Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Weil
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ich, nachdem sein Sohn verschwunden, lange die Kuppel gesucht, ohne sie wieder finden zu können, wollte er doch sogleich mit mir auf den Begräbnisplatz gehen. Ohne jemandem etwas davon zu sagen, gingen wir nun nach den Gräbern. Ungemein war meine Freude, als ich endlich jene Kuppel wiederfand und nunmehr hoffen konnte, zu erfahren, wo mein Vetter hingekommen. Wir gingen sogleich hinein, öffneten das Grab, bis wir die eiserne Platte fanden, und stiegen dann die ungefähr fünfzig Stufen lange Treppe hinunter. Als wir die letzte Stufe erreicht hatten, kam uns ein so starker Rauch entgegen, daß wir gar nicht mehr sahen, und mein Oheim schrie ganz erschrocken: »Nur der erhabene, mächtige Gott kann uns schützen!« Wir folgten dem Gange, der an die Treppe stieß, bis wir in eine Art Zimmer kamen, das auf Säulen ruhte und durch kleine Türmchen das Licht von oben empfing, wir fanden in diesem Zimmer eine Zisterne, Wasserkrüge, Früchte, Mehl und ähnlichen Mundvorrat. Mitten im Zimmer war ein Bett mit einem Vorhange; als mein Oheim den Vorhang vor diesem Bette aufhob, fand er darin seinen Sohn und die Frau, die ich mit ihm hinuntersteigen gesehen; sie hielten sich umarmt, waren ganz schwarz, als wären sie so lange am Feuer gelegen, bis sie zu Kohlen geworden. Mein Oheim jubelte, als er dies sah, er spie seinem Sohne ins Gesicht, indem er sagte: »Soviel hattest du hier zu leiden, nun kommen noch die Qualen jenes Lebens.« Hierauf zog er seine Pantoffel aus und schlug seinem Sohne damit ins Gesicht.

      Als mein Oheim, fuhr der Kalender fort, seinen verbrannten Sohn so geschlagen, fragte ich ihn, ganz außer mir: »Warum schlägst du deinen Sohn noch, der schon so viel gelitten, daß mein Herz ganz betrübt darüber ist?« »Wisse, mein Neffe«, erwiderte er hierauf, »daß mein Sohn von seiner Kindheit an seine Schwester sehr leidenschaftlich geliebt; ich suchte diese Liebe zu vertilgen, doch dachte ich: sie sind ja beide nur noch Kinder. Als sie aber groß geworden und ich hörte, daß sie sich unwürdig betrugen, da ergriff ich meinen Sohn und prügelte ihn so durch, daß ich nicht wußte, wie er es aushalten konnte. Dann warnte ich ihn vor weiteren Fehltritten und sagte ihm:

      »Hüte dich wohl, deiner Schwester zu nahe zu treten, denn Gott hat eine solche Liebe als strafbar erklärt: so etwas würde mich unter allen Regenten auf ewig brandmarken, bis in die entferntesten Länder würde diese Geschichte gebracht werden.« Dann trennte ich seine Schwester von ihm, aber auch ihrer hatte sich der Teufel schon bemächtigt, denn sie erwiderte seine Liebe. Nachdem daher mein Sohn sich von seiner Geliebten getrennt sah, ließ er diese unterirdische Wohnung bauen, einen Brunnen graben und verschiedenen Mundvorrat hierherbringen. Er benutzte den Tag wo ich auf der Jagd war, um mit deiner Hilfe seine Schwester hierherzubringen. Er glaubte wahrscheinlich sie hier lange besitzen zu können, aber Gott war wachsam.« Als mein Oheim diese Erzählung vollendet und lange mit mir geweint hatte, sagte er mir endlich: »Nun wirst du an meines Sohnes Stelle treten.« Dann sprachen wir noch vieles über den Tod meines Vaters und über mein ausgerissenes Auge, sowie überhaupt über die verschiedenen Zufälle des menschlichen Lebens; erst nach vielen vergossenen Tränen stiegen wir wieder die Treppe hinauf, legten die eiserne Platte an ihre Stelle und gingen, ohne daß jemand uns bemerkt hatte, wieder ins Schloß zurück. Wir hatten uns aber kaum dort niedergelassen, als wir einen großen Lärm von Trompeten, Pauken und Trommeln vernahmen, Männertritte, Pferdegewieher, Schellengeklingel und Kampfgeschrei. Schon konnte man vor vielem Staub von der großen Menge Fußvolks und Reiter nichts mehr sehen, wir wurden ganz toll davon. Ich fragte, was es gäbe, und hörte, das derselbe Vezier, der meines Vaters Königreich an sich gerissen, so viel Soldaten zusammengebracht, daß man sie ebensowenig als die Sandkörner der Erde zählen könne, und daß er mit dieser unwiderstehlichen Armee auf einmal auch dieses Land überfallen, ja sich sogar die Hauptstadt ihm schon ergeben habe. Gleich darauf hörte ich, daß mein Oheim ermordet worden, und da ich wußte, daß, wenn ich in die Hände des Veziers fiele, weder ich, noch der Henker meines Vaters dem Tode entgehen würden, ergriff ich die Flucht; da ich aber in diesem Lande so bekannt als die Sonne war, und fürchtete, daß jemand durch meinen Tod sich beim Vezier beliebt zu machen wünschen könnte, blieb mir, nach vielen Tränen, in meiner Verzweiflung nichts anderes übrig, als meinen Bart und meine Augenbrauen abzuscheren und meine prächtigen Kleider mit denen eines Kalenders zu vertauschen. So reiste ich unerkannt als Derwisch hierher, in der Hoffnung, daß vielleicht mein gutes Glück mich mit einem Manne bekannt machen werde, der mich dem Fürsten der Gläubigen, dem Stellvertreter Gottes, vorstelle, damit ich ihn von allem, was mir widerfahren, in Kenntnis setze. Ich kam diese Nacht hier an, wußte aber nicht, wohin ich mich wenden sollte, da begegnete ich dem neben mir sitzenden Kalender, dem ich‘s gleich anmerkte, daß er auch von der Reise komme; ich grüßte ihn also und fragte ihn, ob er auch ein Fremder wäre, was er auch bejahte. Während wir so miteinander sprachen, kam, als wir am Stadttore waren, dieser dritte Kalender, er grüßte uns und sagte, er sei ein Fremder; »auch wir sind hier fremd«, erwiderten wir ihm. So gingen wir dann miteinander in der Stadt herum, ohne zu wissen, wohin, denn es war schon lange Nacht. Nun hat aber ein günstiges Geschick uns hierher gebracht, ihr habt euch so freundlich und wohltätig gegen uns benommen, daß ich mein verlorenes Auge und haarlosen Bart ganz vergessen. Dies aber ist meine Geschichte.«

