Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Weil
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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lässest mich so lange weinen, bis man fragt: Fließen ihr nicht blutige Tränen aus der Nase?«

      »Wäre mein Herz so hart wie das deine, so wäre mein Körper nicht so geschwunden, daß er jetzt deiner Taille gleicht.«

      »Weh‘ über den Anblick eines Mondes, dessen Schönheit und Anmut von allen Menschen gepriesen wird.«

      »Weh‘ über dein hartes Herz! Lernte es doch Biegsamkeit von deinem Wuchse, so würd‘ es sich zärtlich mir zuneigen.«

      »O mein Gebieter! Du hast über deine Schönheit einen Aufseher, der mir Unrecht tut, und einen Wächter, der grausam gegen mich ist.«Im Text ist hier ein unübersehbares Wortspiel, in dem das Wort Aufseher zugleich Blick und das Wort Wächter auch Augenbrauen bedeutet.

      »Wer da sagte, die Schönheit sei in Joseph vereint, der hat nicht wahr gesprochen: wie manchen Joseph enthält deine Schönheit.«

      »Schwarz ist das Haar, leuchtend die Stirne, das Auge ist das einer Huri, und schlank ist der Wuchs.«

      Als Maimuna schwieg, schüttelte Dahnesch lachend den Kopf und sagte: »Bei Gott, Herrin, deine Beschreibung ist schön! Darauf verstehe ich mich nicht so gut wie du. Doch will ich versuchen, was in meinen Kräften steht.« Damit stellte er sich vor das Mädchen und sprach:

      »Sie tadeln mich, weil ich die Schönheit liebe; aber wie ungerecht ist ihr Urteil!«

      »Ihr Wuchs ist schlank wie der Zweig des Baumes Irak und biegsam wie der des Ban.«

      »Erfreue deinen Geliebten durch deine Nähe: denn hältst du ihn noch lange fern von dir, so wird er vor Sehnsucht vergehen.«

      Maimuna erteilte den Versen Dahneschs das gebührende Lob, wollte aber nun wissen, welcher von den beiden Personen der Preis der Schönheit zukommen solle. Dahnesch behauptete, die Prinzessin sei schöner, während Maimuna dem Prinzen den Vorzug gab. Nach langem Streit sagte Dahnesch: »Ich glaube, o Herrin, daß es dir schwer fällt, die Wahrheit einzugestehen, darum wollen wir einen Dritten entscheiden lassen und seinen Spruch anerkennen.« Maimuna willigte ein und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Sogleich tat sich die Erde auf, und daraus hervor stieg ein scheußlicher Geist, er war bucklig und halbblind. Seine Augen waren der Länge nach gespalten; er hatte sechs Hörner am Kopfe, und vier Haarbüschel hingen ihm bis zu den Füßen hinunter. Seine Hände waren wie die eines Kutrub und seine Füße wie die eines Wehrwolfs, mit Nägeln, gleich den Klauen des Löwen. Sobald er herauf war und Maimuna erblickte, so warf er sich ihr zu Füßen, küßte den Boden, legte die Hände hinter den Rücken und fragte, was seine Gebieterin zu befehlen habe. »Kaschkasch« (so hieß der Geist), sagte sie zu ihm, »ich rief dich, um einen Streit zu entscheiden, den ich mit diesem verfluchten Dahnesch habe. Wirf deinen Blick auf das Bett und sage uns, wer dir schöner dünkt, der Jüngling oder die Jungfrau?« Kaschkasch betrachtete den Prinzen und die Prinzessin, wie sie, in Schlaf versunken, neben einander lagen, unbewußt sich umarmend und an Schönheit und Liebreiz gleich, wie der Dichter sagt:

      »Halte fest an dem Gegenstand deiner Liebe und laß dich durch das Gerede des Neides nicht irren: die Tadler führen zu nichts in der Liebe.«

      »Gott hat nichts Schöneres geschaffen, als ein liebendes Paar auf einem Lager, das, eins durch das andre beglückt, mit dem Ausdruck innigster Zufriedenheit im Antlitz sich fest umarmt hält.«

      »Ist einmal ein Herz mit der Liebe vertraut, so mag lange die Welt auf kaltes Eisen schlagen.«

      »O du, der du Liebende der Liebe wegen tadelst, bist du wohl imstande, ein krankes Herz zu heilen?«

      »Und begegnet dir in deinem Leben ein heiterer Tag, so sei zufrieden und lebe von diesem einen!«

      Nachdem der Geist beide eine Weile betrachtet hatte, sagte er zu Maimuna: »Herrin! Keiner von beiden verdient den Vorzug, es ist einer schöner als der andre, aber es gibt ein Mittel, sich darüber aufzuklären. Das ist, sie nacheinander aufzuwecken und sich dahin zu vereinigen, daß, welches für das Andere durch seine Glut und Heftigkeit mehr Liebe bezeigt, gewissermaßen auch weniger Schönheit habe.« Der Rat gefiel Maimuna und Dahnesch, und Kaschkasch fragte die Erstere, ob er ihren Liebling aufwecken solle. Auf ihre Bejahung verwandelte er sich in einen Floh und sprang auf Kamr essamans Hals. Er stach ihn so heftig, daß er aufwachte und mit der Hand nach der Stelle fuhr; aber er fing nichts. Seine Hand fiel auf eine andere Hand, die zarter und weicher anzufühlen war als frische Butter. Er schlug die Augen auf und war höchst erstaunt, etwas der Länge nach neben sich liegen zu sehen. Er setzte sich aufrecht. Da lag vor ihm ein Mädchen, schön wie der Mond oder die Sonne, wie eine aufgeputzte Braut oder eine kostbare Perle, von schlankem Wuchs, blitzenden Augen und schön gewölbten Augenbrauen, wie der Dichter sagt:

