Unzulässig ist demgegenüber eine nachträgliche Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes bei Berechnung des Urlaubsanspruchs. Damit darf auch keine nachträgliche Minderung des Resturlaubsanspruchs erfolgen, der durch die Umstellung auf Teilzeitbeschäftigung zuvor generell erfolgte.
Zwar darf für neu zu erwerbende Urlaubsansprüche während der Teilzeit eine anteilige Berechnung des Urlaubs erfolgen, nicht jedoch für davor liegende Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung.
Eine Einschränkung erfuhr die Entscheidung des EuGH jedoch zunächst unter Berufung auf die vorherige Rechtsprechung[7] dadurch, dass dieser Grundsatz nur gelten sollte, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Resturlaubsanspruch in Anspruch zu nehmen. War der Arbeitnehmer tatsächlich gehindert – so etwa bei aus betrieblichen Gründen verweigertem Urlaub oder bei Vorliegen eines Beschäftigungsverbots wie auch bei Krankheit oder einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme – so verbot sich eine Anpassung der Resturlaubsansprüche und damit ggf. deren Reduzierung.
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Die Ausführungen des EuGH hielten die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik jedoch zunächst nicht davon ab, die in Vollzeit erworbenen Urlaubsansprüche runterzurechnen und Eins-zu-eins anzuerkennen, weshalb der EuGH erneut in der Sache Brandes um eine Entscheidung bemüht werden musste.[8] Die im Geltungsbereich des TV-L beschäftigte Frau Brandes arbeitete ebenfalls in Vollzeit, wurde schwanger, erhielt ein Beschäftigungsverbot und kehrte ebenfalls in Teilzeit aus der Elternzeit zurück. Nachdem auch ihr der verbliebene Urlaub aus der Vollzeit angepasst an die Teilzeit gekürzt worden war, zog Frau Brandes vor das Arbeitsgericht. Auch sie erhielt Rückendeckung seitens des EuGH, der bestätigte, dass auch für die Bundesrepublik die europäischen Mindeststandards Anwendung finden und eine Kürzung der Urlaubsansprüche eine Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter darstellt.
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In einer weiteren Entscheidung ist das BAG dieser Ansicht gefolgt und hat das Diskriminierungsverbot direkt aus § 4 Abs. 1 TzBfG abgeleitet und nicht von weiteren Bedingungen abhängig gemacht.[9]
So spielt es gerade keine Rolle, ob der Arbeitnehmer vor dem Wechsel des Arbeitszeitmodells seinen Erholungsurlaub hat nehmen können. Krankheit oder Beschäftigungsverbot sind keine Bedingung für den Erhalt der einmal erworbenen Urlaubsansprüche. Auch der Grund des Wechsels von Vollzeit zu Teilzeit ist unerheblich.
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Abgerundet wurde der Entscheidungsreigen durch die Sache Greenfield.[10] Eine britische Arbeitnehmerin wechselte von Teilzeit zu Vollzeit. Ihr wurde der in der Vollzeit erworbene höhere Urlaubsanspruch wie auch das höhere Urlaubsentgelt jedoch zu Unrecht verwehrt. Auch ihr musste sodann der Erholungsurlaub entsprechend der jeweiligen Zeitabschnitte konkret gewährt und entlohnt werden.
b)Auswirkungen auf die Praxis
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Mit der nunmehr gefestigten Rechtsprechung hat sich gezeigt, dass Urlaubsansprüche bei einem Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit wie auch Teilzeit zu Vollzeit stets abschnittsbezogen zu berechnen sind. Jeder Zeitabschnitt muss getrennt betrachtet und geprüft werden. Hieran hat sich auch das zu zahlende Urlaubsentgelt zu orientieren. Je nach Zeitabschnitt ist auch dieser Betrag gesondert festzulegen. Das kann zur Folge haben, dass bei der Inanspruchnahme von Urlaub aus einem vorhergehenden Arbeitszeitmodell das Entgelt im laufenden Monat unterschiedlich hoch sein kann.