      Die Wirtin schenkte auch ihm das Leben und hieß ihn gehen; aber auch er wollte noch gerne da bleiben, um die Erzählungen seiner Gefährten zu hören.

      Alle Anwesenden waren höchst erstaunt über die Erzählung des Kalenders; auch der Kalif sagte zu Djafar: er habe in seinem Leben nichts Merkwürdigeres als diese Geschichte gehört.

      Hierauf begann der zweite Kalender seine Geschichte:

      Geschichte des zweiten Kalenders

      Auch ich bin, bei Gott! nicht halbblind geboren, mein Vater war auch ein König, er ließ mich in der Schreibkunst und im heiligen KoranDer Koran ist das vom Engel Gabriel dem Mohammed geoffenbarte Buch. Diese Offenbarung fand aber stückweise statt, und erst unter Abubekr wurden die zerstreuten Bruchstücke gesammelt und unter Othman berichtigt und bekannt gemacht. unterrichten; ich lernte bald dieses erhabene Buch nach allen sieben Lesearten auswendig, ward mit den Lehrern der verschiedenen Sekten bekannt, las theologische Werke mit gelehrten Kommentatoren; dann beschäftigte ich mich auch mit der Grammatik und arabischer Philologie; ich schrieb mit solcher Fertigkeit, daß ich alle meine Zeitgenossen übertraf, ich ward so gelehrt und beredt, daß man in allen Ländern und Weltteilen von mir sprach; alle Könige der Erde lasen meine Schriften. Mein Ruhm war so groß, daß einst der Sultan von Indien meinem Vater einen Boten mit königlichen Geschenken schickte und ihn bitten ließ, mir zu erlauben, daß ich einige Zeit bei ihm zubringen möchte. Mein Vater überschickte mich ihm mit einem Kurier und gab mir sehr kostbare Gegengeschenke mit. Ich reiste mit meinem Begleiter ungefähr einen Monat lang, da sahen wir auf einmal einen furchtbaren Staub vor uns, der uns immer näher kam, bis endlich fünfzig ungeheure Reiter mit furchtbaren Waffen vor uns standen.

      Als wir diese Reiter sahen, fuhr der Kalender fort, wollten wir entfliehen, sie waren aber Straßenräuber, die, als sie unsere zehn mit Geschenken beladenen Kamele sahen, welche ihnen eine reiche Beute versprachen, mit gezogenen Schwertern und ausgestreckten Lanzen auf uns zueilten. Vergebens zeigten wir ihnen an, daß wir Gesandte des mächtigen Sultans von Indien seien; sie sagten: Wir sind nicht auf seinem Gebiete und stehen nicht unter seiner Botmäßigkeit. Dann töteten sie alle unsere Leute, und nur ich allein entfloh, während sie sich mit der Ladung der Kamele beschäftigten. Nun wußte ich aber gar nicht, wohin mich wenden, noch welchen Weg einschlagen, und so wurde ich auf einmal arm und verlassen, nachdem ich so reich und so vornehm gewesen war.

      Nachdem ich den ganzen Tag, ohne zu wissen wohin, herumgeirrt war, erzählte der Kalender weiter, bestieg ich gegen Abend einen Berg und brachte die Nacht in einer Höhle zu. So lebte ich einen ganzen Monat hindurch, bis ich endlich in eine sehr schöne, wohlbefestigte, volkreiche Stadt kam, deren Straßen von Menschen wimmelten. Es war zur Zeit, als der kalte Winter zu Ende gegangen und der Frühling mit seinen Rosen wiedergekehrt; freundlich öffneten sich die Blüten, sanft murmelten die Bäche und lieblich sangen die Vögel; es paßten auf diese Stadt recht gut die Verse eines Dichters:

      »Es ist eine Stadt, deren Bewohner den Schrecken gar nicht kennen, denn die Sicherheit ist ihr Gefährte, sie gleicht einem reichgeschmückten Paradiese, das seinen Bewohnern Wunderschätze öffnet.«

      Ich freute mich, einen solchen Wohnsitz erreicht zu haben, doch ward ich über meinen erbärmlichen Zustand