Mehrmals war ich während eines solchen Sturms in den Baracken, und zwar hinter verhangenen Fenstern und Türen, doch wagte ich dann kaum zu sprechen, aus Furcht, die sandigen Zähne auf empfindliche Weise aneinander zu reiben. Niemand litt mehr bei solchen Gelegenheiten als unser guter Dr. Newberry; derselbe hatte eben erst eine schwere Krankheit überstanden und war infolgedessen genötigt, noch auf dem Fort zu wohnen, während wir übrigen uns in unserem geschützten Lager den quälenden Stürmen einigermaßen entziehen konnten. Die Besatzung schien sich an dergleichen Unbequemlichkeiten gewöhnt zu haben oder verstand es auch, auf gebührende Weise den sich im Gaumen ansammelnden Staub hinunterzuspülen.
So wie damals behaupte ich auch jetzt, daß das Beste an Fort Yuma die Aussicht ist, die man bei günstigem Wetter von seinen Höhen aus genießt. Wie in einem großartigen Panorama erblickt man ringsum Gebirge, Wüsten und Wasserspiegel, die miteinander abwechseln. Den Lauf des Colorado vermag man weithin zu verfolgen; gegen Norden, bis ihn eine neidische Hügelkette dem Auge entzieht, gegen Süden bis dahin, wo sich der Horizont auf sein flaches Tal senkt. Gegen Osten begrenzt eine ferne Bergkette die Aussicht, und von dieser schlängelt sich der Gila dem Colorado zu. Im Norden und Westen endlich erblickt man die riesenhaften Säulen und Türme der Dombergkette, deren wunderliche Formationen eine entfernte Ähnlichkeit mit den Außenlinien der Mirage in der Wüste zeigen. Das höchste dieser merkwürdigen Gebilde ist der Chimney Peak oder Schornsteinfelsen, von den Indianern »A-melle-e-quette« genannt. Vom Fort aus gesehen erscheint er in der Entfernung von ungefähr fünfundzwanzig Meilen als eine Säule, die nach oben an Umfang verliert, doch hatte ich später Gelegenheit, ihn von einer anderen Seite als eine wunderbar prachtvolle Felsmasse wieder zu beobachten, die sich aus der Ferne mit den Ruinen eines mächtigen Schlosses vergleichen ließ. Am auffallendsten wegen seiner Formen ist der Felsen, der unter dem Namen »Capitol Dome« oder »Ar-with-a-que« bekannt ist. Die Wände desselben sind so senkrecht und so regelmäßig gerundet, daß man aus der Ferne einen Turm von riesigem Umfang vor sich zu sehen glaubt. Zahlreiche kleinere und größere Gebilde dieser Art zieren die Bergkette, die sich in weitem Bogen von Osten nach Westen erstreckt und das Rundgemälde gegen Norden hin abschließt. Innerhalb der hier angegebenen Grenzen nun erblickt man flaches Land, das mit vollem Recht als eine dürre Wüste bezeichnet werden kann, denn der Colorado und der Gila, deren Ufer reich mit grünschimmernden Weiden bewachsen sind, befruchten nur einen geringen Teil der vielen Quadratmeilen, die man vom Fort aus zu übersehen vermag.
Gerade unterhalb der Mündung des Gila sind die Fähre und der Landungsplatz der Dampfboote angelegt worden. Es klingt sonderbar, und doch befindet sich hier nicht nur ein Landungsplatz, sondern es gibt auch zwei große, sehr hübsch angestrichene Flußdampfer, deren einzige Arbeit vorläufig ist, die für die Truppen des Forts bestimmten Güter von der Mündung des Flusses heraufzuschaffen.
Die Ländereien nahe am Zusammenfluß der beiden Ströme sind schon in die Hände der Spekulanten übergegangen, und da infolgedessen auch schon Städte vermessen und ausgelegt wurden, so kann es den Eigentümern wohl kaum verdacht werden, daß sie alles aufbieten, Einwohner dorthin zu ziehen. Zu diesem Zweck heißt es unter anderem in den Zeitungen: »Merkwürdig günstige Gelegenheit, in kurzer Zeit ohne Arbeit reich zu werden.« Der Titel hat schon sehr viel für sich, denn nicht nur in Kalifornien, sondern auch in anderen Ländern gibt es Menschen genug, die recht gern auf dergleichen Anerbieten eingehen. Doch weiter: »In dem paradiesischen Landstrich, der vom Colorado und dem Gila, zwei Strömen ersten Ranges, zugleich bewässert wird, bietet sich Emigranten sowie schon ansässigen Geschäftsleuten willkommene Gelegenheit, sich für ein Geringes einen unantastbaren Besitztitel über Baustellen in der aufblühenden Stadt »Colorado City«, und über ausgedehnteres Grundeigentum zu erwerben. Zur Bequemlichkeit der Zuziehenden sind zwei prachtvoll eingerichtete Dampfboote bei Fort Yuma stationiert worden, die zu jeder Stunde bereit sind, Güter von der Mündung des Flusses nach Colorado City und ebenso von der Stadt zurück an die Mündung zu schaffen, wo der weitere Verkehr durch Segelschiffe und später durch Seedampfer aufrechterhalten wird. Das Klima in dortiger Gegend ist überaus gesund, der Winter ist mild und die fast täglich aufspringenden Seewinde bringen einige Veränderung in die warme Sommerzeit.«
