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Dies kann nach ErwG 43 insbesondere der Fall sein, wenn zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ein klares Ungleichgewicht besteht. Dabei ist zu beachten, dass das bloße Vorhandensein eines Ungleichgewichts allein noch nicht dazu führt, dass eine Einwilligung nicht freiwillig erteilt wird. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich das bestehende Ungleichgewicht in einer Art und Weise ausgewirkt hat, dass die betroffene Person im konkreten Fall keine „echte Wahl“ hatte (siehe im Hinblick auf die Verarbeitung von Beschäftigtendaten auch § 26 Abs. 2 BDSG). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn zwischen dem Einwilligenden und der die Einwilligung einholenden Stelle ein Abhängigkeitsverhältnis (z.B. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Vermieter und Mieter etc.)569 besteht, die einholende Stelle über eine monopolartige Stellung verfügt, der Einwilligende bei der Einholung der Einwilligung überrumpelt wird oder ihm bei der Verweigerung der Einwilligung (erhebliche) Nachteile drohen.570 Aber auch in diesen Situationen ist stets zu prüfen, ob sich das Ungleichgewicht in einer Art und Weise ausgewirkt hat, dass der Einwilligende im konkreten Fall keine echte Wahlmöglichkeit hatte.
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Werden betroffene Personen bloß durch (nicht allzu große) Vergünstigungen, wie z.B. die Teilnahme an einem Gewinnspiel, angelockt, die gewährt werden, wenn sie die gewünschte Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Daten erteilen, stellt dies allein i.d.R. noch keinen unzulässigen Druck im Sinne der vorangegangenen Erläuterungen dar.571 Zudem kann auch nicht jeder mögliche kleine Nachteil dazu führen, dass die Einwilligung nicht freiwillig erteilt wird.572 Das entscheidende Kriterium bei der Bestimmung der Freiwilligkeit einer Einwilligung besteht mithin darin, ob im konkreten Fall die Willensentschließungs- und Handlungsfreiheit der betroffenen Person gewahrt wurde oder nicht.573
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Ein klares Ungleichgewicht zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen kann vor allem auch dann bestehen, wenn es sich bei dem Verantwortlichen um eine Behörde oder um einen anderen Hoheitsträger handelt (vgl. ErwG 43 S. 1).574 Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine solche Stelle bei Verweigerung der Einwilligung die Datenverarbeitung infolge öffentlich-rechtlicher Sonderrechte durchsetzen könnte.575
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Ebenso wird eine Einwilligung nicht freiwillig erteilt, wenn dabei gegen das in Art. 7 Abs. 4 DSGVO normierte sogenannte Koppelungsverbot verstoßen wird, welches die Abhängigmachung („Koppelung“) eines Vertrages von der Erteilung einer Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich sind, regelt (siehe ausführlich zum Koppelungsverbot Art. 7 Rn. 94ff.).
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Ganz generell ist – wenn die Einwilligung im Zusammenhang mit einem Vertrag erteilt werden soll – zur Wahrung von deren Freiwilligkeit sicherzustellen, dass die betroffene Person bzgl. der (bestehenden oder nicht bestehenden) Möglichkeit, den Vertrag auch dann abzuschließen, wenn sie die Einwilligung verweigert, klar informiert und nicht, z.B. durch Vertragsbestimmungen, in die Irre geführt wird.576
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Im Übrigen gilt eine Einwilligung gem. ErwG 43 Satz 2 nicht als freiwillig erteilt, wenn es der betroffenen Person nicht möglich ist, zu verschiedenen Verarbeitungsvorgängen von personenbezogenen Daten gesondert eine Einwilligung zu erteilen, obwohl dies im Einzelfall angebracht ist.577 Diese Anforderung ist aber mit Augenmaß zu betrachten.
