c) Mausklick oder Fingertipp als Erklärungshandlung
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Eine rechtliche Besonderheit der elektronischen Willenserklärungen besteht darin, dass sie zuweilen nur in einem schwachen Bezug zum Äußernden stehen. Oft bestehen die Erklärungen „nur“ aus einem Mausklick oder einem Fingertipp auf einem Touchscreen, sodass die Zuordnung der Erklärung zum Erklärenden nicht immer ohne Weiteres erfolgen kann. Dabei ist zu beachten, dass jeder Nutzer mit einer Vielzahl von Mausklicks oder Fingertipps durch Websites oder Anwendungen auf einem Smart Device navigiert; nur in einzelnen Fällen handelt es sich hierbei aber um rechtserhebliche Erklärungen.
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Probleme können sich dabei daraus ergeben, dass im Internet, z.B. aus Unachtsamkeit oder wegen einer verwirrend gestalteten Website, versehentlich eine rechtserhebliche Erklärung abgegeben wird. Allerdings gelten hier dieselben Grundsätze wie in der Offline-Welt: Ob der Internet-Nutzer bei einem Mausklick das Bewusstsein hat, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben, ist nicht relevant, da das Erklärungsbewusstsein keine Voraussetzung für eine wirksame Willenserklärung ist.6 Ausreichend ist, dass die Willenserklärung dem Erklärenden zugerechnet werden kann.7 Zurechenbar ist eine Erklärung aber bereits dann, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Erklärung oder sein Verhalten nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte.8
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Klickt oder tippt ein Internet-Nutzer versehentlich einen Button, welcher einen rechtlich relevanten Vorgang wie eine Bestellung oder den Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber einer Internet-Plattform auslöst, gilt demnach Folgendes: Hätte ein Internet-Nutzer durch die Gestaltung der Website erkennen können, dass er eine rechtserhebliche Handlung vollzieht, so ist diese ihm zurechenbar und stellt rechtlich eine ihn bindende Willenserklärung dar. Ist dies nicht der Fall, so liegt keine zurechenbare Willenserklärung vor.9
2. Formbedürftigkeit
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Wenn nach den gesetzlichen Regeln für eine Willenserklärung keine bestimmte Form einzuhalten ist, so kann diese unproblematisch auch als elektronische Willenserklärung abgegeben werden.
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Dort, wo gesetzlich eine bestimmte Form vorgeschrieben ist, wurden die gesetzlichen Regelungen mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften an die Erfordernisse des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst. So ist z.B. in § 126 Abs. 3 BGB bestimmt, dass grundsätzlich die gesetzliche Schriftform durch die elektronische Form gemäß § 126a BGB ersetzt werden kann.10 Gleichwohl ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob eine gesetzliche Form bei elektronischen Willenserklärungen durch ein elektronisches Pendant ersetzt werden darf. Der Ausschluss der Ersetzung ergibt sich entweder aus der jeweiligen Formvorschrift selbst oder aus dem Zweck- und Sachzusammenhang der Norm.11 So ist beispielsweise die schriftlich zu erklärende Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form wegen § 623 BGB unzulässig.12
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Soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen vertragliche oder sog. gewillkürte Schriftformerfordernisse i.S.d. § 127 BGB vorsehen,13 hat der BGH für elektronisch durchgeführte oder abgewickelte Vertragsverhältnisse entschieden, dass in diesen Fällen die Anordnung einer strengen Schriftform mit Papier und Unterschrift i.S.d. § 126 Abs. 1 BGB für Kündigungen von Verbrauchern unzulässig ist, weil hierdurch der Verbraucher gehindert wird, sich ebenso einfach von einem Internetvertrag zu lösen, wie er zuvor den Internetvertrag abgeschlossen hat.14
3. Arten der Vertragsanbahnungen
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Die Vertragsanbahnung im Internet und E-Commerce erfolgt üblicherweise über Onlineshops.
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Bei einem Onlineshop gestaltet jemand, der Waren, Dienste oder digitale Inhalte im Internet anbieten möchte, eine Website oder App so, dass seine Leistungen beschrieben werden und deren Bestellung ermöglicht wird. Um den Bestellvorgang zu automatisieren, wird meist ein virtueller Warenkorb integriert, in den der Besteller alle Waren, die er erwerben möchte, per Mausklick oder Fingertipp übernehmen kann. Hat er alle Waren ausgewählt, so muss er seine persönlichen Angaben (Name, Adresse, ggf. Kundennummer, Zahlungsform usw.) über eine Bildschirmmaske eingeben und per Mausklick oder Fingertipp die nunmehr vollständige Bestellung an den Anbieter abschicken.
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Derartige Onlineshops werden zunehmend in soziale Netzwerke oder Informationsangebote im Internet integriert, z.B. in Themenportale. Solche Themenportale können von Anbietern oder Herstellern zur Kundenansprache mit dem Ziel vertrieblicher Abschlüsse betrieben werden, ebenso aber auch von selbstständigen Dritten, welche dort die themenbezogenen Informationen mit Erwerbsmöglichkeiten für passende Produkte oder Leistungen verknüpfen. Dabei kann der Vertragsschluss dadurch erleichtert werden, dass der Verbraucher keinen eigenen Account unter Eingabe persönlicher Daten mehr anlegen muss, sondern seine Daten aus einem Nutzerzugang etwa bei Amazon, Google, Apple oder PayPal übernehmen kann.
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Früher gab es stattdessen die Anbahnung von Verträgen über E-Mail. Dabei wurden zwei Alternativen genutzt: Zum Teil versendete ein Anbieter eine E-Mail an E-Mail-Adressen aus Adresslisten, also eine Massen-E-Mail, vergleichbar einer entsprechenden Mailing-Aktion über Briefpost, oder aber er bot konkret einem Kunden seine Leistung per individueller E-Mail an. Heute werden E-Mails oder Massenansprachen in sozialen Netzwerken nur noch sehr selten zum individuellen Vertragsabschluss genutzt. Regelmäßig erfolgt von dort der Absprung in einen Onlineshop. Anders lassen sich die stetig wachsenden Anforderungen an den Verbraucherschutz im E-Commerce kaum sicher gewährleisten.15
1 Zur Regulierung der Plattformverträge durch die sog. P2B-Verordnung siehe Kap. 7, Rn. 7. 2 Zusammenfassend Paulus, JuS 2019, 960, 962f. 3 Glossner, in: Leupold/Glossner, MAH IT-Recht, 2013, Teil 2, Rn. 15; Säcker, in: MüKo-BGB, 2018, Einl. BGB AT Rn. 189; Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, Vorb. §§ 116 BGB ff. Rn. 6. 4 Ausführlich zu technischen Grundlagen und aktuellen Entwicklungen von KI Pieper, InTeR 2016, 188, 189ff.; InTeR 2018, 9, 11ff.; aus Sicht des Datenschutzes siehe Datenschutzkonferenz (DSK), Positionspapier der DSK zu empfohlenen technischen und organisatorischen Maßnahmen bei der Entwicklung und dem Betrieb von KI-Systemen v. 6.11.2019, https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/en/20191106_positionspapier_kuenstliche_intelligenz.pdf. 5 Zum Diskussionsstand etwa Borges, NJW 2018, 977; Denga, CR 2018, 69. 6 Mit Beispielen Glossner, in: Leupold/Glossner, MAH IT-Recht, 2013, Teil 2, Rn. 20ff. 7 Vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1984 – IX ZR 66/83; Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 2021, Kap. 13.1,