„Die symbolische Macht determiniert als eine Art Generalbass alle anderen (Feld-)merkmale und kann als zentrales Element polizeilicher Autorität verstanden werden.“
Dieses Monopol auf Gewalt ist durch das Feld Polizei und seine AkteurInnen nicht erfolgreich praktizierbar, ohne das angesprochene symbolische Kapital an Legitimation und Anerkennung. Oder anders: „Die Sprache der Autorität regiert immer nur dank der Kollaboration der Regierten, das heißt mit Hilfe sozialer Mechanismen zur Produktion jenes auf Verkennung gegründeten Einverständnisses, das der Ursprung jeder Autorität ist“ (Bourdieu, 1990, S. 79). Die meisten BürgerInnen übernehmen im Prozess der (unmerklichen) Aneignung und Anerkennung staatlicher Strukturen und Praxen das in staatlichen Konstruktionen, staatlichen Werten und Normen manifestierte Denken des Staates, legen ihm Wert bei, anerkennen seine spezifische Logik und Legitimation und statten das Feld Polizei so über Bande auch mit symbolischem Kapital und damit (staatlicher) Autorität aus (vgl. analog Bourdieu, 1998, S. 108ff.). Da es „keine symbolische Macht ohne eine Symbolik der Macht“ (Bourdieu, 1990, S. 55) gibt, geht die polizeiliche Inszenierung auch mit feldspezifischen Ausstattungskapitalien einher, wobei erst der beschriebene Glaube der Bevölkerung an die staatliche Autorität die polizeilichen Symbole überhaupt legitimiert. So Uniformierung, Dienstausweise, Bewaffnung, Einsatzfahrzeuge oder polizeiliche Dienststellen. Diese uniformieren die polizeilichen Akteure nicht nur, sondern trennen die Welt Polizei distinktiv von der umgebenden Gesellschaft. Ihre entscheidende Aufgabe ist die Präsentation und Repräsentation der Stärke und Macht des Feldes Polizei. Und damit die Sicherung staatlicher Autorität.
„Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen.“
2.2 Gewalt & Argwohn
Die Bedingungen, unter denen die polizeilichen Feldakteure auf die Spielarten der symbolischen (Handlungs-)Macht zurückgreifen, folgen der spezifischen Logik des symbolischen (Gewalt-)Kapitals. Oder anders: Das Feld Polizei als manifester Teil des staatlichen Gewaltmonopols generiert durch seine Strukturen Zugzwänge für das Denken, Wahrnehmen und Handeln seiner AkteurInnen. So müssen alle polizeilichen AkteurInnen individuell ein Verhältnis zu den „universalen [...] Grundlagen polizeilicher Gewalt“ (Behr, 2006, S. 186) entwickeln. Sie müssen gewaltbereit, dürfen aber nicht gewaltaffin sein. Gewalt als Herrschaftsform im Feld Polizei bewegt sich dabei zugleich gegenwärtig und verschleiert zwischen den Polen von barer physischer Gewalt und komplexer symbolischer Gewalt (vgl. analog Bourdieu, 1993, S. 230f.). Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen. Die Polizei steht als Thin Blue Line dazwischen, schützt die Guten“ und wacht argwöhnisch (und machtvoll) über die Bösen. Potenziell renitente Personen werden von den Feldakteuren als symbolische Angreifer (Skolnick) wahrgenommen. Sie erhöhen das subjektive Berufsrisiko und sind gleichsam eine Bedrohung für die erfolgreiche kollektive Inszenierung innerer Sicherheit und staatlicher Autorität. Fast immer, wenn die symbolische (Handlungs-)Macht zur Aufgabenerfüllung nicht ausreicht oder als nicht ausreichend wahrgenommen wird, greift die Polizei auf den Einsatz manifester Gewalt zurück. Für Hüttermann (2004, 232f.) fügen sich die den polizeilichen Habitus prägenden Komponenten, „... nicht zum polizeitypischen Ganzen, wenn die Aura potentieller, beliebig eskalierbarer Gewaltanwendung fehlt“. Und weiter: „Das Amtscharisma eines Polizisten beruht so gesehen in letzter Instanz auf seiner Fähigkeit, in einer Konfliktsituation überlegene Gewalt zu entfesseln und, wenn für notwendig befunden, die überlegene, das Gewaltpotential des Einzelakteurs vervielfältigende Reaktion des polizeilichen Gesamtkörpers zu mobilisieren“ (ebd., 233). Da „Autorität stets als Eigenschaft der Person“ (Bourdieu, 1993, S. 234) wahrgenommen wird, ist hinsichtlich einer erfolgreichen (Praxis-) Performance das rechtmäßige resp. von den BürgerInnen als rechtmäßig oder gerecht empfundene Handeln der polizeilichen Akteure auf der Vorderbühne des Feldes von enormer Bedeutung (vgl. analog Goffman, 2000, 77). Rechtswidrige polizeiliche Praxen, wie bspw. racial profiling, bergen die Gefahr der teilweisen Delegitimierung der Nutzung staatlicher Rechte und Titel durch die polizeilichen AkteurInnen. Und stellen damit staatliche Autorität in Frage. Fehlverhalten wird daher von den InhaberInnen der herrschenden (Feld-)Positionen in der Regel als individuelles Versagen und nicht als Systemfehler postuliert. In summa steht die Autorität der polizeilichen AkteurInnen stellvertretend für die Autorität der formellen Gruppe Polizei und kann, “[...] auf Dauer nur durch Handlungen bestehen, die sich nach den von der Gruppe anerkannten Werten richten und diese Autorität so immer wieder bestätigen“ (Bourdieu, 1993, S. 236).
