Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ist beichten gegangen. Aber nit zum heiligen Zeno!« Malimmes lachte kurz. »Jetzt wissen die Herren im Gaden, wie andächtig heut in der Nacht die Ramsauer wallfahren.« Einen Augenblick besann er sich. »Geh hinein und sag dem Bauren, daß er auf den Pfarrherrn nit warten braucht. Sag, der Pfarrherr war davongelaufen. Sonst sag kein Wörtl! Verstehst?«

      »Wohl.«

      »Nachher sag, daß du letz bist und schlafen mußt. Und tu deinen Lederküraß an, und nimm dein Eisen. Und geh hinauf zu dem Schlupf hinter dem Gärtl droben, wo wir am Abend die Gäul hinausgetan haben. Über dem Hag draußen, gleich in den ersten Stauden links, da liegt des Bauren Wehrzeug. Und Gewand und Wehr von des Bauren Bruder liegt dabei, der jung hat sterben müssen. Und ein lederner Waldsack, der ein lützel schwer ist. Das alles mußt du aufnehmen. Und trag’s hinüber zum Hirscheneck beim Windbach, wo die andern mit den Gäulen sind. Und jetzt leg deine Hand in die meinig! Willst du treu sein, Heiner?«

      »Wohl!«

      »So geh! Und laß den Bauer nit merken, was geschieht!«

      Als der Bub in den Hof schlüpfte, knarrte das Hagtor ein bißchen.

      Malimmes setzte sich wieder auf den Rasenbuckel hin. Er lauschte über die nach Berchtesgaden führende Straße hinaus. Da war nur das dumpfe, hinter dichtem Wald versunkene Rauschen des Windbaches zu hören. Dann lauschte er nach Westen gegen den Schwarzenbach. Und da konnte er von Zeit zu Zeit noch immer dieses ferne Klirren vernehmen, dieses dünne Erbsengerüttel in einer Eisenschüssel.

      Plötzlich drehte Malimmes das Gesicht gegen den Hag. Er lachte leise. »Du Gänsl, du dummes! Bist du noch all weil da?«

      Keine Antwort. Doch eine Weibsgestalt löste sich grau von dem schwarzen Zaungeflecht.

      »Maidl, jetzt muß ich grob werden!« sagte Malimmes ernst. »Bleibst du noch länger, so könnt ein schieches Ding über dich herfallen. Schau, daß du deinen Heimleuten nachkommst!«

      Eine zerdrückte Mädchenstimme: »Ich bleib, wo du bist.«

      Malimmes schien ärgerlich zu werden, wandte das Gesicht und lauschte gegen die Gadnische Straße hinaus.

      Das Mädel beugte sich zu ihm hinunter. Ein sehnsüchtiges Dürsten war in der leisen Frage: »Tust mich denn gar nit mögen?«

      Er lachte ein bißchen und legte den Bidenhänder fort. »So komm halt!« Mit beiden Händen faßte er das Mädel und zog es auf seinen Schoß. »Wer weiß, ob wir morgen noch warmes Blut im Leib haben.« Sie hatte schon seinen Hals umklammert, und seine Worte erstickten unter ihren gierigen Küssen. »Aber schau, Maidl, ich weiß noch gar nit, wie du heißt?«

      »Traudi.«

      Da mußte er wieder lachen. »Ich trau mich schon.«

      Ein Stoß des wechselnden Nachtwindes fuhr durch das Bachtal her, die Ulmen an der Straße rauschten, und deutlicher klang der dumpfe Wasserlärm des Windbaches. Dann wieder die Stille mit dem sanften eintönigen Lied der Ache. Und immer waren zwei murmelnde Menschenstimmen zu hören, die wie müdes Summen vom Haus herüberklangen über den Hag — weil der Pfarrherr nicht gekommen war, sprachen Vater und Schwester für den toten Jakob den christlichen Seelentrost. Sie beteten lange. Nun verstummten sie.

      »Guck Maidl«, sagte Malimmes wie ein Erwachender, leise und heiter, »so schiech ist keine Lebensstund, daß sie nit noch ein Bröselein Süßigkeit haben könnt! Aber paß auf, jetzt mußt du auch tun, was ich schaff.«

      »Alles, Bub!« Sie umklammerte ihn.

      »Laß luck ein lützel!« Er suchte in seiner Tasche. »Da hast du fünf güldene Pfennig. Tu’s nit verlieren, gelt! Und jetzt lauf die Straß hinaus zum Taubensee! Wenn du viele Reiter kommen hörst, so tu nit erschrecken. Ich glaub, die reiten zum Schwarzenbach. Eh sie dich einholen, birg dich in den Stauden. Und sind sie vorbeigeritten, so lauf wieder. Weißt du des Mareiners Haus?«

      Das Mädel nickte an seinem Hals.

