Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André-M. Szesny
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811406605
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einer Gesellschaft

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      Kommt die Verhängung einer Geldbuße gegen eine Gesellschaft gem. § 30 OWiG in Betracht, wird ihre Verfahrensbeteiligung in der Regel schon zu Beginn des Bußgeldverfahrens zu erfolgen haben.

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      Die BaFin ordnet die Verfahrensbeteiligung gegen die Gesellschaft gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 444 Abs. 1 S. 1 StPO an, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Voraussetzungen des § 30 OWiG vorliegen.[115] Die Zuständigkeit der BaFin für die Anordnung folgt aus § 88 Abs. 1 OWiG. Die Anordnung der Verfahrensbeteiligung könnte allerdings auch konkludent durch Erlass eines Bußgeldbescheids erfolgen.[116] Die Anordnung ist unanfechtbar (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 444 Abs. 1 S. 2, 424 Abs. 4 StPO) und wirkt konstitutiv, d.h. die Gesellschaft ist ab der Anordnung Subjekt des Verfahrens mit eigenen verfahrensrechtlichen Befugnissen und nicht mehr nur Dritter.[117]

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      Hintergrund (Zur Wirkung der Anordnung der Verfahrensbeteiligung)

      Ab der Anordnung der Verfahrensbeteiligung können die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft verfahrensrechtlich nicht mehr als Zeuge behandelt werden.[118] Ihnen stehen bei der Anhörung die Rechte eines Betroffenen – wie das Schweigerecht und das Beweisantragsrecht gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 1 S. 2, 426 Abs. 2, § 136 Abs. 1 StPO – zu.[119] Dabei gelten die Einschränkungen des § 55 OWiG. Eine förmliche Vernehmung ist nicht erforderlich, die Gelegenheit zur Äußerung zum Tatvorwurf ist ausreichend.

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      In der Praxis erfolgt neben der Anordnung der Verfahrensbeteiligung häufig zugleich die erforderliche Anhörung der Gesellschaft als Nebenbeteiligte gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2 StPO.[120] Die Anhörung der Gesellschaft findet nach den Vorgaben des § 55 Abs. 1 OWiG statt, sodass die Gelegenheit zur Äußerung ausreichend ist.

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      Das Anhörungsschreiben ist nach h.L. an das nicht betroffene vertretungsberechtigte Organ zu richten. Denn wegen unauflösbarer Interessenkonflikte sei das Organ, gegen das sich das Verfahren persönlich richtet, von der Vertretung der betroffenen Gesellschaft ausgeschlossen (Rechtsgedanke aus § 112 AktG; § 52 GmbHG).[121] Auch der 1. Strafsenat des BGH verneint, dass das beschuldigte bzw. angeklagte Organ die von einer Geldbuße nach § 30 OWiG betroffene Gesellschaft in demselben Strafverfahren wirksam vertreten kann.[122] Das BVerfG hat im Kontext der Zustellung von Schriftstücken im Zivilprozess hingegen in einer im Ausgangspunkt vergleichbaren Situation die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG einer Personenhandelsgesellschaft bejaht. In dem Fall wurde ein Vollstreckungsbescheid an die durch den Geschäftsführer vertretene Gesellschaft zugestellt, wobei der Geschäftsführer zuvor die dem Vollstreckungsbescheid zugrunde liegende Forderung an den Gläubiger abgetreten hatte. Das BVerfG entschied, dass durch die Zustellung zu Händen des Geschäftsführers den Verteidigungsmöglichkeiten der Gesellschaft und damit ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung getragen sei.[123] Dem stehe nicht entgegen, dass ihr gesetzlicher Vertreter den Interessen der Gesellschaft zuwiderhandeln könnte, denn ein solcher Missbrauch liege im Risikobereich der Gesellschaft, die sich ihre Vertreter eigenverantwortlich auswähle; dies könnte allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen.[124] Ob diese Entscheidung auf das einheitliche Verfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht ohne Weiteres zu übertragen ist, mit der Folge, dass das Anhörungsschreiben auch an das betroffene Organ der Gesellschaft unter Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör übersandt werden kann, ist zweifelhaft. Denn die Verhängung der Verbandsgeldbuße ist eine bußgeldrechtliche Sanktion eigener Art[125], die über die bloße Zahlungsverpflichtung hinaus für die Gesellschaft erhebliche Folgen haben kann. Aus diesem Grund werden im Bußgeldverfahren – zumindest im Kontext der Anhörung – höhere Anforderungen zu stellen sein, um dem Anspruch des rechtlichen Gehörs der Gesellschaft zu genügen. Ungeachtet solcher Bedenken sollte schon deshalb von der Anhörung des betroffenen Organs für die Gesellschaft abgesehen werden, um mögliche Folgeprobleme zu vermeiden.[126]

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      Folgt man der vorzugswürdigen h.L. und ist der Betroffene alleinvertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, wird im Schrifttum angeraten, der betroffenen Gesellschaft einen Notvertreter (§ 29 BGB)[127] oder einen notwendigen Rechtsbeistand gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO zu bestellen,[128] und diese Personen für die Gesellschaft anzuhören. Die Bestellung eines notwendigen Rechtsbeistands in dieser Situation deckt indes die Widersprüchlichkeit auf, wenn die h.L. bei der Vertretung der Gesellschaft durch das betroffene Organ eine – die Vertretung ausschließende – Interessenkollision erkennt, es im Kontext des § 146 StPO aber zulässig sein soll, dass derselbe Verteidiger mangels einer Interessenkollision sowohl den Betroffenen als auch die betroffene Gesellschaft in demselben Verfahren prozessual vertreten können soll.[129] Ungeachtet dessen kann in den Fällen des alleinvertretungsberechtigten, aber von der Vertretung ausgeschlossenen Organs die Möglichkeit gegeben sein, dem Passivvertreter der Gesellschaft die Gelegenheit der Stellungnahme (§ 55 OWiG) einzuräumen.[130] So liegt es im Fall eines betroffenen Alleinvorstands der Aktiengesellschaft, an dessen Stelle der Aufsichtsrat (Rechtsgedanke aus § 78 Abs. 2 S. 2 AktG) angehört werden kann, um das Recht auf rechtliches Gehör der betroffenen Gesellschaft zu wahren. Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG kann das Anhörungsschreiben sodann an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift der Gesellschaft gesendet werden.

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      Unterlässt die BaFin die Anhörung der betroffenen Gesellschaft im Ermittlungsverfahren, wird die Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Erlass und wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids durch die Gelegenheit der Einspruchseinlegung nachgeholt werden können.

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      Die BaFin hat die nachfolgenden Belehrungspflichten im Bußgeldverfahren zu beachten.

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      Die BaFin hat die Gesellschaft über das einfachgesetzlich geregelte Schweigerecht zu belehren, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Die in Bezug genommenen Vorschriften des Einziehungsverfahrens nach StPO sind gem. § 46 Abs. 1 OWiG sinngemäß anzuwenden. Die Belehrung ist mit der ersten Anhörung des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft vorzunehmen.[131]

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      Die Nebenbeteiligte ist darauf hinzuweisen, vor der Anhörung einen von ihr zu wählenden anwaltlichen Rechtsbeistand befragen zu können. Die Belehrungspflicht aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO wird nicht von der Regelung des § 55 Abs. 2 S. 1 OWiG ausgeschlossen. Denn der Nebenbeteiligten kommt im Ermittlungsverfahren eine beschuldigtenähnliche Stellung zu.[132] Deshalb gelten die Ausführungen zur Hinweispflicht über das Verteidigerkonsultationsrecht gegenüber dem Betroffenen