Mit der tropischen Taufe erhob sich aber auch eine recht frische Brise und am Nachmittag kamen wir in Sicht eines Segels. Es war die englische Fregatte Agincourt, Capitän Risbett, jetzt zum Packetschiff zwischen Calcutta und London benutzt, die dicht an uns heransegelte und zu unser aller Freude, ein Boot an Bord sandte. Glücklich alle die, welche für solchen Fall Briefe in die Heimath vorbereitet hatten. Der Agincourt war am 27. Januar von Calcutta aus gesegelt, und kam mit dem Südostpassat in sieben Tagen von Helena. An Bord hatte er viele deutsche Passagiere vom Cap der guten Hoffnung, und diese ließen uns durch den Secondelieutenant, einen liebenswürdigen jungen Mann, der zu uns an Bord kam, um deutsche Zeitungen bitten. Capitän Meyer sandte ihnen ein ganzes Packet und ich hätte nur dabei seyn mögen, wie sie bei der Rückkunft des Bootes darüber herfielen.
Am 25. fingen wir, trotz der langen vorhergegangenen Windstille, in der sich Haifische doch sonst so gern zeigen, den ersten Hai – es war ein Bursch von circa 5 Fuß Länge und so gierig, daß er, obgleich er einmal schon halb aus dem Wasser vom Haken wieder abfiel, doch ungesäumt und förmlich wüthend zu ihm zurückkehrte, ihn einschlang und nun unter Jubelgeschrei an Bord gezogen wurde, wo er nicht wenig um sich her schlug und die Neugierigen bald in ehrfurchtsvolle Ferne zurückwies. Am Abend ließ ich seinen Schwanz, den besten Theil des Fisches, braten – das Fleisch war delicat und schmeckte besonders gut kalt mit Essig und Pfeffer.
Unter dem zweiten Grad südlicher Breite trafen wir den vollen Südostpassat, der uns jetzt mit schwellenden Segeln der brasilianischen Küste entgegenführt.
Erst in der Breite von Cap Frio, unfern der brasilianischen Küste sollte unser monotones Leben in etwas unterbrochen werden. Ein sehr heftiger Pampero nämlich – ein Sturm auf den ich schon später näher zu sprechen kommen werde, und der hauptsächlich am La Plata wüthet, hatte seine gewöhnlichen Grenzen einmal ein wenig ausgedehnt, und wehte hier eben noch mit so fürchterlicher Kraft, daß mehre Schiffe an der Küste verunglückt seyn sollen und ein portugiesisches Kriegsschiff, dicht vor dem Hafen von Rio de Janeiro, alle drei Masten verlor. Wir bekamen tüchtig eins »auf die Mütze«, und arbeiteten mehren Tage unter dicht gereeften Marssegeln gegen den Sturm an. Außerdem übrigens, daß wir ein wenig umhergeworfen und aufgehalten und viele der Passagiere wieder seekrank wurden, hatten wir weiter keine bösen Folgen zu tragen.
Am 11. Mai sahen wir Morgens, nachdem wir in der Nacht vergebens nach dem für dort angegebenen Leuchtfeuer ausgeschaut, Cap Frio und liefen von hier aus, die pittoresken Küstengebirge Brasiliens fortwährend in Sicht, südwärts, dem Hafen von Rio de Janeiro entgegen. Der Wind war dabei günstig, und die Küstenberge sind so hervorragend und scharf abgezeichnet, daß ein Vorbeilaufen des Hafens, noch dazu bei klarem Wetter, kaum vorkommen kann, dennoch machte es Capitän Meyer, trotz der zeitigen Warnung des alten Steuermanns Schnell möglich. Noch vor Dunkelwerden war ich mit dem Capitän oben auf der Vor-Mars-Raae, und er zeigte mir von dort aus eine vor uns liegende kleine Insel, die er mir als den Hafen von Rio gerade gegenüber beschrieb. Als wir aber Abends, gerade nach Dunkelwerden, beim Thee saßen, kam der Steuermann herein und berichtete, daß eben dwars über zu starbord das Feuer von Raza, das gleich unter dem Eingang des Hafens brennt, sichtbar würde, und unser Capitän sprang etwas bestürzt nach oben.
Es war in der That so; wir gingen zwar augenblicklich mit dem Schiff herum, Strömung und Wind aber gegen uns, hatten wir den günstigen Augenblick schon verpaßt, und mußten nun noch bis zum nächsten Abend, also volle vier und zwanzig Stunden aufkreuzen, in den Hafen endlich einzulaufen.