      »Kann sein, das Haus ist leer. Kann sein, ein altes, müdes Weibl ist da. Dem steck zwei güldene Pfennig in jeden Strumpf. Sag, die tät ihr einer schicken, der am Zäunl gestanden. Sonst tu kein Wörtl reden, nit von dir und nit von mir! Und mach dich wieder davon!«

      »Aber —«

      »Was?«

      »Der ander Pfennig?«

      Er küßte sie auf die Wange. »Den heb dir auf! Von mir.«

      Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das nit! Darfst mir alles tun! Das nit!«

      Malimmes lachte. »Da mußt mir halt den überschichtigen Pfennig wieder bringen.«

      »Wann?« Das Mädel schmiegte die Wange an seinen Hals. »Und wo?«

      »Wenn’s tagen will, kannst hinter dem Schwarzeck droben warten, auf dem Steig zum Hängmoos. Kann sein, ich komm. Kann auch sein, daß ich ausbleib. Da brauchst mich nimmer suchen.«

      Das hatte er ruhig gesagt. Und dennoch fing das Mädel, von dunkler Angst befallen, an seinem Hals zu zittern an.

      »Flink! Tu folgen!« Er packte sie fest, stellte sie auf die Füße und stand selber auf. »Mach weiter! Ist nimmer viel Zeit.«

      Sie küßte ihn und suchte mit den Lippen die böse Narbe. Und flüsterte: »Wirst sehen, das heilet wieder. Ganz. Und da bist du der Schönste von allen.«

      Er gab ihr lachend einen Schlag auf die dralle Schattenseite. »Spring jetzt! Flink!«

      Traudi rannte davon und kam zurück. »Wenn aber das alte Weibl nimmer da ist?«

      Eine Weile schwieg er. Dann sagte er hart: »Da tu, was du magst!« Er hob den Bidenhänder aus dem Gras und lauschte gegen den Windbach.

      Hinter dem Leuthaus verhallte das flinke Schuhgeklapper des Mädels.

      Nun wieder die ruhige Nacht mit dem eintönigen Wellengesang im schwarzen Tal und mit den funkelnden Sternen in der stahlblauen Höhe.

      Nach dem Stande dieser weisenden Himmelslichter mußte Mitternacht schon lange vorüber sein.

      Da streckte sich Malimmes.

      Er hatte vom Windbach her ein Geräusch vernommen, wie wenn ein starker Brunnenstrahl auf einer hölzernen Kufe trommelt. Rasch verstärkte sich dieser Lärm und wurde zu einem Pochen von hundert eisernen Hämmern.

      Malimmes trat in den Hof, drückte das Tor zu und schob die zwei schweren Sperrbalken in die Zwingen. Mit ruhiger Hand bekreuzte er das Gesicht, zog den Bidenhänder blank und hakte die Lederscheide wie einen Gürtel um die Hüfte.

      Das Gehämmer dieser vielen Hufe kam immer näher, ohne seinen wirren Takt zu verlangsamen.

      »Es stimmt. Das geht vorbei. Die reiten zum Schwarzenbach.«

      Durch das Schuberloch des Tores guckte Malimmes auf die Straße hinunter. Nun kam’s. Und das war wie ein langer, schwarzer, flinker, vielfüßiger Nachtdrache, der hurtig seine Ringe schob und die Stacheln seines Rückens auf und nieder zucken ließ. Nun tauchte das Ungeheuer, das aus der Finsternis gekommen, in die Finsternis hinein.

      Kamen bis in einer halben Stunde die flüchtenden Ramsauer auf ihrem andächtigen Bittgang nicht so weit, daß der schützende Mantel des heiligen Zeno sie umhüllte — dann wird dieser eisenschuppige Drache seinen Durst an ihnen stillen und Blut saufen.

      Das waren an die vierzig Reiter gewesen. So viele berittene Soldknechte unterhielt das Stift zu Berchtesgaden nicht. Es mußten auch die Domizellaren, die jüngeren Chorherren und die wehrhaften Bürgersöhne mit ausgeritten sein.

      Das Gehämmer der vielen Hufe klang schon wieder wie das Getrommel eines starken Brunnenstrahls auf einer hölzernen Wanne, wurde schwächer in der Ferne und versank im Rauschen der Ache.

      »Jetzt noch ein Stündl. Und die Raubleut kommen.«

      Malimmes schloß am Hagtor den Guckschuber, verwahrte den Bidenhänder in der Scheide und ging zum