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin wechselt nach der Rückkehr aus der Elternzeit ab dem 1.1.2021 in eine 3-Tage-Woche. Sie hat aus dem vorhergehenden Arbeitszeitmodell noch fünf Tage Resturlaub. Wenn sie im Jahr 2021 diesen Resturlaub in Anspruch nimmt, muss sie fünf Arbeitstage von der Arbeitspflicht befreit werden. Folglich hat sie eine Woche und in der darauffolgenden Woche noch zwei weitere Tage einen Urlaubsanspruch.
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin arbeitet vom 1.1.2021 bis zum 28.2.2021 in einer 5-Tage-Woche. Ab dem 1.3.2021 wechselt sie in eine 4-Tage-Woche. Aus der Zeit der Vollzeitbeschäftigung hat sie 2/12 von 30 Tagen, folglich 5 Tage Urlaub erworben. Ab dem 1.3. steht ihr ein Anspruch von 10/12 von 24 Tagen, folglich 20 Tage zu. Nimmt sie den Jahresurlaub erst zum Sommer, so muss sie in ihrer 4-Tage-Woche, wenn sie den Urlaub aus Januar und Februar abbaut, für eine Woche und einen weiteren Tag von der Arbeit befreit werden.
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin arbeitet vom 1.1.2021 bis 30.4.2021 in der 3-Tage-Woche und ab dem 1.5.2021 in der 4-Tage-Woche. Für den ersten Zeitabschnitt erwirbt sie 4/12 von 18 Tagen, folglich 6 Tage. In dem darauffolgenden Zeitabschnitt erwirbt sie einen Anspruch auf 8/12 von 24 Tagen, folglich 16 Tage.
Ergibt sich für einen Bezugszeitraum im Kalenderjahr ein Bruchteil, so erfolgt für diesen Zeitraum eine Rundung, wie aus § 26 Abs. 1 S. 4 TVöD abgeleitet werden kann.
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin arbeitet vom 1.1.2021 bis 31.3.2021 in einer 5-Tage-Woche. Zum 1.4.2021 wechselt sie in eine 4-Tage-Woche. Für den ersten Zeitabschnitt steht ihr ein Anspruch von 3/12 von 30 Tagen, folglich 7,5 Tagen zu, die auf 8 Tage gerundet werden. Im zweiten Zeitabschnitt stehen ihr 9/12 von 24 Tagen, folglich 18 Tage zu.
Sofern ein Arbeitnehmer mehrfach im Kalenderjahr das Arbeitszeitmodell wechselt, müsste, um eine zutreffende Urlaubsermittlung sicherzustellen und weder eine Benachteiligung noch Bevorzugung auszuschließen, der Urlaubsanspruch wie bei flexiblen Arbeitszeitmodellen üblich, nicht monatsbezogen, sondern jahresbezogen unter Zugrundelegung von 260 Arbeitstagen ermittelt werden.
Erfolgt der Wechsel nicht zum Beginn eines Monats, sondern im laufenden Monat wird der höhere Ansatz nach BMI unter entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 4 S. 3 EUrlV herangezogen.[11]
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin wechselt zum 2.2.2021 von einer 5-Tage-Woche in eine 2-Tage-Woche. Für die Monate Januar und Februar wird daher von einer 5-Tage-Woche und erst ab März hinsichtlich der Berechnung von einer 2-Tage-Woche ausgegangen: 2/12 von 30 Tagen, folglich 5 Tage sowie 10/12 von 12 Tagen, folglich 10 Tage, so dass sich ein Gesamtanspruch von 15 Tagen ergibt.
7.Erfüllung des Urlaubsanspruchs
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§ 26 TVöD trifft keine Festlegung, wann der Erholungsurlaub konkret im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen ist. Lediglich in Absatz 1 Satz 6 findet sich der Hinweis, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren ist und auch in Teilen genommen werden kann.
Ergänzt wird die tarifvertragliche Regelung durch die dazugehörige Protokollerklärung, nach der der Urlaub grds. zusammenhängend gewährt werden soll; insoweit soll ein Urlaubsteil von zwei Wochen Dauer angestrebt werden.
Im Übrigen wird sodann einleitend im Absatz 2 des § 26 TVöD auf das BUrlG verwiesen. Dort findet sich denn auch in § 7 eine Regelung zur Festlegung des Urlaubs, wonach bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs, die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluss an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt. Zudem ist der Urlaub zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass