Der Morgen graute, die Wolken trugen blutroten Saum und bargen die Sonne. In der Ringburg erhoben sich die Schläfer von der Erde. Die Männer rüsteten sich zum Dienst für den Kriegsgott, den Erbarmungslosen, sie salbten und sträubten ihr Haar, daß es rötlich starrte, sie legten um Arme und Hals die Ringe von Bronze und Gold, sie zogen den Gürtel am Leibe fest, daß der Schritt behender sei und der Schwung der Glieder gewaltiger. Mancher legte sein Hemd an von Hirschleder, mit Eisenschuppen bedeckt, mancher auch warf die braune Wolljacke von sich und öffnete das Hemd, damit man die ruhmvollen Narben auf der Brust schaue. Finster war der Blick der Krieger, wild ihr Mut und schweigsam ihr Tun. Denn unziemlich war im Dienste des Schlachtengottes unnütze Rede.
Berthar sprach zu Wolf, der sich neben ihm wappnete, einen dicken Goldring darbietend: »Lange habe ich das Prachtstück bewahrt, das ich einst als Königsgabe gewann. Nimm du es heut als Geschenk von deinem Gesellen, nicht ungeehrt sollst du den Speer schwingen an unserer Seite, damit die Feinde nicht sagen: Sehet, nur kärglichen Lohn erwarb der Thüring an der Bank des Fremden.« Wolf streifte den Ring über seinen Arm, sah den Alten dankend an und antwortete:
»Denke auch, Vater, wenn du den Streit ordnest, daran, daß ich nicht als Frauenvogt unter den Weibern bleibe, und zürne nicht, wenn ich noch eines sage: Herrenfeind ist auch Mannesfeind, aber am fröhlichsten wird sich mein Arm gegen die Burgunden heben, die nicht von meinem Stamme sind.«
Der Alte lächelte finster: »Unnütz bellst du, junger Brackhund. Noch ist der Geruch des Blutes nicht in deiner Nase, wenn der Tag heraufsteigt und die Wolken dort oben sich schwärzer ballen, wirst du selbst deiner Sorge wenig achten.«
Vor dem Saale des Königs war der Opferstein gerichtet. Um den Stein sammelten sich die Krieger, Ingo trat mit seinen Mannen aus der Halle in grauem Stahlhemd, unter einem Helm, der mit dem Haupte eines Ebers gedeckt war, silbern waren die Zähne, und rot glühten die Augen des Untiers. Ein junges Roß führten die Knaben herbei, Berthar stieß ihm den Opferstahl in den Leib und riß die tödliche Wunde. Der König sang das Blutgebet, und jeder der Männer trat herzu, tauchte die Rechte in das Roßblut, und alle schworen einander die Todestreue und dem Herrn Gehorsam.
Aus dem Gipfel des Baumes rief eine helle Frauenstimme: »Wahre dich, König, die Heerschilde glänzen und die Spitzen der Speere.« Das Horn des Türmers warnte in wildem Ruf, und ein Bote sprang zum König. »Den Bach entlang reitet die Schar der Königsmannen, unter ihnen die Königin.« Da erscholl der Kriegsruf im Hofe der Burg, die Krieger ergriffen Schild und Speer und traten zum Kreise, das Schlachtgebet in die Höhlung des Schildes zu singen. Das wilde Lied erklang laut in die Täler, langsam und feierlich im Beginn, anschwellend wie der Sturmwind, bis es scharf und markerschütternd tönte wie das Geheul der Windsbraut. Als es verstummt war, antwortete von unten gellendes Geschrei. Berthar rief die Befehle, und die geordneten Haufen der Krieger zogen den Berg hinab und besetzten den Ringwall. »Zwiespältig tönte das Kampflied,« sprach Berthar leise zu Ingo, »ungleich bei unseren Mannen und den Landleuten, du wirst heut nur der heimischen Weise vertrauen.« Noch einmal stieg Ingo mit dem Alten in den Wipfel des Baumes. »Frau Gisela führt in Wahrheit niemand mit sich als die lustigen Mannen ihrer Burg und das Gesinde des Sintram. Dafür hat sie die Burgunden geladen, daß sie ihr schnell das Werk vollenden. Und willig sind sie gekommen, denn ihrer sind zehn gegen einen von uns. Sieh, Held, schon ziehen sie den Schildring um unseren Graben. Hinab zum Wall! Die Sitte fordert, daß ich die Königin begrüße; ich halte die Seite, wo sie gebietet, du leite das Volk südwärts gegen die fremden Haufen.«
Mit beflügeltem Schritt eilten die Helden an den Verhau. Rundum erhob sich Geschrei, die Pfeile und Speere flogen, in kleinen Haufen sprangen die Belagerer heran und trugen Steine und Reisigbündel gegen den Außenwall, um den Graben zu füllen.
