffee der Bootsmann, froh, der schwülen Stille zu entfliehen, ein wenig an den Fluß und an Malljohanns Kahn geschlendert war, da sahen die andern Kinder, wie Paul mit der Mutter in einer Ecke saß, und hörten abgebrochene, geflüsterte Worte von dorther dringen: »Paul – Pauling – tu das nicht.«

      »Es ist besser so – ich brauche dann von euch nichts mehr.«

      »Aber wie willst du das bloß anfangen?«

      »Privatstunden.« —

      »O Pauling – ich geb's ja gern – ich tu's doch bloß euretwegen.«

      »Ja – ja, aber im Andenken an den Vater – ich kann's nicht mit ansehn – ich zieh – morgen schon in die Stadt.«

      Dann umschlang die Mutter ihren Ältesten, und man konnte hören, wie der harte Junge von einem Schluchzen förmlich geschüttelt wurde. Bruno stand dabei abgewandt am Fenster und sah hinaus. Auch ihm war übel zumute. Aber er dachte mehr daran, was seine städtischen Bekannten, was vor allen Dingen wohl Konsul Hollander, der doch ein Gönner des alten Klüth gewesen, zu dieser plötzlichen Verlobung sagen würde. Die beiden Kleinen, Hann und Line, hingegen schlichen mit gesenkten Köpfen hinaus.

* * *

      In dem verwilderten, struppigen Garten, der wie alle Moorluker Anpflanzungen von dem häufigen Nordoststurm zerzaust und verwüstet aussah, machten die Kinder vor den traurigen, geknickten Sonnenblumenstauden halt.

      Das Gelb der Kelche hatte schon etwas Giftiges angenommen, und die mächtigen Blumenhäupter hingen so trostlos, so greisenhaft gebrechlich darnieder, als wüßten sie, daß der nächste Norder sie hohnlachend in den Fluß schleudern würde. Der ganze Fleck hatte etwas Unrastiges.

      Schräge, schlecht gezogene Beete, auf denen Rüben und Petersilie wuchsen, und hier und da ein verkrüppelter Apfelbaum, der im Kampf mit dem Winde bucklig geworden.

      In den Blättern raschelte ein unfreundlicher Zug, am Himmel fand ein höhnisches Spiel zwischen Sonne und grauen Wolken statt.

* * *

      Das Dirnchen hatte eine der Sonnenblumenstauden zu sich herniedergebeugt und zupfte nun ein Blatt der kranken Köpfe nach dem andern ab.

      Allmählich färbte sich ein gelber Teppich zu ihren Füßen, bis ihn der Wind wieder von dannen fegte.

      »Lining,« fing Hann an, der hinter ihr stand und in seiner Trauer seine Furcht vor ihr vergessen mochte, »siehst du, Niklas von oll Kusemann hat recht behalten. Nu is Vater abgesetzt – und sie haben sich verlobt.«

      Nun hätte sie fragen müssen, welche Zweifel ihn eigentlich plagten. Indessen sie schwieg. Warum, wußte sie selbst nicht. Aus Eigensinn oder weil sie gewohnt war, mit ihrem treuen Begleiter, der überall hinter ihr hertrollte, nach Laune zu spielen.

      Sie schwieg und zupfte schneller.

      »Lining,« fuhr Hann eingeschüchtert fort und sah verlegen auf seine Stiefel hinunter: »Verloben? – Das is doch eigentlich was sehr Feierliches.«

      Noch