Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Friedländer
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783754957998
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von einigen Sekunden: 1, 2, 3 halt! Zwischen 1 und halt waren die Schüsse abzugeben. Die beiden ersten Gänge, in welchen von beiden Seiten, und zwar immer zuerst von Falkenhagen, geschossen wurde, waren ohne Ergebnis. Beim dritten Kugelwechsel erhielt v. Bennigsen einen Schuß in den Unterleib, der ihn sofort zu Boden streckte. Der Zweikampf war damit beendet. Der hinzugezogene Arzt leistete Herrn v. Bennigsen die erste Hilfe. Der Schwerverwundete wurde sogleich in einem bereitstehenden Wagen nach Springe und von dort per Bahn nach dem Krankenhause »Henriettenstift« in Hannover übergeführt. Obwohl ihm hier die sorgsamste Pflege und beste ärztliche Behandlung zuteil wurde, erlag er am 17. Januar nachmittags der erlittenen Schußverletzung. Die im Körper vorgefundene Kugel soll den Dünndarm und das am Dickdarm sitzende Gekröse an mehreren Stellen durchschlagen und dadurch eine große Blutung in der Bauchhöhle verursacht haben. Diese Blutung hatte eine eitrige Bauchfellentzündung zur Folge, die den Tod herbeiführte. Landrat v. Bennigsen hinterließ 5 Kinder im Alter von 4 bis 11 Jahren. Falkenhagen soll den Versuch unternommen haben, die Verzeihung seines Gegners zu erlangen. Der Bruder des Getöteten, Gouverneur von Neu-Guinea Rudolf v. Bennigsen, dessen Vermittelung Falkenhagen nachsuchte, hatte jedoch diese Vermittlerrolle abgelehnt. Falkenhagen gab zu, mit Frau von Bennigsen schon seit dem Sommer 1900 sträflichen Verkehr unterhalten zu haben. Frau v. Bennigsen, eine üppige, schöne Erscheinung, 31 Jahre alt, war die Tochter des früheren Domänenpächters in Springe, v. Schnehen. Falkenhagen ist nach dem Zweikampf zunächst zu Frau von Bennigsen nach Leipzig und von dort nach Berlin gereist, um die Verzeihung seines Vaters, der in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter in Berlin weilte, nachzusuchen. Am Sonntag, den 19. Januar 1902, wurde Falkenhagen in aller Frühe im Zentralhotel in Berlin auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu Hannover wegen Fluchtverdachts verhaftet und nach Hannover transportiert. Falkenhagen hatte sich am 17. Februar 1902 vor dem Schwurgericht zu Hannover wegen Tötung im Zweikampf auf Grund des § 206 des Strafgesetzbuches zu verantworten. In dieser Verhandlung war der Andrang des Publikums aus den besseren Ständen, insbesondere der Damenwelt, geradezu ungeheuer. Nach erfolgter Auslosung und Vereidigung der Geschworenen stellte der Vorsitzende an den Ersten Staatsanwalt Dr. Kitz die Frage, wie er sich zu einem etwaigen Ausschluß der Öffentlichkeit stelle.

      Erster Staatsanwalt: Ich stehe auf dem Standpunkte, daß angesichts des großen Aufsehens, das die Angelegenheit in der Öffentlichkeit verursacht hat, die Öffentlichkeit nur insoweit ausgeschlossen wird, als die Beziehungen des Angeklagten zur Frau v. Bennigsen zur Erörterung kommen.

      Vert. R.-A. Dr. Stehmann: Ich beantrage, die Öffentlichkeit vollständig auszuschließen. Ich halte es für unvermeidlich, bei Erörterung der Angelegenheit die Beziehungen des Angeklagten zur Frau v. Bennigsen zu streifen. Der Angeklagte schloß sich auf Befragen dem Antrage seines Verteidigers an.

      Der Gerichtshof beschloß nach kurzer Beratung, die Öffentlichkeit vorläufig nicht auszuschließen, sich aber den Beschluß hierüber vorzubehalten.

      Der Angeklagte, ein großer, hagerer Mann mit blassem Gesicht und kleinem, hellblondem Schnurrbart, äußerte auf Befragen des Vorsitzenden: Er heiße mit Vornamen Oswald, er sei am 23. November 1874 in Northeim geboren, evangelischer Konfession. Seit Sommer 1899 sei er Pächter der Königlichen Domäne in Springe. Am 15. Januar habe ihm Landrat v. Bennigsen eine Herausforderung zum Zweikampf auf gezogene Pistolen gesandt. Die Bedingungen lauteten: Kugelwechsel auf 15 Sprungschritt Distanz bis zur Kampfunfähigkeit eines der Kämpfenden. Unter Kampfunfähigkeit wurde nicht der Tod oder die tödliche Verwundung eines der Kämpfenden, sondern bereits eine Verwundung verstanden, welche die Unfähigkeit zum Weiterschießen zur Folge hatte.

      Vors.: Wer sollte diese Kampfunfähigkeit feststellen?

      Angekl.: Der Arzt.