      »Vier Dinge haben sich vereint, um mein Herz zu verwunden und mir den Tod zu geben: Das Licht der Stirne, die Nacht der Haare, die Rose der Wangen und die Perlen des lächelnden Mundes.«

      Wie er sie so da liegen sah, in dem feinen Hemde, das die Reize ihrer Gestalt nur halb verhüllte, die bloßen Arme mit kostbaren Spangen, die Hände mit Ringen und Hals und Busen mit goldner Kette geschmückt, die mit kostbaren Edelsteinen ausgestattet war, bemächtigte sich die Liebe auf die lebhafteste Weise seines Herzens, und er konnte sich nicht enthalten auszurufen: »Welche Schönheit! welche Reize! Mein Herz! meine Seele!« Und indem er dies sagte, neigte er sich zu ihr hin, küßte sie auf die Wangen und sog an ihren Lippen mit immer steigender Leidenschaftlichkeit; er wollte sie aufwecken, aber durch Dahneschs Bezauberung schlief sie sehr fest. Er schüttelte sie, während er zu sprechen fortfuhr: »Mein Herz! meine Seele! erwache doch, ich bin der Prinz Kamr essaman.« Aber sie wachte immer nicht auf, und Kamr essaman wurde verlegen und nachdenklich. »Wenn mich meine Vermutung nicht täuscht«, sagte er bei sich selber, »so ist dies das Mädchen, welches der Sultan, mein Vater, mir zur Gattin geben wollte. Gleich in aller Frühe will ich hingehen und ihn bitten, mir sie zur Frau zu geben, und ehe der Abend vergeht, wird sie mir als Gattin vorgeführt und ich kann mich ihrer Schönheit und Anmut freuen.« Er neigte sich abermals über die Schöne, um sie zu küssen. Da fuhr ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf, und indem er sich selbst bezwang, sprach er: »Vielleicht hat mein Vater dieses Mädchen abgeschickt und ihr befohlen, sich nicht wecken zu lassen und ihm zu berichten, was geschehen wird. Oder wer weiß, ob er sich nicht irgendwo versteckt hat, wo er alles sieht: wenn ich mich nun von der Leidenschaft hinreißen lasse, wird er mir morgen Vorwürfe machen und mich beschämen. Er wird sagen: hast du nicht behauptet, du habest keine Lust zu heiraten, warum hast du denn dieses Mädchen geküßt und umarmt? Bei Gott, ich will sie nicht berühren oder lieber gar nicht mehr ansehen; auf jeden Fall aber will ich mir ein Andenken von ihr nehmen.« Er ergriff dann ihre Hand und sah an ihrem Finger einen goldnen Siegelring mit einem Rubin aus Balchaschan, auf welchem folgende Verse eingegraben standen:

      »Glaube nicht, daß ich vergessen habe, was du mir geschworen;«

      »Seitdem du mich verlassen, ist mein Herz auf glühenden Kohlen.«

      Diesen Ring zog er der Prinzessin vom Finger und steckte ihr den seinigen dafür an. Hierauf kehrte er ihr den Rücken zu, und es währte nicht lange, so schlief er wieder ein. Sobald er eingeschlafen war, sagte Maimuna zu Dahnesch: »Hast du gesehen, verfluchter Geist, wie wenig sich mein Prinz aus deiner Prinzessin macht? Er hat sie nicht umarmt, er hat ihr den Rücken zugekehrt und ist wieder eingeschlafen.« Dahnesch erwiderte: »Ich habe alles gesehen«, und verwandelte sich in einen Floh, sprang hin und stach die Prinzessin. Sie wachte auf und richtete sich empor, und als sie die Augen öffnete, war sie sehr erstaunt, sich neben einem Mann liegen zu sehen, mit Augen und Augenbrauen, wie sie kein Mädchen hatte, mit einem kleinen Munde und zarten Lippen, die Farbe der Wangen gleich einem Apfel. Kurz, seine Zunge vermochte seine Reize zu schildern, und es ließen sich die Worte des Dichters auf ihn anwenden:

      »Man brachte die Schönheit selbst, daß sie sich mit ihm messe, und sie beugte beschämt ihr Haupt vor ihm.«

      »Man fragte sie: Hast du je so etwas gesehen? und sie antwortete: Nein, ein solcher Anblick ist mir noch nie zuteil geworden.«

      Als sie diese Reize eine Weile bewundert hatte, schrie sie: »Wehe! Wehe! welche Schande, so neben einem Jüngling zu liegen! Hätte ich gewußt,