Am Stillen Ozean. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Morgen früh mit der Ebbe stechen wir in See. Jetzt aber kommt zur Kajüte; wir müssen doch einmal sehen, wie sich meine Flaschen unter der Linie gehalten haben!«

      »Einen Trunk zum Willkommen darf ich Euch natürlich nicht abschlagen, aber feststauen kann ich mich noch nicht. Ich habe Potomba versprochen, mit ihm an das Land zu gehen, und er wird ungeduldig sein, sein Weib und seinen Bruder wieder zu sehen.«

      »Dann trinkt er mit, und Ihr erlaubt mir, Euch zu begleiten. Ich habe am Lande Geschäfte.«

      Potomba mußte mit zur Kajüte, wo uns der gute Master Frick Turnerstick mit seiner besten Sorte regalierte. Dann stiegen wir zu dreien in ein Boot der Barke, welches das Kanoe des Ehri in das Schlepptau nahm, und ruderten an das Land.

      Je näher wir demselben kamen, desto aufmerksamer wurden die Züge Potombas. Er schien etwas zu bemerken, was seine Achtsamkeit im höchsten Grade in Anspruch nahm. Er sah meinen fragenden Blick und streckte den Arm aus.

      »Siehst du die Kähne dort, Sahib?«

      Grad vor uns lag eine große Anzahl geschmückter Boote, eines neben dem andern, an dem Ufer. Das mittelste von ihnen zeichnete sich durch buntes Wimpelwerk und allerlei Blumen und Blätterzierde vor den übrigen aus.

      »Ja,« antwortete ich. »Was ist mit ihnen?«

      »Siehst du auch das Boot mit den Fahnen und Guirlanden?«

      »Allerdings. Warum fragst du?«

      »Zu beiden Seiten seiner scharfen Brust sind die Worte »Mata ori«[7] eingeschrieben. So nannte ich Pareyma, als ich sie lieben lernte, und so nannte ich auch das Boot, welches ich ihr zu Tamai auf Eimeo bauen ließ, damit mich Anoui mit demselben abholen könne an dem Tage, an welchem ich sie zum Weibe nahm, um sie in mein Palmenhaus zu führen. Ich kenne das Boot genau; sein Ausleger ist nicht mit Bast, sondern mit eisernen Stocknägeln befestigt, und heut ist es geschmückt grad wie damals, als ich es als Bräutigam betrat. Es muß auf Eimeo eine Hochzeit sein, und Anoui hat es dem Vater des Mädchens geliehen, damit der Bräutigam in demselben abgeholt werde.«

      Es spiegelte sich in seinen schönen, offenen Zügen eine Unruhe ab, für welche ich kein Verständnis hatte. Die Erinnerung hätte ihn ja beglücken, nicht aber beunruhigen sollen.

      »Und siehst du den Mann im Boote?« fuhr er fort. »Es ist Ombi.«

      »Wer ist Ombi?«

      »Der Diener des Priesters; doch liebt er mich mehr als ihn. Er hat Pareyma auf den Armen getragen, als sie noch ein Kind war, und sie behütet, seit ihre Mutter gestorben ist.«

      Der Diener, welcher uns beobachtete, schien Potomba zu erkennen, denn er erhob sich mit freudiger Miene, setzte sich aber sofort wieder nieder und legte die Hände vor das Gesicht.

      Der Sand des Ufers knirschte unter dem Kiele unsers Bootes, und wir sprangen an das Land. Potomba trat zu der »Mata«.

      »Ombi!« redete er den Diener an.

      Der Diener regte sich nicht.

      »Ombi!«

      Als auch jetzt noch keine Antwort erfolgte, sprang er in das Boot und ergriff den greisen Polynesier bei der Schulter.

      »Ombi, warum antwortest du nicht?«

      Der Diener nahm die Hände vom Gesichte und blickte ihn an. In seinen Augen glänzten zwei Thränen.

      »Hat der Schmerz Worte, Potomba?« fragte er.

