47
Zustimmung verdient die Ansicht, dass die vorstehenden Grundsätze nicht für Eingriffe ohne medizinische Indikation gelten, soweit es sich um nicht grob fahrlässig verursachte Schäden außerhalb der Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit, insbesondere um bloße Vermögensinteressen handelt[98]. Hier erscheint ein vertraglicher Ausschluss oder eine vertragliche Begrenzung des Haftungsrisikos generell möglich.[99] Unter diesem Gesichtspunkt soll auch ein Haftungsverzicht zulässig sein, der von einem Patienten ausgeht, der über Expertenwissen verfügt und auf einen nichtindizierten, diagnostisch nicht abgesicherten Eingriff besteht.[100]
48
Die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses oder der Haftungsbeschränkung durch Formularklauseln/Allgemeine Geschäftsbedingungen richtet sich nach den §§ 305 ff. BGB. Nach § 309 Nr. 7a BGB ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Vertragshaftung sowohl bei grober als auch bei leichter Fahrlässigkeit unwirksam, soweit es um die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit geht.[101] Das gilt entsprechend auch für die deliktische Haftung.[102] Ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit bei nicht personenbezogenen Pflichten ist dagegen gemäß § 309 Nr. 7b zulässig und verstößt auch nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.[103]
49
Eine Haftungsbeschränkung eigener Art enthält § 134a Abs. 5 S. 1 SGB V mit dem Haftungsprivileg für Hebammen. Demzufolge kann ein Ersatzanspruch nach § 116 Abs. 1 SGB X wegen Schäden aufgrund von Behandlungsfehlern in der Geburtshilfe von Kranken- und Pflegekassen gegenüber freiberuflich tätigen Hebammen nur geltend gemacht werden, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. Das Problem des gestörten Gesamtschuldverhältnisses hat der Gesetzgeber im folgenden S. auch gelöst: „Im Fall einer gesamtschuldnerischen Haftung können Kranken- und Pflegekassen einen nach § 116 Absatz 1 des Zehnten Buches übergegangenen Ersatzanspruch im Umfang des Verursachungs- und Verschuldensanteils der nach Satz 1 begünstigten Hebamme gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern nicht geltend machen.“ Ob die Vorschrift von praktischer Relevanz sein wird, ist fraglich.
4. Expertenstatus des Arztes und Selbstbestimmungsrecht des Patienten
50
Die Vertrags- wie die Deliktshaftung beruhen auf der Anerkennung des Prinzips vom Expertenstatus des Arztes und des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Der Patient muss in beiden Haftungssystemen gleichermaßen als Subjekt, nicht als Objekt der Behandlung angesehen werden. Das längst nicht mehr paternalistisch bestimmte, sondern im Zeichen grundgesetzlicher Wertentscheidungen stehende Verhältnis zwischen Arzt und Patient vereint den Expertenstatus des Behandelnden mit dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Kranken. So hat der Patient ein Recht darauf, vor größeren, nicht plötzlich anstehenden Eingriffen seinen Operateur vorher kennenzulernen und jedenfalls stets, zumindest nachträglich, seinen Namen zu erfahren.[104] Auch hat er das Recht, von einem vereinbarten Arzt behandelt zu werden. Ansonsten wird der Eingriff rechtswidrig[105]. Insoweit gibt es keine Differenzierung zwischen honorarrechtlicher und haftungsrechtlicher Rechtsprechung.
5. Beweislast für anspruchsbegründende Voraussetzungen
51
Dem Vertrags- und Deliktsrecht gemeinsam ist, dass der Anspruchsteller grundsätzlich die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Im Einzelnen sind das der Arztfehler, die daraus entstandene Verletzung, die Kausalität und das Verschulden des Arztes[106], seit dem Erlass des Patientenrechtegesetzes aber auch die Aufklärungspflichtverletzung[107]. Schon zuvor ließ sich die Beweislast des Arztes für die Aufklärungspflichtverletzung letztlich allenfalls deliktisch begründen. Die Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB hätte der Patient beweisen müssen. Auch die §§ 630 a–g BGB begründen im Grundsatz keine neuen Beweislastregelungen i.S. einer allgemeinen Beweislastumkehr.[108]
6. Prägnante Unterschiede
52
Da die Pflichten des Arztes aus Vertrag und Delikt sich schon immer glichen, bedeuteten die Reformen im Arzthaftungsrecht keine wirklichen Veränderungen. Ehestens wird die Bedeutung des Deliktsrechts als Anspruchsgrundlage zurückgedrängt. Ansprüche aus § 823 BGB sind in Zukunft nur noch für Ansprüche gegen Ärzte von Bedeutung, zu denen kein Vertragsverhältnis besteht, z.B. den angestellten Klinikärzten.
53
Von größerer praktischer Bedeutung ist der Haftungsumfang, der deutlich weiter gefasst ist als im Vertragsrecht. Vertragliche Ansprüche stehen grundsätzlich nur dem Vertragspartner zu, im Deliktsrecht gibt es auch Ansprüche von Dritten. Im Deliktsrecht finden sich Ersatzansprüche für Unterhaltsverlust und entgangene Dienste bei Verletzung, ja selbst bei Tod des Patienten (§§ 844, 845 BGB).[109] Zu beachten ist insoweit insbesondere auch der neu eingefügte § 844 Abs. 3 BGB (Schmerzensgeld für nahe Angehörige bzw. Hinterbliebenengeld), dem im Arzthaftungsrecht größte Bedeutung zukommen wird[110].
V. Klagebefugnis, Aktiv- und Passivlegitimation
54
Zu den Haftungsgrundlagen gehört auch die Darstellung derjenigen Personen, die aus dem Haftungstatbestand – vertraglicher oder deliktischer Natur – Ansprüche herleiten können bzw. ihnen ausgesetzt sind. Das betrifft in prozessualer Hinsicht die Frage der Klagebefugnis und in materiell-rechtlicher Hinsicht die Frage der Aktiv- und der Passivlegitimation.
1. Klagebefugnis
55
In prozessualer Hinsicht ist anzumerken, dass sowohl Privat- als auch Kassenpatienten ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Fehlers im Rahmen ambulanter oder (teil-)stationärer Behandlung grundsätzlich im Zivilrechtsweg verfolgen müssen.[111]
56
Die