Es läßt sich nicht leugnen, daß durch dergleichen prahlerische Anzeigen mancher verlockt wird, einen Blick auf diesen sogenannten paradiesischen Landstrich zu werfen, seltener gerät indessen jemand in die Versuchung, sich einen Besitztitel zu kaufen, denn es gibt am Colorado in dieser Beziehung doch mancherlei zu überlegen und zu bedenken. So bestand zur Zeit meiner Anwesenheit in Fort Yuma die regelmäßig angeführte »Colorado City« aus einem einzigen Zelt, und zwar dem unsrigen, das wir zufällig in der Hauptstraße am Fluß aufgeschlagen hatten und das also nicht lange eine Zierde der aufblühenden Stadt bleiben sollte. Bei der Anzeige von der Bequemlichkeit der Dampfboote war es verabsäumt worden, die sehr unbequemen Frachtpreise mit hinzuzufügen, dagegen hatte es mit dem »weiteren Verkehr durch Segelschiffe« seine Richtigkeit, denn alle zwei Monate landete an der Mündung des Colorado ein kleiner Schoner. In der Beschreibung des Klimas hatte man nur der Sandstürme nicht gedacht oder auch dieselben auf mildernde Weise in angenehme Seebrisen umgewandelt, die es allerdings nicht an Veränderungen fehlen lassen. Dies ist aber der Anfang fast aller neu zu gründenden Ansiedlungen in Amerika, Scharlatanerie spielt die Hauptrolle; sollten aber an dem oberen Colorado einst reiche Silber- und Goldminen entdeckt werden, was gar nicht unwahrscheinlich ist, so würde der Landstrich, dessen Mängel ich eben mit grellen Farben hervorzuheben suchte, bald das Bild eines regen Weltverkehrs zeigen.
Wie das ganze südlichere Kalifornien vielfach von heftigen Erdbeben erschüttert wird, so scheinen besonders Fort Yuma und seine Umgebung den Störungen unterworfen zu sein. Ohne der zahlreichen Stöße und Schwingungen gedenken zu wollen, die sich oft Monate hindurch täglich wiederholen, gebe ich hier nur die Beschreibung des großen Erdbebens vom 9. November 1852, wie es von dem damaligen Kommandeur des Postens, Major Heintzleman, beobachtet worden ist. »Die erste Erschütterung stürzte einen Teil des Chimney Peak hinunter und öffnete große Risse und Spalten in den Lehmschichten nahe der Wüste. Zur selben Zeit wurde in der Entfernung von ungefähr vierzig Meilen in der Wüste eine Dampfsäule sichtbar. Als ich einige Wochen später diese Stelle besuchte, fand ich daselbst einen neu entstandenen Schlammvulkan in voller Tätigkeit. Wolken von Dampf, untermischt mit schwarzem Schlamm, wurden fortwährend bis zu einer Höhe von dreißig bis vierzig Fuß emporgeschleudert. Der Krater befand sich in einem seichten Becken, das teilweise mit Wasser angefüllt war und einen Teich von der Größe einiger Morgen bildete. Das Wasser hatte eine Temperatur von 108° Fahrenheit und wurde bei jeder neuen Explosion mit Heftigkeit in Wellen zurückgetrieben. Zahlreiche kleine Kegel warfen, ähnlich den Lokomotiven, in kurzen Absätzen Dämpfe aus, und in einem dieser letzteren, wo auch Gas hervorbrach, war die Temperatur 170° Fahrenheit. Ein anderer Schlammvulkan wurde zu derselben Zeit im nordwestlichen Teil der Wüste sichtbar, und Staubwolken erhoben sich während der Haupterschütterung an vielen Stellen der Ebene.«
Die Bevölkerung um Fort Yuma besteht, wie es sich nicht anders erwarten läßt, noch größtenteils aus Eingeborenen, und es sind namentlich die Yuma-Indianer, die man dort noch häufig in großer Anzahl zusammenfindet. Das eigentliche Gebiet dieses Stammes ist das Tal des unteren Colorado; es beginnt ungefähr achtzig Meilen oberhalb der Mündung des Gila und erstreckt sich von da bis nahe an den Golf von Kalifornien, wo die Nation der Cocopa-Indianer beginnt. Diese letzteren bildeten früher zusammen mit den Maricopas, die jetzt unter den Pimos am Gila leben, einen Stamm, bis bei Gelegenheit der Wahl eines Häuptlings Zank unter ihnen ausbrach, der sich allmählich in tödliche Feindschaft verwandelte. Die Cocopas haben sich seit jener Zeit mit den Yumas und den weiter nördlich wohnenden Stämmen des Coloradotals verbündet und leben fortwährend in einem blutigen Krieg mit den Gila-Nationen.
Als wir den Colorado erreichten, herrschte noch tiefe Trauer unter den Yumas, veranlaßt durch eine empfindliche Niederlage, die ihnen und ihren Verbündeten durch die Pimos — und noch dazu im Feindesland — beigebracht worden war. Unter den Colorado-Stämmen war nämlich lange vorher ein Einfall in die Dörfer der Pimos verabredet und vorbereitet worden. Alles schien nach Wunsch zu gehen; die blutdürstige Bande gelangte — wie sie glaubte, ohne entdeckt zu