Besteht erweiterte beschränkte Steuerpflicht, so unterliegt die betreffende Person für weitere zehn Jahre nach Ende des Wegzugsjahres der (erweiterten beschränkten) Steuerpflicht in Deutschland. Besteuert werden dabei alle Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d Abs. 1 EStG sind, jedoch nur, wenn sie über 16.500 EUR im Jahr liegen, § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG.
Die für Ausländer (ohnehin) geltende beschränkte Steuerpflicht gemäß §§ 1 Abs. 4, 49 EStG wird bei Wegzug aus Deutschland für einen begrenzten Zeitraum erweitert auf die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 1. HS EStG ohne die ausländischen Einkünfte gemäß § 34d EStG, wenn die Voraussetzungen des § 2 AStG vorliegen.
Fallbeispiel:
Ein unbeschränkt Steuerpflichtiger wechselt seinen Wohnsitz zum 31.12.2005 aus Deutschland in ein Niedrigsteuerland. Vom Wegzug bis fünf Jahren nach Wegzug, also bis 31.12.2010, besteht gemäß § 1 Abs. 4 EStG beschränkte Steuerpflicht und gemäß § 2 AStG die erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Ab fünf Jahren nach Wegzug bis zehn Jahre nach Wegzug, also vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2015, gilt nur noch gemäß § 2 AStG die erweiterte beschränkte Steuerpflicht.
Beschränkte und erweiterte beschränkte Steuerpflicht können auch wechseln, z.B. wenn ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz zunächst in ein nicht niedrig besteuerndes Gebiet und später von dort aus in ein niedrig besteuerndes Gebiet verlegt.132
Der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen nach Auffassung der Finanzverwaltung alle anderen Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte nach § 34 EStG133 (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) sind, und die unter Einbeziehung der durch § 49 Abs. 1 EStG erfassten Einkünfte, die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Gesamtliste).134
Die Ermittlung der Einkünfte, die der (erweiterten) beschränken Steuerpflicht unterfallen, wird wie folgt vorgenommen. Zunächst wird die Frage gestellt, ob Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 EStG vorliegen.135 Ist diese Frage zu bejahen, so unterliegen diese Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht. Wird diese Frage verneint, so ist zu fragen, ob es sich um Einkünfte gemäß § 34d EStG handelt. Ist diese Frage zu bejahen, so besteht keine Steuerpflicht in Deutschland. Ist diese Frage zu verneinen, so unterliegen die Einkünfte der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Hinweis: die Kataloge der §§ 49 Abs. 1 und 34d EStG überschneiden sich, § 49 EStG ist im Verhältnis vorrangig.
III. Behandlung ausländischer Zwischengesellschaften (§§ 7ff. AStG)
1. Einleitung und Überblick
Das Außensteuerrecht ermöglichte in den 60/70er Jahren ein Steuersparmodell, bei dem in einem DBA-Staat mit besonders günstiger Besteuerung für vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften eine Kapitalgesellschaft gegründet wurde, deren wesentliche Aufgabe das Halten und Verwalten von Vermögen war. Die erzielten Erträge unterlagen im Ausland nur einer relativ niedrigen oder gar keiner Ertragsteuer und wurden mit Hilfe des DBA-Schachtelprivilegs körperschaftsteuer- und gewerbesteuerfrei ins Inland ausgeschüttet. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers folgte 1972 mit der Einfügung der §§ 7 bis 14 AStG über die Hinzurechnungsbesteuerung für unbeschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen mit einer sogenannten ausländischen Zwischengesellschaft.