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ErwG 32 S. 4 und 5 stellt zudem fest, dass die Einwilligung sich auf alle zu demselben Zweck oder denselben Zwecken vorgenommenen Verarbeitungsvorgänge beziehen sollte und dass, wenn die Verarbeitung mehreren Zwecken dient, für alle diese Verarbeitungszwecke eine Einwilligung gegeben werden sollte. Nach Auffassung des Europäischen Datenschutzausschusses folgt hieraus, dass, wenn die Datenverarbeitung, die durch eine Einwilligung gerechtfertigt werden soll, zu mehreren Zwecken erfolgt, die betroffene Person frei auswählen können soll, welchem Verarbeitungszweck sie zustimmen möchte und welchem nicht.578 Daher ist nach Ansicht des Europäischen Datenschutzausschusses in einem solchen Fall ein granulares Einwilligungskonzept erforderlich.579 Andernfalls bestehe keine freie Wahl für die betroffene Person.580
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Dies erscheint jedoch sehr weitgehend und lässt sich nach hier vertretener Ansicht auch nicht zwingend aus dem Wortlaut von ErwG 32 S. 4 und 5 entnehmen. So scheint es sich bei den in ErwG 32 S. 4 und 5 enthaltenen Anforderungen zuvorderst um Transparenzanforderungen zu handeln, nach denen der Verantwortliche die betroffene Person bei Einholung der Einwilligung über alle verfolgten Verarbeitungszwecke, die von der Einwilligung erfasst werden sollen, und sämtliche Datenverarbeitungen, die zu dem jeweiligen Zweck erfolgen, informieren muss.581 Mithin kann nach hier vertretener Ansicht die betroffene Person mittels einer Erklärung grundsätzlich auch in die Verarbeitung ihrer Daten zu mehreren Zwecken (zugleich, also „gebündelt“) einwilligen.582 Gesonderte Erklärungen (bzw. gesonderte Auswahlmöglichkeiten) für jeden einzelnen Verarbeitungszweck sind demzufolge nach hier vertretener Ansicht nicht in jedem Fall zwingend erforderlich.583
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Jedenfalls sollte es zulässig sein, im Falle einer Einwilligung im Wege eines Mehrebenenansatzes (siehe hierzu Rn. 345) auf der ersten Ebene nur einen „Zustimmen“-Button vorzusehen, mittels dessen in alle in der Einwilligungserklärung vorgesehenen Datenverarbeitungen und alle Zwecke eingewilligt wird, und auf der zweite Ebene granulare Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf die ggf. verschiedenen Verarbeitungszwecke anzubieten.584 Hierbei ist es aber erforderlich, dass die betroffene Person hinreichend auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht wird (siehe zum Nudging/zu „Dark Patterns“ auch Rn. 318ff.) und dass, sofern sich die betroffene Person für die granulare Auswahl entscheidet, die einzelnen Auswahlmöglichkeiten – dem Prinzip des Privacy by Default und den Vorgaben des EuGH folgend – standardmäßig nicht ausgewählt sind.585 Inwiefern bei einer solchen Gestaltung auch ein Button, mit dem die Erteilung der Einwilligung (generell) abgelehnt werden kann, auf der ersten Ebene vorzusehen ist, oder ob es ausreicht, diesen auf der zweiten Ebene vorzuhalten, ist nicht abschließend geklärt.586 Soweit die Erbringung eines Dienstes/der Abschluss eines Vertrages in zulässiger Weise an die Erteilung einer Einwilligung gekoppelt wird, ist die Vorhaltung eines „Ablehnen-Buttons“ grundsätzlich generell nicht erforderlich.587
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Gesonderte Einwilligungserklärungen bzw. gesonderte Auswahlmöglichkeiten können jedoch auch nach hier vertretener Ansicht insbesondere dann (zwingend) erforderlich sein, wenn die Zwecke, für die die Einwilligung eingeholt wird, nicht zusammenhängen oder sich nicht sonst „nahestehen“. Mithin kann es, gerade wenn die Zwecke, für die die Daten verarbeitet werden sollen, einander fernliegen, erforderlich sein, gesonderte Zustimmungen einzuholen, damit die Einwilligung als freiwillig angesehen werden kann. Dies gilt erst recht, wenn die Zustimmung zu einem Verarbeitungszweck „abgepresst“ werden soll, indem dieser mit anderen Zwecken im Rahmen der Einwilligung verbunden wird und der Einwilligende der gewünschten Datenverarbeitung zu den anderen Zwecken nur zustimmen kann, wenn er zugleich auch dem weiteren („abgepressten“) Zweck zustimmt. Bei der Gestaltung der (granularen) Auswahl ist darauf zu achten, dass diese nicht mit einem Aufwand verbunden ist, der außer Verhältnis zum „Einsatzzweck“ der Einwilligung steht – andernfalls könnte dies zur Unwirksamkeit der Einwilligung wegen mangelnder Bestimmtheit führen (siehe ausführlich dazu Rn. 331).
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Granulare Einwilligungserklärungen, also Auswahlmöglichkeiten, im Hinblick auf einzelne Datenempfänger, sind nach hier