Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Silvia Deuring
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811487390
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erfasst nach der gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen verwenderfeindlichen (und ergo kundenfeindlichen) Auslegung sowohl eine unvorhergesehene Verhinderung, z.B. Krankheit, als auch vorherzusehende Fälle der Verhinderung, z.B. eine urlaubsbedingte Abwesenheit. Im letzteren Fall der geplanten Abwesenheit ist schon bei Terminierung des Operationstermins absehbar, dass der Wahlarzt die OP nicht durchführen können wird. Die Vereinbarung läuft also gewissermaßen von Beginn an leer, da die Erbringung der Leistung (Behandlung durch den Chefarzt) bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung objektiv unmöglich ist. Die Erreichung des Zwecks der Wahlleistungsvereinbarung, nämlich die Sicherung der besonderen Erfahrung und die Inanspruchnahme der herausgehobenen Sachkunde des Wahlarztes, ist von Anfang an unmöglich. Eine Vertreterklausel ist nur dann zulässig, wenn der Eintritt eines Vertreters auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Verhinderung des Wahlarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung noch nicht feststeht, weil Verhinderungen wie Urlaub oder Krankheit noch nicht feststehen.[50] Damit ist die Klausel hier schon deswegen unzumutbar, da der Patient nicht damit rechnen muss, dass der Wahlarzt seine Abwesenheit schon eingeplant hat.

      Darüber hinaus erfasst die Formulierung „ein Stellvertreter“ bei entsprechender verwenderfeindlicher Auslegung nicht nur ständige Vertreter i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 5 GOÄ, die eine fachliche sowie persönliche Nähe zum liquidationsberechtigten Wahlarzt aufweisen, beispielsweise Facharzt desselben Gebiets sind, sondern auch jeden anderen Arzt: Eine Stellvertretervereinbarung durch AGB ist aber nur wirksam, wenn darin der ständige Vertreter als Vertreter benannt ist, der dem Wahlarzt, entsprechend den Vorschriften der GOÄ, in Dienststellung und medizinischer Kompetenz in etwa entspricht und aus diesem Grund gebührenrechtlich angenähert ist.[51] Es ist dem Patienten, der sich für eine Wahlleistung entschieden hat, nicht zumutbar, sich dann doch von irgendeinem Arzt behandeln lassen zu müssen. Im Übrigen muss in AGB auch stets ein konkreter Stellvertreter benannt werden. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 5 GOÄ, wonach dem Wahlarzt hinsichtlich der Gebührenhöhe nur der ausdrücklich benannte ständige ärztliche Vertreter gleichsteht. Nach der Rechtsprechung ist dies Ausfluss einer allgemeinen Wertung, die auf die Bewertung der Zumutbarkeit der Klausel nach § 308 Nr. 4 BGB zu übertragen ist.[52] Auch dieser Anforderung genügt die Klausel nicht.

      Die Vertretungsklausel eröffnet also eine Behandlung durch irgendeinen Arzt in einer Fülle an Situationen, und dies bei bereits geplanter Abwesenheit des Wahlarztes, was für den Patienten nicht zumutbar ist und folglich gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt.[53]

      (3) Zwischenergebnis

      Im Ergebnis ist die Vertretungsklausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

      dd) Generalklausel, § 307 BGB

      Überdies könnte die Klausel unwirksam sein, soweit sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Fall, wenn die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Der Zweck der Wahlarztvereinbarung ist die Behandlung durch einen festgelegten Arzt. In dem Fall einer schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststehenden Verhinderung des Wahlarztes und einer auf keine Person konkretisierten Vertretungsregelung wird das Recht des Patienten auf eine gewählte Behandlung stark beeinträchtigt und der Vertragszweck zumindest gefährdet. Damit ist die Klausel (subsidiär) auch gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

      ee) Zwischenergebnis

      Die Klausel ist somit unwirksam, da sie sowohl überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB und zudem nach § 308 Nr. 4 BGB unzulässig ist. Die Wahlleistungsvereinbarung im Übrigen bleibt ausweislich des § 306 Abs. 1 BGB als lex specialis zu § 139 BGB wirksam. Die Berechtigung der Leistungserbringung durch O ergibt sich somit nicht schon aus der erweiterten Wahlleistungsvereinbarung.