Überall, wo nordwärts der Drang am heftigsten war, klang mächtig der Schlachtruf Ingos, und vom Südrand her antwortete die Stimme Berthars; und wo der König die Speere warf, dorthin rannte auch Theodulf Rache fordernd in den Vorkampf. Mehr als einmal zitterte sein Speer nahe an Ingos Haupt in den Balken des Walles, und der Schild des Thürings klaffte geborsten von der Waffe des Königs. Aber der Ansprung der Belagerer mißlang, mit heißen Wangen wandten sie sich abwärts, ordneten die zerrissenen Haufen, trugen aus dem Dorf der Thüringe und aus dem Walde Bohlen zusammen und arbeiteten hart darüber mit Axt und Hammer.
»Mit starkem Schwunge hoben sich die Fäuste deiner Gesellen«, rief Berthar rühmend dem Sohne Beros zu. »Sind die Knaben der Königin in Zimmerleute verwandelt? Verächtlich ist der Kriegsmann, der hinter dem Bretterschild kauert.« Und zu Ingo sprach er lachend: »Die Burgunden erwiesen schwachen Eifer im Stoße, gar nicht zahlreich sind die Opfer, die wir auf meiner Seite dem Kriegsgott fällten. Und wir müssen zu ihm rufen: Nimm gnädig mit wenigem vorlieb, wie der Kuckuck zum Bären sagte, als er ihm beim Gastmahl drei tote Fliegen bot.«
Unter die heißen Strahlen der Mittagsonne wälzten sich graue Wetterwolken, da riefen die Hörner der Belagerer zu neuem Kampf, und wieder erhob sich der heulende Schlachtruf in beiden Scharen. Stärker war der Ansturm und größer die Gefahr, denn nicht vergebens hatten die Belagerer ihre Äxte gebraucht. Von allen Seiten fuhren sie hinter starken Bohlenschilden heran, und wieder warfen sie Steine und Holzbündel in den Graben und schleppten Baumstämme und lange Balken, die Tiefe zu überbrücken; auch Gerüste hatten die Burgunden gerichtet, in denen ein Balken als Sturmbock hing, donnernd schlugen die geschwenkten Balken gegen das Bollwerk, und lange Haken rissen den Bohlenzaun hinab in den Graben. Um die wilden Werkzeuge entbrannte der grimmigste Streit. Wich ein Haufe der Belagerer rückwärts, so sprang im Nu ein neuer heran, denn hinter den Kämpfern hielt die Königin und trieb mit Worten und gehobenem Arme unablässig zum Sturm. Endlich gelang es den feindlichen Scharen hier und da, den äußeren Wallring zu zerreißen und über den Graben hinaufzuklimmen. Da wogte eine Weile an den geöffneten Pfaden das Kampfgewühl, fest stemmten die Burgleute Holzschilde und Leiber, den Riß zu stopfen. Aber wie die Flut durch den zerrissenen Damm, so stürmte die Überzahl der Feinde hinein, und die kleinen Haufen der Verteidiger wurden rückwärts gedrängt nach der Höhe. Ingo stand vor dem Burgtor mit wenigen Blutgenossen, welche heut an seiner Achsel kämpften, und deckte durch Schild und Speer den Rückzug seiner Krieger. Als letzter sprang er selbst in das Tor, und hinter ihm hob sich die Brücke.
Die Belagerer riefen das Siegesgeschrei und drangen gegen den Burgwall, der den Gipfel des Berges umschloß. Aber kurz war die Freude, von der steilen Höhe flogen jetzt dichter die Speere, und große Steine sprangen herab und rissen blutige Bahnen in die stürmenden Haufen. Denn enger war jetzt die Kette der Verteidiger und sorgenvoll ihr Zorn, da sie für die letzte Schanze kämpften, die vor dem Verderben schirmte; alle Hände regten sich, auch die Frauen standen hochgeschürzt, die Steine hebend und den Männern zureichend. Unerträglich wurde es endlich den Feinden, an der Stelle zu haften, in großen Sprüngen flohen sie zurück, und manchem noch zerschlug der geschleuderte Felsblock die gehobenen Beine.
Da ritt die Königin zornig vor ihre Mannen und rief: »Wollt ihr den Met der Königin ferner trinken, ihr hüpfenden Helden, so ringt euch aufwärts zu den Weiden und werft den Steintrog nieder, aus dem sie schöpfen, vielleicht fangen sie dann mit den Lippen die rinnenden Tropfen.« Theodulf flog um den Berg und befahl gemeinsamen Aufsprung von allen Seiten; wieder riefen die Hörner und gellte das Geschrei, und wieder flogen Speere und Steine vom Bergeshaupt. Aber während der Ring der Belagerer von unten die Pfeile dahin schoß, wo ein Haupt oder Arm über die Brüstung ragte, schlich Hadubald mit vier Genossen in dem Rinnsal des Quells hinauf zu den Weiden, alle gebeugt unter den Schilden, starke Hebestangen in der Hand. Sie fuhren hinter die Bäume, wo der Felsen sie deckte. Doch dem Helden Berthar entging nicht die drohende Gefahr, die nächsten Speergenossen raffte er zusammen und eilte mit ihnen durch die Pforte hinab. »Wir fassen von unten, ihr sendet vom Felsen die