Er warf sich bei diesen Worten auf die Erde nieder.
»Ihr habt den Kolben schon einmal gefühlt,« antwortete ich. »Er wird Euch auch dieses Mal zum Gehorsam bewegen.«
»Versucht es doch! Stoßt mich, schlagt mich! Ich bleibe hier und laß mich lieber zu schanden schlagen, als daß ich weiter gehe. Wir sind noch nicht zu weit von Almaden und von meinen Yumas. Sie werden nach mir suchen; sie werden unsere Fährte finden und uns folgen; dann werden sie Euch erwischen und mich befreien.«
»Denkt Euch das letztere nicht gar so leicht! Daß dies so ist, werde ich Euch beweisen, indem ich Euch nicht zum Weitergehen zwinge. Wir werden also hier bleiben und die Ankunft Eurer Yumas erwarten. Es wird sich dann zeigen, ob sie sich um Euertwillen an mich wagen. Ich werde sogar darauf verzichten, Euch die Füße wieder zusammenzubinden, damit Ihr, wenn sie kommen, versuchen könnt, ihnen entgegenzulaufen.«
Ich setzte mich neben ihm nieder; er legte sich ganz hin, spuckte vor mir aus und wendete sich dann um, damit er mich nicht anzusehen brauche. Das war mir lieb, denn in dieser Stellung sah er die Nahenden nicht, welche, wie ich jetzt bemerkte, nun in der Ferne erschienen. Bald waren sie uns so nahe, daß ich ihre Gesichter erkennen konnte. Der Mimbrenjo schritt voran. Er hatte uns gesehen, ging aber ruhig weiter, ohne Vorsichtsmaßregeln zu treffen, denn sein scharfes Auge hatte mich erkannt. Melton hatte ihn bei mir gesehen, und so wunderte ich mich darüber, daß es ihm nicht eingefallen war, nach ihm zu fragen. Daß der Indianer sich nicht bei mir befand, hätte doch seine Aufmerksamkeit erregen müssen, da die Abwesenheit desselben einen Grund haben mußte.
Nun waren sie uns so nahe, daß wir ihre Schritte hörten.
Melton horchte auf, richtete sich dann rasch empor, so daß er zu sitzen kam, und drehte sich um. Im nächsten Augenblicke sprang er ganz auf, starrte die Nahenden an, als ob sie Gespenster seien, und rief aus:
»Alle Wetter, was sehe ich; wer kommt da!«
»Eure Yumas, die Euch befreien werden,« antwortete ich. »Hoffentlich freut Ihr Euch, daß Eure Erwartung sich so schön und so bald erfüllt.«
»Verwünschter Kerl! Du stehst wirklich mit dem Teufel im Bunde!«
Indem er mir diese Worte entgegenzischte, versetzte er mir einen Fußtritt und rannte so schnell davon, wie es ihm mit gebundenen Händen möglich war. Der Fluchtversuch war lächerlich; ich stand ruhig auf und tat keinen Schritt, ihn zu verfolgen. Selbst wenn ich ihm hätte nachlaufen wollen, wäre dies gar nicht nötig gewesen, denn als die Befreiten, welche sich uns bis auf vierzig oder fünfzig Schritte genähert hatten, ihn erkannten und davonlaufen sahen, erhoben sie ein lautes Geschrei und rannten hinter ihm her, Männer, Frauen und Kinder; nur der Mimbrenjo blieb stehen und rief mir lachend zu:
»Der Vogel wird nicht weit kommen, denn die Flügel sind ihm gebunden.«
Den Verfolgern voran waren Judith und die »listige Schlange«. Die erstere war nicht eingekerkert gewesen, hatte keine Not gelitten und besaß also mehr Kräfte wie die andern. Ganz dasselbe war mit dem Häuptlinge der Fall. Zwar waren auch ihm die Hände gebunden, doch half der Grimm, welcher sich seiner beim Anblicke Meltons bemächtigte, ihm diesen Umstand überwinden. Er flog ihm förmlich nach und kam ihm näher und näher, bis er ihn erreicht hatte; dann eilte er absichtlich einige Schritte über ihn hinaus, machte eine Wendung und rannte dann mit solcher Kraft gegen ihn, daß Melton zu Boden stürzte und sich zweimal überschlug. Er kam gar nicht zu dem Versuche, sich aufzurichten, denn der Häupt- Häuptling lag schon auf ihm und hielt ihn trotz seiner gefesselten Hände bei der Kehle. Sie rangen miteinander und wälzten sich dabei einigemal um und um, bis Judith kam und dem Roten half. Die Jüdin befand sich in einer Aufregung, welche allerdings nicht weiblich war. Sie schrie in einem fort und schlug dabei mit geballten Händen auf Melton ein, bis die andern kamen, denen sie Platz machen mußte. Nun gab es einen Knäuel von schreienden Menschen, welche Melton in der Mitte hatten. Ich fürchtete für sein Leben und eilte darum hin, um den Mißhandlungen Einhalt zu tun. Als ich mir durch die Leute Bahn gebrochen hatte, sah ich Melton an der Erde liegen; mehrere hielten ihn fest, und Judith bearbeitete mit Fäusten und Nägeln sein Gesicht in einer Weise, daß ich sie, empört über dieses mehr als häßliche Verhalten, wegriß und ihr zornig zurief:
