Sie hatte die letzten Worte noch nicht ausgesprochen, als die Wogen aufrauschten und aus der Tiefe des Meeres ein Scheusal auftauchte, das mit seiner breiten Brust die ganze Wasserfläche umher einnahm. Das Mädchen jammerte laut auf; zugleich sah man Vater und Mutter herbeieilen, beide trostlos, doch in der Mutter Zügen drückte sich noch dazu das Bewußtsein der Schuld aus. Sie umarmten die gefesselte Tochter, aber sie brachten ihr nichts mit als Tränen und Wehklagen. Jetzt begann der Fremdling: »Zum Jammern wird euch noch Zeit genug übrigbleiben; die Stunde der Rettung ist kurz. Ich bin Perseus, der Sprößling des Zeus und der Danae; ich habe die Gorgone besiegt; und wunderbare Flügel tragen mich durch die Luft. Selbst wenn die Jungfrau frei wäre und zu wählen hätte, wäre ich kein verächtlicher Eidam! Jetzt werbe ich um sie mit dem Erbieten, sie zu retten. Nehmet ihr meine Bedingung an?« Wer hätte in solcher Lage gezaudert? Die erfreuten Eltern versprachen ihm nicht nur die Tochter, sondern auch ihr eigenes Königreich zur Mitgift.
Während sie dieses verhandelten, war das Untier wie ein schnellruderndes Schiff herangeschwommen und nur noch einen Schleuderwurf von dem Felsen entfernt. Da plötzlich, das Land mit dem Fuße abstoßend, schwang sich der Jüngling hoch empor in die Wolken. Das Tier sah den Schatten des Mannes auf dem Meere. Während es tobend auf diesen losging, als auf einen Feind, der ihm die Beute zu entreißen drohte, fuhr Perseus aus der Luft wie ein Adler herunter, trat schwebend auf den Rücken des Tieres und senkte das Schwert, mit dem er die Meduse getötet hatte, dem Haifisch unter dem Kopf in den Leib, bis an den Knauf. Kaum hatte er es wieder herausgezogen, so sprang der Fisch bald hoch in die Lüfte, bald tauchte er wieder unter in die Flut, bald tobte er nach beiden Seiten wie ein von Hunden verfolgter Eber. Perseus brachte ihm Wunde um Wunde bei, bis ein dunkler Blutstrom sich aus seinem Rachen ergoß. Indessen troffen die Flügel des Halbgotts, und Perseus wagte nicht länger, sich dem wasserschweren Gefieder anzuvertrauen. Glücklicherweise erblickte er ein Felsriff, dessen oberste Spitze aus dem Meere hervorragte. Auf diese Felswand stützte er sich mit der Linken und stieß das Eisen drei- bis viermal in das Gekröse des Ungetüms. Das Meer trieb die ungeheure Leiche fort, und bald war sie in den Fluten verschwunden. Perseus hatte sich indessen ans Land geschwungen, hatte den Felsen erklommen und die Jungfrau, die ihn mit den Blicken des Dankes und der Liebe begrüßte, der Fesseln entledigt. Er brachte sie den glücklichen Eltern, und der goldene Palast empfing ihn als Bräutigam. Noch dampfte das Hochzeitsmahl, und die Stunden strichen dem Vater und der Mutter, dem Bräutigam und der geretteten Braut in sorgenfreier Eile dahin, als plötzlich die Vorhöfe der Königsburg mit einem dumpfen, brausenden Getümmel sich füllten. Phineus, der Bruder des Königs Kepheus, der früher um seine Nichte Andromeda geworben, aber in der letzten Not sie verlassen hatte, nahte mit einer Schar von Kriegern und erneuerte seine Ansprüche. Den Speer schwingend, trat er in den Hochzeitssaal und rief dem erstaunten Perseus zu: »Sieh mich hier, der ich komme, die mir entrissene Gattin zu rächen; weder deine Flügel noch dein Vater Zeus sollen dich mir entreißen!« So rief er, schon zum Speerwurfe sich anschickend: da hub sich Kepheus, der König, vom Mahle. »Rasender Bruder«, rief er, »welcher Gedanke treibt dich zur Untat? Nicht Perseus raubt dir die Geliebte; sie wurde dir schon damals entrissen, als wir sie dem Tode preisgaben, als du zusahest, wie sie gefesselt wurde, und weder als Oheim noch als Geliebter ihr deinen Beistand liehest. Warum hast du nicht selbst dir den Preis von dem Felsen geholt, an den er geschmiedet war? So laß wenigstens den, der ihn sich errungen hat, der mein Alter durch die Rettung meiner Tochter getröstet, in Ruhe!«
Phineus antwortete ihm nichts, er betrachtete nur abwechselnd mit grimmigen Blicken bald seinen Bruder, bald seinen Nebenbuhler, als besänne er sich, auf wen er zuerst zielen sollte. Endlich nach kurzem Verzuge schwang er mit aller Kraft, die der Zorn ihm gab, den Speer gegen Perseus; aber er tat einen Fehlwurf, und die Waffe blieb im Polster hängen. Jetzt fuhr Perseus vom Lager empor und schleuderte seinen Spieß nach der Türe, durch welche Phineus eingedrungen war, und er würde die Brust seines Todfeindes durchbohrt haben, wenn dieser sich nicht mit einem Sprunge hinter den Hausaltar geflüchtet hätte. Das Geschoß hatte die Stirne eines seiner Begleiter getroffen, und jetzt kam das Gefolge des Eingedrungenen mit den längst von der Tafel aufgestörten Gästen ins Handgemenge. Lang und mörderisch war der Kampf; aber der Eingebrochenen war die Mehrzahl. Zuletzt wurde Perseus, an dessen Seite sich umsonst die Schwiegereltern und die Braut schutzflehend stellten, von Phineus und seinen Tausenden umringt. Die Pfeile flogen an ihnen von allen Seiten vorbei wie Hagelkörner im Sturme. Perseus hatte die Schultern an einen Pfeiler gelehnt und sich so den Rücken gedeckt. Von da zur Heerschar der Feinde gewendet, hielt er den Anlauf der Feinde ab und streckte einen um den andern nieder. Erst als er sah, daß die Tapferkeit der Menge erliegen müsse, entschloß er sich, das letzte, aber untrügliche Mittel, das ihm zu Gebote stand, zu gebrauchen. »Weil ihr mich genötigt«, sprach