Am 12. Mai Nachmittags hatten wir das ganze prachtvolle Panorama, das den schönsten Hafen der Welt umschließt, vor uns, und schon konnten wir den »Zuckerhut«, der als treffliche Landmarke das linke Ufer des Eingangs bildet, unterscheiden. Je mehr wir uns dem Lande näherten, desto deutlicher traten die einzelnen Gruppen, endlich die Umrisse der Vegetation und zuletzt sogar das so lang entbehrte, lebende Grün der Bergrücken und Wälder, aus denen hochstämmige Palmen aufragten, hervor; an den beiden kleinen Inseln Paya und Maya (Vater und Mutter) segelten wir dicht vorüber, und erreichten gerade nach Sonnenuntergang den Platz von dem wir, wäre es hell gewesen, alles hätten überschauen können, was das Auge in dieser neuen Welt überrascht und entzückt.
Unter den Tropen folgt aber dem Sonnenuntergang auch fast augenblickliche Nacht, und als wir vom Fort Santa Cruz angerufen oder vielmehr angebrüllt wurden (denn die Stimme klang als ob sie aus der Unterwelt käme), lag schon tiefe Nacht auf dem Meere, und nur unzählige Lichter verriethen die Nähe einer volkreichen Stadt, eines belebten Hafens.
Nachdem sich unser Cargadeur, welcher der portugiesischen Sprache mächtig war, eine Zeitlang mit dem Befehlshaber des Forts in solchen »unintelligible roars« wie sie Boz so treffend nennt, unterhalten, und keiner vom andern, wie ich fest überzeugt bin, ein Wort verstanden hatte, glitt unser Fahrzeug an vielen andern dort vor Anker liegenden dicht vorüber, wobei wir eines der Schiffe so dicht passirten, daß man eine Mütze hätte an dessen Bord werfen können. Wenige herüber und hinüber gerufene Worte sagten uns, daß es ein Landsmann sey – die Hamburger Brigg Merk oder Merks, Capitän Valentin, und ein donnerndes Hurrah begrüßte die Landsleute. Gleich darauf ließen auch wir den Anker fallen.
Es war bis dahin an Bord die Befürchtung ausgesprochen, daß die Passagiere der fremden Schiffe ohne einen vom brasilianischen Consul in Deutschland visirten Paß zu haben, nicht würden ans Land gelassen werden; glücklicherweise zeigte sich das aber anders, denn als am nächsten Morgen das sogenannte Visitenboot zu uns an Bord kam, wurde uns bald die summarische Erlaubniß zu Theil, so rasch und so zahlreich an Land zu fahren, wie wir nur wollten. Man kann sich denken, daß wir schnell genug davon Gebrauch machten, und es dauerte nicht lange, so ruderten wir (am 13. Mai Morgens), im herrlichsten Sonnenlicht, dem freundlichen Ufer entgegen. »Brasilien ist nicht weit von hier,« sangen einige, und alle freuten sich der prachtvollen Natur, die uns umgab.
Der Hafen von Rio de Janeiro ist übrigens schon zu oft beschrieben, als daß ich noch einmal etwas versuchen sollte, was eigentlich doch unmöglich ist – diese Naturschönheiten – die stille Bay, die am Ufer bald zerstreuten, bald zu Massen zusammengedrängten Gebäude, die hohen, bald schroffen, bald mit der herrlichsten Vegetation bedeckten Hügel und Gebirge, die zahlreichen Schiffe und Boote, die Flaggen aller Länder und Welttheile, die Forts und Bastionen mit ihren Kirchen und Kanonen – das alles läßt sich wohl schildern und ausmalen, aber dem Leser einen wirklichen Begriff, ein treues Bild davon zu geben, das, glaub ich, ist rein unmöglich.
2. Rio de Janeiro
Die Stadt selber, – und mit wie Manchem auf der weiten Gottes Welt geht es nicht ebenso – verliert indessen gewaltig, wenn man erst ihre nähere Bekanntschaft macht. Die Straßen sind, mit wenigen Ausnahmen, eng und schmutzig, und die Masse der Sklaven, mit ihren unzähligen farbigen Abstufungen, die dem Auge überall in den Weg tritt, macht einen zu widerlichen Eindruck auf den Europäer, ihn, in dem scharfen Kontrast nicht selbst die herrliche Natur – der man übrigens in den schmalen Straßen auch fast entrückt ist – vergessen zu machen.
Im Hafen von Rio de Janeiro lagen Massen von Fahrzeugen; so stark ich aber auch die schon begonnene Auswanderung nach Californien vermuthet haben mochte, so hatte ich doch nie geglaubt, daß eine solche Anzahl von Schiffen dahin bestimmt seyn könnte, wie sie schon, mit Passagieren, diesen Port berührt hat, und noch, fast jeden Tag, berührt. Besonders viel amerikanische Schiffe lagen im Hafen von Rio, und die Bewohner der Stadt sind so daran gewöhnt, in jedem Fremden einen kalifornischen Candidaten zu finden, daß vorzüglich die Neger ohne Unterschied schon von weitem jedem etwas fremdartig aussehenden Mann ihr »Californier« entgegenrufen – und sie begehen selten einen Irrthum.
Wo wir gingen und standen tönte uns der Ruf: »oho Californier!« nach,