Die Nilbraut. Georg Ebers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Ebers
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Leblosen zu Boden, zog ihren Kopf in die Höhe und schaute in das schöne, totenblasse Antlitz der irrsinnigen persischen Sklavin. Sie fühlte, wie das Blut, welches das volle blonde Haar der Unglücklichen tränkte, ihre eigene Hand benetzte, und ein leiser Schauer durchlief sie; doch sie wies Grauen und Ekel von sich, und als sie auch auf dem zerrissenen Peplos dunkle Flecken bemerkte, riß sie ihn ab und sah in der schönen weißen Brust der Unglücklichen klaffende Wunden, die das grausame Gebiß der wütenden Dogge in das zarte Mädchenfleisch geschlagen.

      Da zog sich Paulas Herz vor Zorn und Schmerz und Mitleid zusammen. Er, den sie gestern noch für den Inbegriff aller männlichen Vollkommenheit gehalten, Orion, war schuld an dieser Unthat! Und er, von dessen rücksichtslosem, tollkühnem Mut sie so viel vernommen, wie ein Feigling war er geflohen, hatte er das Opfer im Stich gelassen, das er zweimal zu Grunde gerichtet. Aber es galt hier anderes, als klagen und grollen und sich fragen, wie in desselben Menschen Seele neben so viel Hohem und Schönem so Schändliches, Ruchloses Platz finden könne.

      Nur retten galt es hier, Hilfe schaffen; denn Mandanes volle Brust hob und senkte sich noch leise unter ihren bebenden Fingern.

      Des Freigelassenen braves Herz hatte ihn bei ihr und der Verwundeten zurückgehalten, und nun warf er die Schuhe, die er bis dahin in der Hand gehalten, zu Boden, hob er die Bewußtlose auf, lehnte er sie an eine der Säulen, die den Raum rings umgaben. Erst auf einen neuen Befehl seiner Herrin eilte er ins Freie.

      Paula blickte ihm nach, und sobald sie das schwere Thor des Atriums zufallen hörte, rief sie, ohne auf ihre eigene bedenkliche Lage zu achten, so laut und gellend um Hilfe, daß es weithin durch die nächtliche Ruhe des Hauses hallte und bald von hier, bald von dort her ein Sklave, eine Magd, ein Beamter, ein Koch, ein Wächter herbei geeilt kamen.

      Als erster von allen und so bald, daß er sich bei ihrem Ruf schon unterwegs befunden haben mußte, erschien auch Orion. Das leichte Nachtgewand, das er trug, sollte, so sagte sie sich, dem Schändlichen das Ansehen geben, als habe er eben das Lager verlassen. Und war er es denn wirklich? War dieser Mensch mit dem hochgeröteten Antlitz, den starren Augen, dem wirren Haar und der heiseren Stimme derselbe Liebling der Schickung, dessen freudiges Wesen, dessen sichere Haltung, dessen sonniger Blick und herzbestrickender Gesang ihr die Seele bezaubert? Wie die Hände ihm zitterten, da er ihr und der Verwundeten näher trat, wie gemacht und verlegen die Frage klang, was hier geschehen sei, und wie scheu er sie anblickte, als er zu wissen begehrte, was sie zu so später Stunde in das Vorhaus geführt!

      Sie blieb ihm die Antwort schuldig; wie aber bald daraus seine Mutter dieselbe Frage in scharfem Ton an sie richtete, erwiderte sie, der noch keine Lüge über die Lippen gekommen, rasch und entschieden: »Ich konnte nicht schlafen. Hundegebell und Klagegeschrei trieben mich herunter.«

      »Das nenn’ ich mir feine Ohren!« versetzte Neforis und zuckte ungläubig die Achseln. »Jedenfalls solltest Du später bei ähnlichen Anlässen weniger schnell bei der Hand sein. Seit wann verläßt sich ein Mädchen, wenn Mordio gerufen wird, allein auf sich selbst?«

      »Wenn Du Dich wenigstens bewaffnet hättest, schöne Heldentochter,« fügte Orion hinzu, aber sobald er es gesagt hatte, bereute er es bitter; denn mit welchem Blick schaute Paula ihn an! Sie fand es unerträglich, sich von ihm, gerade von ihm und in dieser Stunde — es geschah zum erstenmal — neckisch, fast spöttisch angeredet zu hören und in dieser Weise an ihren Vater erinnert zu werden, und so entgegnete sie stolz und mit schneidender Schärfe: »Das Waffentragen überlaß ich den Kriegern und Mördern!«

      »Den Kriegern und Mördern,« wiederholte Orion, der sich das Ansehen gab, den Sinn dieser Worte nicht zu verstehen, mit einem gezwungenen Lächeln, dann aber fuhr er in dem Gefühl, sich wehren zu müssen, bitter fort: »Wahrhaftig, das klingt, als käm’ es aus dem Munde eines weichherzigen Mädchens! Aber ich bitte Dich, näher zu treten und Dich zu beruhigen. Diese traurige Wunde hier an der Schulter des armen, elenden Geschöpfes — mir geht sie näher als Dir, Du darfst es glauben — hat doch wohl nur ein vierfüßiger Mörder, dem die Waffen angewachsen sind, geschlagen. Ja, so verhält sich’s! Der zottige Beki hält Wache vor dem Tablinum. Wie die Aermste hieher gekommen ist, weiß ich nicht, aber jedenfalls hat er sie gewittert und dann überfallen.«

      »Oder doch nicht!« unterbrach ihn Frau Neforis und hob ein Paar Männerschuhe auf, die neben der Leidenden am Boden lagen.

