Von Bagdad nach Stambul. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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nicht nur dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und wird fürchterlich gerächt. Hüte dich, jemals in die Hände der Bebbeh zu fallen; du müßtest unter entsetzlichen Martern sterben!«

      In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abteilungen gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Tiere erschießen. Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die Büchse.

      »Schießen?« fragte Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.

      »Ja. Die Pferde weg.«

      »Yes! Interessant! Viel Geld wert!«

      Ich bat noch, nicht eher loszudrücken, als bis jeder sicher sei, nicht den Mann, sondern das Pferd zu treffen.

      Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in Schußweite, als sie unsere Absicht zu ahnen begannen. Anstatt zerstreut abzuschwenken, hielten sie an.

      »Fire!« kommandierte Master Lindsay.

      Obgleich die Araber das englische Wort nicht verstanden, wußten sie doch, was es zu bedeuten habe. Wir drückten ab, ich und Lindsay noch einmal, und bemerkten sofort, daß kein Fehlschuß gefallen war: – die sechs Pferde bildeten mit ihren Reitern auf dem Boden einen Knäuel, dessen Entwirrung abzuwarten, es uns leider an der nötigen Zeit gebrach.

      Nun stiegen wir wieder zu Pferde. Bald blieben die Verfolger weit zurück, und nach einer Weile befanden wir uns allein auf der Ebene.

      Diese erreichte jedoch sehr bald ihr Ende. Es erhoben sich Berge vor uns, und auch von den Seiten traten Höhen zu uns heran. Wir hielten unwillkürlich die Pferde an, ohne uns irgend ein Zeichen dazu gegeben zu haben.

      »Wohin?« fragte Mohammed.

      »Hm!« brummte ich.

      Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende Richtung gewesen, wie jetzt.

      »Ueberlege, Emir!« sagte Amad. »Wir haben jetzt Zeit. Unsere Pferde mögen sich verschnaufen.«

      »Ebenso leicht könnte ich sagen, ihr sollt überlegen,« antwortete ich. »Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden, aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa, Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach Sulimania bringen – —«

      »Dahin gehen wir nicht!« unterbrach mich Mohammed Emin.

      »So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von dem wir gestern abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, den wir eine Tagreise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter Banna in die Berge zu kommen.«

      »Ich stimme bei,« sagte Mohammed.

      »Dieser Fluß hat für uns auch den Vorteil, daß er Persien von dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je nachdem es unsere Sicherheit erfordert.«

      Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Täler wechselten in immer größerem Gegensatze. Am späten Nachmittag befanden wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.

      »Hier wohnt jemand, Sihdi,« meinte Halef.

      »Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann. Ich werde mir ihn ansehen; bleibt bis dahin hier halten!«

      Ich stieg ab und schritt auf das Häuschen zu. Es war aus Steinen erbaut, deren Ritzen man mit Moos verstopft hatte. Das Dach wurde von einer mehrfachen Lage dichter Zweige gebildet, und die Türöffnung war so niedrig, daß kaum ein Kind aufrecht eintreten konnte.

      Als meine Schritte im Innern des primitiven Bauwerkes zu hören waren, erschien an der Tür der Kopf eines Tieres, das ich für einen Bären hielt; bald aber überzeugte mich die Stimme dieses zottigen Geschöpfes, daß ich es mit einem Hund zu tun habe. Dann erklang von innen ein scharfer Pfiff, und an Stelle dieses Kopfes erschien ein zweiter, den ich beim ersten Anblick ebensowenig zu klassifizieren vermochte. Ich sah nämlich weiter nichts als Haare, die verworrener gar nicht gedacht werden konnten, und eine tiefschwarze, breite Nase und zwei funkelnde Aeuglein, die denen eines zornigen Schakals glichen.

      »Ivari ‚l ker – guten Abend,« grüßte ich.

      Ein tiefes Brummen antwortete.

      »Wohnst du allein hier?«

      Das Brummen stieg noch um einige Töne tiefer.

      »Gibt es noch andere Häuser hier in der Nähe?«

      Jetzt wurde das Brummen wahrhaft fürchterlich; ich glaube, die Stimme dieses Geschöpfes reichte wenigstens bis zum großen C herab. Dann kam die Spitze eines Spießes zum Vorschein – sie ward immer weiter hervorgeschoben, bis sie sich grad vor meiner Brust befand.

      »Komm heraus!« bat ich im höflichsten Tone.

      Wahrhaftig, das Brummen stieg noch eine kleine Terz tiefer, also Contra-A, und die Spitze der Waffe zielte grad auf meine Kehle. Das war mir denn doch zu ordnungswidrig. Ich faßte also den Spieß und zog. Der rätselhafte Bewohner der Hütte hielt seine Waffe fest, und da er mir nicht gewachsen war, so zog ich ihn aus der Türe: erst das Haargestrüpp mit der schwarz glänzenden Nase, dann zwei Hände von ganz derselben Farbe und mit breiten Krallen; hierauf folgte ein zerlöcherter Sack, ähnlich denen, worin unsere Kohlenhändler ihre Ware aufzubewahren pflegen, dann zwei schmierige Lederfutterale, parallel miteinander, und endlich zwei Gegenstände, über die ein anderer sicher im unklaren geblieben wäre, die ich als Scharfsinnigster der Scharfsinnigen infolge ihrer Umrisse sofort als die Stiefel erkannte, die der Koloß von Rhodus einmal getragen haben mußte.

      Sobald diese Stiefel die Tür passiert hatten, richtete sich das Wesen vor mir empor, und nun hatte auch der Hund Platz genug, sich in ganzer Figur zu zeigen. Auch bei ihm sah man nur einen jedem Gleichnis spottenden Haarfilz, eine schwarze Nase und zwei Augen, und beide Kreaturen schienen sich mehr vor mir zu fürchten, als ich vor ihnen.

      »Wer bist du?« fragte ich jetzt im barschesten Tone.

      »Allo[17]!« brummte es, aber es waren doch menschliche Laute.

      »Was bist du?«

      »Kümürdar[18]

      Ah, das war also die einfache Erklärung der schwarzen Nase und der dito Hände; aber diese Nägel brauchte er sich doch nicht wachsen zu lassen. Ich merkte, daß ihm meine Barschheit imponierte. Er war ganz zusammengeknickt, und auch sein Hund zog den Schwanz ein.

      »Gibt es hier noch Leute?« erkundigte ich mich weiter.

      »Nein.«

      »Wie lange muß man gehen, um zu Menschen zu kommen?«

      »Mehr als einen Tag.«

      »Für wen brennst du die Kohlen?«

      »Für den Herrn, der Eisen macht.«

      »Wo wohnt er?«

      »In Banna.«

      »Du bist ein Kurde?«

      »Ja.«

      »Bist du ein Dschiaf?«

      »Nein.«

      »Ein Bebbeh?«

      »Nein.«

      Aber bei diesem Worte spuckte er mit einem sehr feindseligen Räuspern aus. Diese ästhetische Anstrengung erregte, wie ich leider gestehen muß, unter den gegenwärtigen Umständen meine innerste Sympathie.

      »Zu welchem Stamme gehörst du denn?«

      »Ich bin ein Bannah.«

      »Blick einmal da hinüber, Allo! Siehst du die


<p>17</p>

Kurdische Zusammenziehung des Namens Allahverdi.

<p>18</p>

Köhler.