– Ist die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung europarechtskonform?136
Der EuGH hat mit Urteil vom 26.02.2019137 auf eine Vorlage des BFH138 hin entschieden, dass die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ohne Möglichkeit eines Motivtests in Drittstaatensachverhalten nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In dem dem EuGH vorgelegten Fall war eine deutsche GmbH zu 30 % an einer Schweizer AG beteiligt. Diese erzielte Einkünfte aus abgetretenen Geldforderungen, die vom Finanzamt zulasten der GmbH als Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden. Gemäß § 8 Abs. 2 AStG ist seit 2008 für Beteiligungen an Zwischengesellschaften aus EU- und EWR-Staaten eine Entlastungsmöglichkeit durch einen Motivtest vorgesehen, nicht jedoch für Drittstaaten (im Vorlagefall: Schweiz). Dies verstößt sowohl nach Auffassung des BFH als auch des EuGH gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit, die – anders als die Niederlassungsfreiheit – grundsätzlich auch im Verkehr mit Drittstaaten geschützt ist. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist laut EuGH nur insoweit unionsrechtlich zulässig, wie der betreffende Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, die etwaigen wirtschaftlichen Gründe für seine Investition in dem betreffenden Drittland darzutun, ohne hierbei übermäßigen Verwaltungszwängen unterworfen zu werden. Der BFH hat in Fortführung dieses EuGH-Urteils im Ausgangsfall mit Urteil vom 22.05.2019139 ausgeurteilt, dass die Hinzurechnung von im Wirtschaftsjahr 2006 erzielten Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft zwar die Kapitalverkehrsfreiheit beschränke, aber gerechtfertigt sei und daher nicht gegen Unionsrecht verstoße. Den Rechtfertigungsgrund sieht der BFH in zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und insbesondere der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung. Das BMF hat daraufhin ein Schreiben zur Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 22.05.2019, I R 11/19, und vom 18.12.2019, I R 59/17 (eines ähnlich gelagerten Falls), erlassen, in welchem die Anforderungen der Finanzverwaltung an den Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 AStG und Anforderungen an die Amtshilfe in Drittstaatenfällen für die Nichtanwendung der §§ 7ff. AStG niedergelegt sind.140
Mit der Umsetzung der europäischen ATAD-Richtlinien141 in deutsches Recht142 sind auch die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung reformiert worden. Ob damit tatsächlich sämtliche unionsrechtlichen Bedenken ausgeräumt sind, mag bezweifelt werden.
§ 9 des StAbwG143 sieht für Gesellschaften, die in einem nicht kooperativen Steuergebiet gemäß der sog. „schwarzen Liste“ der EU144 ansässig sind, eine Verschärfung der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7ff. AStG vor. Danach sind solche Gesellschaften über § 8 Abs. 1 AStG hinaus und ungeachtet von § 8 Abs. 2 bis 4 und § 9 AStG Zwischengesellschaft für ihre gesamten Einkünfte, die insgesamt einer niedrigen Besteuerung im Sinne des § 8 Abs. 5 AStG unterliegen. Diese Verschärfung gilt auch bei in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätten eines unbeschränkt Steuerpflichtigen für Zwecke des § 20 Abs. 2 AStG für sämtliche Einkünfte der Betriebstätte.
2. Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
a) Steuerpflicht inländischer Gesellschafter/Beteiligung an ausländischer Zwischengesellschaft
Sind eine oder mehrere unbeschränkt steuerpflichtige, natürliche oder juristische Personen an einer ausländischen Gesellschaft zu mehr als 50 % beteiligt, so sind gemäß § 7 Abs. 1 AStG a.F. die Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft bei den inländischen Anteilseignern mit dem auf diese entfallenen Teil steuerpflichtig. Bei der Ermittlung der Beteiligungshöhe zählen gemäß § 7 Abs. 2 und 3 AStG a.F. auch mittelbare Beteiligungen über zwischengeschaltete Kapital- und Personengesellschaften. Gemäß § 7 Abs. 4 AStG a.F. sind auch die Anteile einer Person der Beherrschungsquote zuzurechnen, die den Weisungen des Steuerpflichtigen folgt oder so folgt, dass kein eigener wesentlicher Beherrschungsraum bleibt.
Nach der Neufassung von § 7 AStG145 ist eine Abkehr von der „Inländerbeherrschung“ hin zur „Konzernbeherrschung“ vorgenommen worden. Tatbestandsmerkmal einer Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG n.F. ist nunmehr die Beherrschung der Zwischengesellschaft. Eine solche liegt nach § 7 Abs. 2 AStG n.F. vor, wenn dem Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen mehr als die Hälfte der Stimmrechte oder mehr als die Hälfte der Anteile am Nennkapital unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sind oder unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch auf mehr als die Hälfte des Gewinns oder des Liquidationserlöses dieser