Im Lande des Mahdi II. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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fragst du? Und doch behauptest du, den Kuran und alle seine Erläuterungen zu kennen! Durch diese Frage hast du bewiesen, daß du sie noch nicht kennst.«

      »Du irrst dich abermals. Ich weiß, daß du den Paraklet, den Ma‘dijj meinst, den viele von euch erwarten.«

      Dieses Wort darf nicht Mahdi, sondern es muß Ma‘diji geschrieben werden; es kommt von dem arabischen Verbum hahdaja her, welches »führen« heißt, und bedeutet: der auf den rechten Weg Geführte, der Helfer, der Vermittler. Doch werde ich dem einmal gewohnten Gebrauche folgen und Mahdi schreiben.

      »Du, weißt das also doch?« fragte er. »Hast du gehört, daß ein Mahdi kommen wird?«

      »Gehört und auch gelesen. Der Kuran erwähnt nichts von ihm, und auch den Kommentaren ist die Sendung eines Mahdi unbekannt; er lebt nur in der mündlichen Ueberlieferung, auf die ich nichts gebe.«

      »Ich desto mehr. Allah wird einen Propheten senden, welcher das von Muhammed begonnene Werk zu vollenden hat. Dieser Prophet wird die Ungläubigen entweder bekehren oder, wenn sie sich nicht bekehren lassen, sie vernichten und dann die Güter dieser Erde so verteilen, daß ein jeder nach seiner Frömmigkeit erhält, was ihm gebührt.«

      »Das sind mehr weltliche als religiöse Hoffnungen und Wünsche. Wäre ich Moslem, ich würde mich nur an den Kuran halten, nach dessen Lehren ein solcher Mahdi nicht erwartet werden kann.«

      »Wieso? Wenn der Kuran nicht von einem Mahdi redet, so ist das doch kein triftiger Grund, anzunehmen, daß es keinen solchen geben kann und geben wird.«

      »O doch, denn die Prophetologie des Kuran ist vollständig abgeschlossen. Nach Muhammeds eigenen Worten ist er der letzte Prophet, den Allah gesandt hat und senden wird; seine Lehre, der Islam, ist in sich vollendet und kann nicht durch Zusätze ergänzt oder gar verbessert werden, und nach ihm wird, wie er sagt, nur einer kommen, nämlich Isa Ben Marryam[19], und zwar am jüngsten Tage, an welchem er sich auf die Moschee der Ommijaden in Damaskus niederlassen wird, um zu richten die Lebendigen und die Toten. Ganz abgesehen davon, daß Muhammed da den Heiland der Christen als Weltenrichter hoch über sich selbst stellt, macht er damit eure Mahdi-Hoffnung ganz und vollständig zu schanden.«

      »Das sprichst du als Ungläubigen«

      »Nein, sondern als Kenner des Islam, als welcher ich mich in die Anschauung eines Moslem gedacht habe. Wenn jetzt ein Mahdi erstände, welcher beabsichtigte, die sogenannten Ungläubigen, falls sie sich nicht von ihm bekehren ließen, zu vernichten, so wäre das einfach lächerlich. Es giebt weit über tausend Millionen Menschen, welche nicht Muhammedaner sind; ich will aber nur von uns Christen sprechen. Wie wollte euer Mahdi es anfangen, uns zu vernichten?«

      »Mit Feuer und Schwert!«

      »Er mag kommen! Und das ist es ja eben, daß er gar nicht kommen kann, nämlich nicht zu uns. Kann eine Quelle der Wüste sich herausnehmen, zum Nile zu kommen, um ihn zu verschlingen? Kann sie die Wüste überwinden und dann die Felsenberge, durch welche sie vom Nile getrennt wird? Sie muß, sobald sie sich aus der Oase hervorwagt, schamrot im Sande verlaufen.«

      »Allah wird ihre Wellen mehren und ihre Kräfte stärken, daß sie tausendmal breiter wird als der Nil!«

      »Gott ist allerdings allmächtig; aber er läßt nicht der Ueberhebung eines Moslem zuliebe ein Meer aus dem dürren Boden quellen und die Höhen der Gebirge überfluten.«

      »Ihr kennt uns nicht. Wir sind unwiderstehlich, wenn wir uns im Kriege über eure Länder ergießen!«

      »Pah! Euer Strom würde elend versiechen, noch lange ehe er unsere Grenzen erreichte. Kennt ihr unsere Länder? Wo liegen sie? Kennt ihr unsere Völker, unsere Einrichtungen, unsere Heere? Ein Wüstenfloh hat den Gedanken, mit den Elefanten und Flußpferden des Sudan, den Büffeln und Bären Amerikas, den Löwen und Tigern Indiens anzubinden! Wahnsinn! Und kämt ihr zu Hunderttausenden, so hast du gar keine Ahnung, wie schnell wir mit euch aufräumen würden.«

      »Allah‘l Allah! Hast du einmal einen Moslem im Kampfe gesehen? Wir würden euch im Augenblick zermalmen!«