»Was fällt Ihnen ein! Ueberlassen Sie den Menschen uns Männern! Sie sind ja gerade zur Furie geworden.«
»Der Halunke hat es verdient, daß ich ihm die Augen auskratze!« keuchte sie atemlos. »Er hat mich betrogen, mich eingesperrt. Ich sollte da unten im Schachte verderben und sterben!«
Sie wollte wieder zu ihm hin; ich schleuderte sie aber fort und sagte, mich zu den andern wendend:
»Daß keiner von euch sich weiter an ihm vergreift! Er gehört jetzt mir und wird seiner Bestrafung nicht entgehen. Wer nicht gehorcht, bekommt es mit mir zu tun!«
Sie wichen zurück, und ich richtete Melton vom Boden auf. Von seinem äußeren Aussehen nicht zu sprechen, befand er sich in einem Seelenzustande, der ihn fast nicht mehr als Mensch erscheinen ließ. Er schrie wie ein Tier; seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und seine geifernden Lippen brachten die Flüche und Verwünschungen, welche er mir entgegenwarf, nur undeutlich hervor. Es war das Lallen der größten Wut, des Grimmes in seinem höchsten Grade. Ich machte diesem Wüten dadurch ein Ende, daß ich ihm einen Knebel in den Mund stecken ließ. Er drohte zwar, zu ersticken, doch brachte die Angst, die ihm dies verursachte, ihn bald zur Ruhe.
Die »listige Schlange« hatte Melton niedergeworfen und festgehalten, bis die andern hinzugekommen waren; dann hatte er von ihm gelassen. Sein Stolz ließ ihm nicht zu, sich an den Mißhandlungen zu beteiligen; aber in seinen dunkeln Augen glühte das Feuer der Rache und des unversöhnlichen Hasses. Er wendete sich, da rundum Ruhe eingetreten war, mit der Frage an mich:
»Was gedenkt Old Shatterhand mit diesem verräterischen und gefährlichen Bleichgesicht zu tun?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen, denn ich muß es mit Winnetou beraten.«
»Das ist nicht nötig, denn der Häuptling der Apatschen wird alles gutheißen, was Old Shatterhand bestimmt. Beide sind wie einer, und was der eine will, das will stets auch der andere.«
»Zu welchem Zwecke spricht die »listige Schlange« diese Worte?«
»Eines Vorschlages wegen, den ich meinem weißen Bruder machen möchte. Old Shatterhand mag mit auf die Seite kommen, da ich mit ihm allein sprechen will.«
Ich tat ihm den Willen und entfernte mich mit ihm so weit, daß Melton uns nicht hören konnte, auf welchen es abgesehen war, da die Deutschen den Indianer doch nicht verstehen konnten. Dieser begann seinen Vorschlag mit der Frage:
»Wird Old Shatterhand mir aufrichtig sagen, ob er mich für einen Lügner hält?«
»Warum nicht? Der Name meines roten Bruders könnte Mißtrauen erwecken; dennoch glaube ich, daß »listige Schlange« die Wahrheit liebt und viel zu stolz und tapfer ist, sich eine Treulosigkeit zu schulden kommen zu lassen.«
»Mein Bruder hat recht; ich danke ihm. Ich will ihm mitteilen, daß ich Frieden mit ihm schließen möchte, nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Krieger.«
»Was wird euer Oberhäuptling, der »große Mund«, dazu sagen?«
»Er wird beistimmen.«
»Das bezweifle ich, denn er hat eine Blutrache gegen mich, weil ich seinen Sohn, den »kleinen Mund«, getötet habe.«
»Old Shatterhand ist ein Freund der roten Männer; er tötet keinen von ihnen, außer wenn er dazu gezwungen ist.«
»Das ist zwar sehr richtig, wird aber für den »großen Mund« kein Grund sein, seine Rache in Verzeihung, seine Feindschaft in Freundschaft umzuwandeln.«
»So mag er für sich allein handeln; ich habe mit seiner Rache nichts zu tun. Als wir den Zug nach Almaden unternahmen, haben wir ihn zu unserem Anführer gemacht; wir können den,