      Vors.: Sie hatten sich den praktischen Arzt Dr. Herrmann mitgenommen?

      Angekl.: Jawohl.

      Vors.: Wann fand der Zweikampf statt?

      Angekl.: Am 16. Januar früh 8 1/2 Uhr.

      Vors.: Beabsichtigten Sie, auf Ihren Gegner zu schießen?

      Angekl.: Nein, ich wollte in den Sand schießen.

      Vors.: Wohin richteten Sie Ihre Pistole?

      Angekl.: Auf meinen Gegner.

      Vors.: Sie behaupten aber, Sie hatten nicht die Absicht, auf Ihren Gegner zu schießen?

      Angekl.: Nein.

      Vors.: Wer war Ihr Sekundant?

      Angekl.: Referendar Wunnenberg.

      Vors.: Sie haben zunächst Ihren Schwager ersucht, Ihr Sekundant zu sein, dieser hat aber abgelehnt, deshalb wandten Sie sich an Herrn Referendar Wunnenberg?

      Angekl.: Jawohl.

      Vors.: Wer war Unparteiischer?

      Angekl.: Freiherr von Langwerth-Simmern.

      Vors.: Dieser war in Springe Referendar?

      Angekl.: Jawohl.

      Vors.: Die beiden ersten Gänge waren ergebnislos?

      Angekl.: Jawohl.

      Vors.: Haben Versöhnungsversuche stattgefunden?

      Angekl.: Nach den ersten zwei Gängen regte ich eine Versöhnung an, es wurde mir aber von meinem Sekundanten gesagt, daß dies zwecklos sei.

      Erster Staatsanwalt: Bei der Aussage des Angeklagten ist ein Widerspruch vorhanden; er sagte einmal, er wollte seinen Gegner nicht treffen, und andererseits wieder, er habe die Pistole auf seinen Gegner gerichtet.

      Angekl.: Da der Gegner die Pistole auf mich gerichtet hielt, so tat ich das ebenfalls, ich habe aber trotzdem vorbeischießen wollen. Der Angeklagte erzählte alsdann im weiteren auf Befragen des Vorsitzenden, er habe nachdem Herr v. Bennigsen gefallen war, durch dessen Bruder die Verzeihung des Gegners nachgesucht. Der Bruder des Herrn v. Bennigsen, der Gouverneur von Neu-Guinea Rudolf v. Bennigsen, habe aber die Vermittlerrolle abgelehnt. Er sei noch am Vormittag des 16. Januar nach Hameln und von dort nach Leipzig gefahren, woselbst sich Frau v. Bennigsen bei ihren Verwandten aufhielt. Abends gegen 7 Uhr sei er in Leipzig angekommen und habe dort Frau v. Bennigsen das Vorgefallene mitgeteilt. Er habe in Leipzig in einem Hotel übernachtet und sei am folgenden Morgen nach Berlin gefahren, um den Rat seines dort als Abgeordneten weilenden Vaters einzuholen. Er sei in Berlin im Zentralhotel abgestiegen. Sein Vater wohnte im Hotel de Magdeburg. Dieser habe ihn aufgefordert, sich zu dem Bürgermeister a.D. Schmidt zu begeben und diesen zu fragen, was er machen solle. Letzterer, der in der Pritzwalkerstraße in Berlin wohnte, habe ihm gesagt, die Sache sei durch die Presse bereits bekannt, er solle sich daher der Staatsanwaltschaft zu Hannover zur Verfügung stellen. Es seien nämlich alle Beteiligten durch Handschlag verpflichtet worden, den Zweikampf geheim zu halten, so lange er nicht durch die Presse bekannt werde. Er (Angeklagter) habe daher sofort in einem eingeschriebenen Brief sich der Staatsanwaltschaft zu Hannover zur Verfügung gestellt. Daraufhin habe er mit Bürgermeister Schmidt in Berlin mehrere Bierlokale besucht. Abends sei er mit Schmidt in der Weinhandlung von Kempinski gewesen. Dort habe ihm Bürgermeister Schmidt einen Herrn namens Mandus und dessen Gattin vorgestellt.

      Vors.: Es hat sich nachträglich herausgestellt, daß dies nicht Frau Mandus war?

      Angekl.: Das habe ich später gehört. Ich sagte Herrn Mandus, daß ich ihm meinen Namen nicht nennen könne.

      Vors.: Später haben Sie sich aber dennoch dem Herrn vorgestellt.

      Angekl.: Jawohl, der Mann sagte, wenn Sie Ihre Tat bereuen, dann können Sie Ihren Namen ganz ruhig nennen. Ich blieb in Gesellschaft des Bürgermeisters Schmidt bis etwa 1 Uhr nachts. Alsdann ging ich ins Hotel, am folgenden Morgen wurde ich verhaftet.

      Vors.: Nun ist die Vernehmung des Angeklagten bis zu seinen Beziehungen zur Frau v. Bennigsen gediehen. Der Gerichtshof beschließt, während dieses Teils der Vernehmung die Öffentlichkeit auszuschließen.