      »Aber einen Augenblick vorher würdet ihr aus den Mündungen unserer Gewehre und Kanonen bis auf den letzten Mann den Tod getrunken haben. Ehe du vom Zermalmen redest, besuche die Länder der Christen, um da Umschau zu halten! Du redest wie der Fisch vom Wüstensturm; sobald er nur aus dem Wasser kommt, ist‘s mit ihm vorbei. Zähle die Millionen und aber Millionen Krieger, welche wir haben. Und was sind das für Männer! Was sind zehn von euch gegen einen von ihnen! Du fragst mich, ob ich einen Moslem im Kampfe gesehen habe. Nicht einen, sondern viele sah ich schon. Ich selbst habe mit Moslemin gekämpft und wundere mich sehr, daß du mich so fragen kannst. Nimm doch das nächste Beispiel, welches dir zur Verfügung steht, nämlich mich selbst! Man wollte und will mich hier verderben. Ist es gelungen? Sind diese großen Helden nicht alle in ihre eigenen Gruben gefallen? Ich bin der einzige Christ unter euch. Sagt Abd Asl nicht selbst, daß ich mehr zu fürchten sei, als alle Asaker zusammen? Man wollte mich fangen. Was geschah? Ich habe diese sechzig tapfern Moslemin gefangen, und zwar hier, wo sie daheim sind und alle Verhältnisse kennen. Dein Mahdi mag kommen, um uns zu vernichten. Meinst du, daß wir uns gegen ihn zu wehren brauchten? O nein! Wir würden lachen, nur lachen, und vor dem Schalle dieses Spottgelächters würde er samt seinen Helden Hals über Kopf davonlaufen.«

      »Du nimmst den Mund sehr voll, Effendi; aber wenn du ihn kommen sähest, so würden deine Zähne vor Entsetzen aufeinander klappen.«

      »So? – Hat er ein so fürchterliches Angesicht?«

      »Ja, du hast keine Ahnung davon, wie schrecklich er sein kann.«

      »Aber du hast diese Ahnung? – So kennst du ihn?«

      »Gerade weil du nicht glaubst, daß ein Mahdi kommen wird, gerade weil du über ihn spottest, will ich dir diese Frage beantworten: ja, ich kenne ihn.«

      »So, ist er also schon da?«

      »Er ist schon da und hat bereits von Allah die Weisung empfangen, sich auf die Eroberung der Erde und die Vernichtung der Ungläubigen vorzubereiten.«

      »Willst du ihm einen guten Rat von mir überbringen?«

      »Welchen?«

      »Er mag in Ruhe und Frieden seine Herde weiden oder sein Feld bebauen, aber in Allahs Namen auf seine eingebildete Prophetie verzichten. Er ist in einer gewaltigen Selbsttäuschung befangen, in einem Selbstbetruge, welchen seine Anhänger, falls er welche fände, mit ihrem Eigentume, ihrem Leben bezahlen würden.«

      »Du täuschest dich, aber nicht er sich! Seine Sendung ist ihm von Allah geworden, und er wird dem Befehle, der vom Himmel kam, gehorchen.«

      »So will ich dir sagen, was er zu erwarten hat. Er wird sich zunächst gegen den Vicekönig empören. Vielleicht gelingt der Aufstand. Chartum ist weit von Kahira entfernt, und ehe der Khedive Truppen sendet, kann dem Mahdi die an den Nilarmen liegende Gegend zugefallen sein, aber gewiß nur für kurze Zeit; er wird sie bald wieder räumen müssen.«

      »Gewiß nicht! Er verachtet den Khedive und wird ihn unterjochen. Dann wird er Mekka nehmen und hernach nach Stambul ziehen, um den Sultan abzusetzen und sich als den wahren Beherrscher der Gläubigen auszurufen.«

      »Das wird er bleiben lassen! Du hast ja nicht die mindeste Ahnung von den Verhältnissen, mit denen er zu rechnen hätte und von den Hindernissen, auf welche er stoßen würde. Hier am obern Nile, ja, da könnte er ein wenig Krieg spielen; aber sobald er die Nase über die nubische Grenze steckte, würde man ihn darauf klopfen.«

      »Wer?«

      »Diejenigen Mächte, welche nicht zugeben können, daß der Vicekönig oder gar der Sultan abgesetzt wird. Es giebt noch ganz andere Kerle, als der Mahdi sein würde, welche es nicht gern sehen, daß der Sultan in Stambul sitzt. Da ist zum Beispiel der Kaiser von Rußland, welcher Stambul gern für sich haben möchte. Er hat gar nicht weit dorthin, denn sein Reich stößt an die Türkei; er besitzt mehrere Millionen Soldaten und nimmt Stambul doch nicht weg, und zwar nicht etwa aus Angst vor den Türken, den Muhammedanern, sondern weil andere, christliche Fürsten es nicht erlauben würden. Und was der große Zar nicht


<p>19</p>

Jesus, Mariens Sohn.