      2. Stellvertretungsvereinbarung zwischen P und C

      Diese Berechtigung könnte sich aber aus der am 6.7.2016 zwischen P und C geschlossenen Vereinbarung, dass O die Operation als Stellvertreter vornehmen solle, ergeben. Diese „Schriftliche Fixierung der Stellvertretervereinbarung vom 5.7.2016“ könnte den Voraussetzungen der §§ 305 ff. BGB unterliegen.

      a) Vorliegen von AGB

      aa) Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB

      Der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht gemäß § 310 Abs. 4 BGB eingeschränkt.

      bb) Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

      Die Klausel müsste eine AGB darstellen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind all die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Ein Vordruck wird für eine Vielzahl von Verträgen vorbereitet und wurde einseitig von C gestellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen dabei aber nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind, § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. An dieser Stelle erfolgt eine Abgrenzung zur Individualvereinbarung. Eine Vertragsbedingung ist ausgehandelt i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB, wenn ihr Inhalt nicht nur vom Verwender, sondern auch von der Gegenseite in den rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden ist.[54] Sie muss somit Ausdruck der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung beider Vertragsparteien sein.[55] Für das Aushandeln kommt es im Übrigen nicht darauf an, dass die Parteien über den Vertragstext verhandelt haben. Selbst eine vorformulierte Klausel kann ausgehandelt sein, sofern dem Verwender dabei die Möglichkeit bleibt, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen.[56]

      Vorliegend standen der P folgende drei Varianten mittels Ankreuzens zur Wahl. Neben der gewählten Vertretung durch O hätte P den Operationstermin auf einen Zeitpunkt, an dem C verfügbar wäre, verschieben können oder die Behandlung durch den jeweils diensthabenden Arzt ohne Sonderzahlung verlangen können. Es stellt sich die Frage, ob die beiden Alternativen eine wirkliche Wahlmöglichkeit der P eröffneten, die die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung ausreichend tragen. Die Operation war nicht dringlich und eine spätere Vornahme hätte medizinisch keine negativen Folgen ausgelöst, sodass bereits diese Möglichkeit eine echte Alternative für P darstellte. Die Vertretungsvereinbarung in der „Schriftliche[n] Fixierung der Stellvertretervereinbarung vom 5.7.2016“ war also zwischen P und C im Einzelnen ausgehandelt.

      cc) Zwischenergebnis

      Mangels Vorliegens von AGB ist der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB nicht eröffnet. Die „Fixierung der Stellvertretervereinbarung“ stellt eine Individualvereinbarung dar, in der die Delegierung der ärztlichen Leistung an einen Stellvertreter möglich ist.[57]

      b) Besondere Aufklärungspflichten aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB

      Schließlich könnte die Stellvertretungsvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen besondere Aufklärungspflichten aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB unwirksam sein. Oftmals befindet sich ein Patient bei dem Abschluss einer solchen nachträglichen Vertreterreglung in der bedrängenden Situation einer schweren Sorge um die Gesundheit oder gar das Überleben.[58] Aus dem Grundsatz nach Treu und Glauben bestehen deshalb besondere Aufklärungspflichten. Danach ist der Patient so früh wie möglich über die Abwesenheit des Wahlarztes zu unterrichten und sind ihm adäquate Handlungsalternativen anzubieten.[59]

      Patienten sind ferner aufgrund der besonderen Drucksituation im Rahmen einer ärztlichen Behandlung oft nicht zu einer adäquaten und sachlichen Abwägung vorgelegter Handlungsalternativen in der Lage. Es war somit geboten, die drei möglichen Handlungsvarianten, die P ankreuzen konnte, näher zu erläutern.[60] C informierte P mündlich über den Grund seiner Abwesenheit und über den Inhalt der Stellvertretervereinbarung und deren