      Da wurde Orion leichenfahl, nahm der Mutter ihren Fund schnell aus der Hand und hätte die Schuhe am liebsten durch die offene Decke ins Freie geschleudert. Wie kamen sie hieher? Wem gehörten sie? Wer war in dieser Nacht hier gewesen? Bevor er sich in das Tablinum begeben, hatte er die Thür des Vorhauses verschlossen und war später wieder dahin zurückgekehrt, um sie für die Leute draußen zu öffnen. Erst nachdem er dies vollbracht hatte, war er von der Irrsinnigen überfallen worden, die ihm schon vor seinem ersten Gang in das Atrium dort aufgelauert haben mußte und damals vielleicht nur nicht den Mut gefunden hatte, ihm in den Weg zu treten. Während sie auf ihn gestürzt war, hatte der Hund sie niedergerissen, bevor er es verhindern konnte; ja, er wäre ihr sicher gleich beigesprungen und hätte ihr Hilfe gebracht, wenn er dadurch nicht sein Eindringen in das Tablinum verraten haben würde. Es war Geistesgegenwart genug von ihm gewesen, auf sein Zimmer zu eilen, sich das Nachtgewand überzuwerfen und zu der Schreckensstätte zurückzukehren. Als Paula zu rufen anhob, war er schon auf dem Weg zu der Verwundeten gewesen, und mit welchen Gefühlen!

      So wirr, so zerfahren, so tief unzufrieden mit sich selbst hatte er sich noch nie gefühlt, und es begegnete ihm heute Paula gegenüber zum erstenmale, einem Mitmenschen nicht in die Augen sehen zu können!

      Und nun diese Schuhe! Ihr Besitzer mußte die Irrsinnige begleitet haben, und hatte er ihn in das Tablinum gehen sehen und verriet er das, was er dort gethan, wie konnte er dann den Eltern wieder unter die Augen treten? Wie ein guter Spaß war es ihm erschienen, und nun verkehrte es sich in bitteren Ernst. Aber er wollte, mußte die Entdeckung seines nächtlichen Ganges verhindern! Lieber neues Unrecht, auch das schwerste begehen, als seine Ehre antasten lassen. Wem wohl die Schuhe gehörten? Hastig hob er sie hoch in die Höhe und rief mit lauter Stimme: »Gehören diese Sohlen einem von euch, ihr Leute; dem Thorhüter etwa?«

      Als alles schwieg und der Pförtner seine Frage verneinte, blieb er sinnend stehen und fuhr mit trotzigem Blick und heiserer Stimme fort: »Dann hat sie ein überraschter Einbrecher fallen lassen. Unser Hausstempel steht hier auf dem Leder; sie sind in unserer Werkstätte gemacht, und sie riechen — überzeug Dich, Sebek — sie riechen noch nach dem Stall. Nimm sie an Dich, Mann; morgen früh werden wir ja sehen, wer uns dies verdächtige Geschenk in die Vorhalle legte. Du bist die erste hier am Platze gewesen, schöne Paula. Hast Du keinen Mann hier bemerkt?«

      »Doch,« entgegnete sie und schaute ihn feindselig und herausfordernd an.

      »Und wohin entwich er?«

      »Er kreuzte hastig, wie ein fliehender Feigling das Viridarium, lief, um schneller vorwärts zu kommen, über den armen, schönen Rasen und verschwand in den Wohnräumen drüben!«

      Orion kniff bei diesen Worten die Zähne zusammen und ein wilder Haß gegen dies Rätsel in Frauengestalt, in dessen Hand es zu liegen schien, ihn zu verderben, und aus dessen Augen ihm Groll und der Wille, ihm zu schaden, entgegenblitzten, flammte in ihm auf. Was führte sie gegen ihn im Schilde? Wie konnte ein Mensch auf Erden es wagen, ihn, den von groß und klein Verwöhnten — so, so... Ja es hatte nicht nur Abneigung, es hatte auch Verachtung in ihrem Blicke gelegen — ihn so anzuschauen? Wer in der ganzen Welt war berechtigt, ihm etwas vorzuwerfen, was diese Empfindung gerechtfertigt hätte? — Nie, nie war ihm ähnliche Feindseligkeit begegnet, und am wenigsten von seiten eines Mädchens. Er hätte das hochfahrende, kaltherzige, ungerechte Geschöpf, das ihm solche schmähliche Demütigung anthat, nachdem er ihm gezeigt, daß sein Herz sich ihm zuneige, das ihn, den Mann mit dem hundertfach bewährten Mute, zwang, es zu fürchten, zerschmettern mögen, und er mußte gewaltsam an sich halten, um nicht zu vergessen, daß es ein Weib sei. — Was war das nur alles? Welch ein Dämon trieb hier sein tückisches Spiel? Was hatte ihn in einer halben Stunde so verändert, daß sein ganzes inneres Wesen ihm selbst wie umgekehrt vorkam und man ihm so begegnen durfte?

      Seine Mutter bemerkte die schreckliche Wandlung sogleich, welche