      »Welcher Schmerz?«

      »Daß du abgefallen bist von Atua, dem Gott alles Guten, und hingegangen zu dem Mitonare.«

      »Das schmerzt dich jetzt? Hast du mir nicht oft gestanden, wenn ich dir heimlich von dem Messia erzählte, der das Lamm Gottes ist, daß dir der höchste Sahib Jesu lieber sei, als Atua, der Gott von Tahiti, der niemals gekommen ist, um Kranke zu heilen, Tote zu erwecken und für unsere Sünden zu sterben?«

      »Das habe ich gesagt, Potomba, und das sage ich auch noch jetzt. Aber ich bin der Diener eines Priesters, dem ich gehorchen muß, und darf nicht sagen, was ich denke.«

      »Du darfst sagen, was du denkst und glaubst. Verlaß den Priester des falschen Gottes, und komme zu mir! Du liebst Jesu, den Nazari; du liebst auch mich und Pareyma. Warum willst du nicht bei uns sein? Warum weinst du, wenn du mich erblickst? Du hast es doch bisher noch nie gethan!«

      »Ich weine, weil ich gerne bei dir sein möchte und es doch nicht kann.«

      »Warum kannst du es nicht?«

      »Weil ich Pareyma nicht verlassen mag, die meiner bedarf.«

      »Pareyma? Wenn du zu mir kommst, bist du ja bei ihr!«

      »Nein!«

      Ich sah den Schreck, der die dunklen Züge Potombas jäh erbleichte. Er stockte und ließ seinen angstvollen Blick über die Umgebung gleiten. Die am Strande Spazierenden waren herbei gekommen und beobachteten ihn mit teilnahmsvollen Augen aus der Ferne. Er mußte dies bemerken und noch mehr ahnen als ich, daß ihn während seiner Abwesenheit etwas Schweres betroffen habe. Unwillkürlich fuhr seine Hand nach dem scharfen Kris[8], welcher in seiner Schärpe stak, und zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor fragte er beinahe zischend:

      »Wo ist Pareyma?«

      »Gehe heim, und frage. Ich darf es dir nicht sagen!«

      Potomba trat einen Schritt zurück. Seine Augen funkelten, und seine Lippen zuckten.

      »Ombi, wo ist Pareyma? Hörst du, ich frage dich!«

      Der Diener senkte das Haupt und wiederholte:

      »Gehe nach Hause, und frage!«

      »Ombi, du schweigst noch immer? Gut, ich werde gehen, aber wer Pareyma ein Leid gethan hat, der ist verloren!«

      Er ging. Wir beide folgten ihm. Die versammelte Menge machte ihm ehrerbietig und teilnahmsvoll Platz. Er sprach kein Wort; er blickte sich nur ein einziges Mal um, um zu sehen, ob wir noch bei ihm seien. Der Weg führte eine Strecke um Papetee herum, bis wir ein Gebäude erreichten, welches sich durch seine Größe und den Umfang der zu ihm gehörigen Brotfruchtbaumpflanzungen auszeichnete.

      »Kommt!« sagte er kurz und trat ein.

      In dem vorderen Raume des Hauses saß auf einer Matte ein junger Mann, welchen wir infolge seiner Aehnlichkeit mit Potomba sofort als dessen Bruder erkannten.

      »Potai!« »Potomba!« Der Sitzende sprang auf und streckte die Arme aus, als wolle er den Kommenden umfangen, trat aber wieder zurück und ließ die Arme sinken.

      »Was ist mit dir, Potai? Bin ich nicht dein Bruder?«

      Der Gefragte deutete nieder, wo neben der Matte in der Erde ein Dolch stak.

      »Ich habe den Kris in die Erde versenkt, bis du kommst, Potomba; ich habe geschworen, dich nicht zu berühren, bis der Tod der Mutter gerächt ist!«

      »Der Tod der Mutter? Sprich, Potai, sprich schnell, schnell! Wo ist Pareyma?«

      »Fort.«

      »Fort! Wohin?«

      »Nach Eimeo zu ihrem Vater, dem Priester der Heiden.«

      »Freiwillig?«

      »Freiwillig! Ich fuhr hinüber nach Maitea, und als ich zurückkehrte, war sie fort. Die Mutter hat sie halten wollen und mit ihr gekämpft. Potomba, dein Weib ist zu den Götzen zurückgekehrt und hat deine Mutter getötet!«

      »Womit?«

      »Mit ihrem Kris. Ich zog ihn aus dem Herzen der Mutter; er war noch blutig; hier steckt er in der Erde!«

      Der Ehri bückte sich nieder und zog den Dolch heraus.

      »Das ist nicht Pareymas Messer; das ist der Dolch des Priesters Anoui!« stieß er hervor.

      »So hat er sie geholt, und er ist der Mörder.«

      »Und wirklich freiwillig ist sie mit ihm gegangen?«

      »Ich


<p>7</p>

Zu deutsch: »Auge des Tages« (die Sonne).

<p>8</p>

Dolch.