Wieder sprang Rothari auf, schlug vergnügt in die Hand des Bauern und rief: »So spricht ein wackerer Nachbar, hört auf seine Worte.«
Endlich begann auch Albwin mit gewinnender Miene: »Was der Freie gesagt, dem falle auch ich zu. Ich rate, wir halten den Eid, der uns vielleicht lästig wird, wenn die Gäste daran mahnen und sich unsern Schutz begehren. Wollen sie aber freiwillig aufbrechen, so geben wir ihnen Förderung und Gastgeschenke, damit sie ungefährdet ziehen, wohin ihnen der Mut steht. Dem König aber liefern wir sie nicht in die Hand, außer mit ihrem freien Willen.«
Da stimmte die Mehrzahl bereitwillig bei, auch der Fürst und Sintram. Aber Rothari rief zornig: »Ihr wollt handeln wie der Fuchs mit der Bäuerin, als er ihr sagte: ich gelte dir das Huhn, aber fordere nichts.« Und Isanbart warnte: »Wie mögt ihr die Pflicht auf die Seele des Gastes legen, die auf euch und euren Kindern liegt. Wer kann den Wirt loben, der die Großmut des Gastes anruft.«
So stritten die Waldleute gegeneinander und zwiespältig blieb die Meinung.
Unterdes sang Hildebrand im Hofe laut den Jägerspruch und blies auf dem großen Horn die Weidgesellen zusammen. Gerüstet mit Speer und Armbrust, die Bracken an der Leine, eilten die Thüringe aus dem Hoftor; mit dicken Speereisen, mit Hornbogen und Keule kamen die Vandalen, welche der Hunde entbehrten. Hildebrand schied den Jagdzug in zwei Haufen, Hofmannen und Gäste, die Männer aus der Landschaft teilte er beiden zu. Die Jäger sprachen leise den Weidsegen, dann begann Berthar zu dem Jagdmeister: »Schlecht wird es deinen Gästen ohne Hunde auf glattem Pfad gelingen, sorge wenigstens, Held, da du doch die Gänge des Wildes kennst, daß mein Haufe nicht vergeblich den Schnee drückt, denn auch der schnelle Fuß vermag nimmer Wild zu erreichen, wo keines vorhanden ist. Manchmal hast du uns in die Irre gesandt, fern von den Fährten der Waldriesen; achte, wenn dir‘s gefällt, heut darauf, daß wir nicht vor den Gaugenossen gekränkt werden.«
»Wer Glück und Geschick entbehrt, schilt den Treiber,« versetzte Hildebrand, »du mahnst ohne Grund, ich habe billig geteilt.« Das Horn rief, die Hunde zerrten an den Riemen, fröhlich brachen die Jäger auf und grüßten die Frauen, welche der Ausreise am Hoftor zusahen. Als die Vandalen bei Irmgard vorüberzogen, erhoben sie plötzlich hellen Jubelruf und neigten die Waffen und Knie vor ihr. Auch Ingo trat von der Seite in ihre Nähe.
»Du allein, Held, hörst nicht auf den Jagdgesang?« fragte Irmgard.
»Noch andere bleiben zurück«, versetzte Ingo, nach der Halle weisend.
»Zweifle nicht an ihrer Treue«, flehte Irmgard. »Wenn du bei deinen Helden bist, sorgen wir nicht sehr, daß wieder ein Feuer zwischen ihnen und unseren Männern aufbrennt.« So mahnte ihn das Weib, welches er lieb hatte, selbst zu der Jagd, die manchem kummervoll wurde.
Ingo rüstete sich schnell mit dem Jagdzeug und eilte den Genossen nach, er erreichte sie noch vor der Teilung und wurde von seinen Kriegern mit Zuruf empfangen, auch die Landgäste freuten sich seiner und als gute Gesellen betraten alle den Wald. Hildebrand wies die Pfade, und von den Jünglingen des Dorfes geführt verschwand ein Haufe nach dem andern in den Talwindungen und zwischen den Hochstämmen. Bald erschollen aus der Ferne die Schläge der Treiber an die Stämme, das Gebell der Hunde und zuweilen ein lustiger Hornruf. Diesmal hatten die Vandalen den bessern Erfolg, sie beschlichen eine Auerherde, darunter den mächtigen Stier, der bereits im Hofe verkündet war, und ihnen gelang es, die Herde von der Höhe in ein tiefes Tal zu treiben, wo die Schneewehen den großen Leibern der Tiere den Lauf hinderten. Dort warfen sich die Männer von oben gegen die riesigen Stiere, mit gellendem Jagdruf, mit Pfeilschuß und Speerwurf drangen die Gesellen vom Rand der Höhen talab. Und sie fällten die Herde, nur ein Häuptling der Tiere, das Ungetüm, brach durch zu wegsamerer Stelle. Da warf Ingo das schwere Eisen gegen ihn, ein Blutstrom ergoß sich nach dem Wurf. »Er hat es!« rief Ingo, und der Heilruf der anderen antwortete. Aber der Waldriese arbeitete sich empor bis zum Hochwald, in weiten Sprüngen folgte ihm speerlos Ingo, sein Messer schwingend. Wieder brach das Tier, den Speer schleppend, in ein tiefes Tal, und während Ingo auf der Höhe vorwärts stürmte, um ihm auf schneefreiem Grunde zuvorzukommen, hörte er unten Gebell der Hunde, Jagdruf und Hornklang, und als er sich in das Tal warf, fand er den Stier am Boden, den Speer Theodulfs im Leibe, der Mann aber stand auf dem Tier und blies den Siegesruf. »Mein ist das Wild nach Weidrecht,« rief Ingo und schwang sich auf den Leib des Gefällten, »mein Speer gab ihm den Todeswurf.« Über der Beute standen die Männer gegeneinander und heißer Haß sprühte aus ihren Augen. »Mein ist die Waffe und mein der Stier«, rief Theodulf. Da riß Ingo den Speer des andern aus dem Leib des Stiers und warf ihn weitab, so daß er in den Ästen einer Fichte hängen blieb. Dem Thüring schlugen vor Wut die Zähne zusammen, einen Augenblick machte er Miene, sich im Faustkampf gegen Ingo zu stürzen, aber die stolze Haltung des Mannes verwirrte ihm den Gedanken, er sprang zurück und hetzte die Meute der Hunde gegen Ingo. Heulend fielen die wütenden Tiere den Helden an, vergebens schrie Hildebrand: »Wehe!« Ingo stieß mit seinem Messer das grimmigste nieder, aber auch die Vandalen sprangen herzu, den König aus der Not zu retten und trieben ihre Eisen den Hunden in den Leib. »Geendet ist die Jagd!« rief Berthar befehlend, »jetzt beginnt eine andere, der Bube darf die nächste Sonne nicht schauen, der die Hunde auf unseren König gehetzt hat. Heut waren wir Hundeschläger, wie du uns nanntest, und der letzte Hund, den wir schlagen, bist du.« Er hob die Keule zum Wurf, aber mit eisernem Griff umklammerte ihm Ingo den Arm: »Keiner wage ihn zu berühren, der Mann gehört meinem Schwert. Du aber, Hildebrand, lade die Richter zum Weidgericht, auf der Stelle vor blutiger Spur und erlegtem Wild entscheidet über