2.3 Gender
Das Geschlecht ist für Bourdieu ein sozial konstruiertes Ordnungsprinzip, das die Habitus der sozialen Akteure entscheidend bestimmt. Die Polizei ist trotz eines Frauenanteils von ca. 3o % als geschlechtsstrukturierter Raum traditionell und gegenwärtig ein Feld der institutionalisierten männlichen Herrschaft. Sie wird bestimmt durch einen männlichen Wettstreit, den Aspekte der Autorität und Ehre als symbolisches Kapital prägen. Dabei lastet die feldspezifische „Ehrenmoral ... auf jedem mit dem Gewicht aller anderen Gruppenmitglieder“ (Bourdieu, 1993, S. 203), ist also nicht nur eine Ausprägung der Kollegialität, sondern auch ein Handlungszwang, der in Kameraderie münden kann. Und der im formellen und informellen Statusgefüge der Gruppe Polizei ständig abgefordert und gleichsam verstärkt wird (vgl. auch Hüttermann, 2004, S. 242). Im Habitus spezifischer Feldakteure bzw. Klassenfraktionen lässt sich denn auch das nachweisen, was als hegemoniale Maskulinität oder Kriegermännlichkeit (siehe Behr, 2000; Schöne 2011: 218, 364) bezeichnet wird. Zudem wird Polizeiarbeit in einer Art gesellschaftlicher Rückkopplung auch von weiten Teilen der Bevölkerung noch immer als typisch männliche Aufgabe angesehen. Die meisten verbalen und nonverbalen habituellen Praktiken des Feldes sowie das Autoritäts-Reproduktionssystem sind auch deshalb so krisenstabil vom Prinzip der männlichen Herrschaft geprägt. Und von Stärkedemonstrationen durchsetzt, mit denen die männlichen Feldakteure anderen zeigen und sich selbst bestätigen (wollen), dass sie Männer sind. In einigen Unterfeldern ist sogar eine Grundangst vor Verweiblichung und einem damit verbundenen Autoritätsverlust spürbar. So in Sondereinsatzkommandos oder der Bereitschaftspolizei. Das zunehmend mehr weibliche Akteure im Feld Polizei handeln, dürfte analog zur Token-Theorie die Interessen- und Machtverhältnisse zukünftig merklich beeinflussen.
„Das soziale Geschlecht der Polizei kann damit als primär maskulin beschrieben werden.“
3. Epilog - Museumswärterin der Demokratie
Autorität ist für eine gelingende polizeiliche Performance unerlässlich. Polizeiliche Autorität ist dabei immer staatliche Autorität. Damit sind ihre Effekte wie Praxisformen struktur- und wertkonservativ. Die komplexen Effekte des sozialen Wandels bringen das Feld Polizei in Zugzwang, da sich Ordnung und Sicherheit nicht mehr ohne Weiteres mit tradierten Strategien im Fahrwasser staatlicher Autorität umsetzen bzw. erzeugen lassen. Dieser Druck zur Veränderung erzeugt Spannungen innerhalb des Feldes und zwischen Feld und Gesellschaft. Für Bourdieu (2001, 279) löst jede „Veränderung innerhalb eines Raumes von Positionen ... einen allgemeinen Wandel aus“. Diese Veränderungen sind seit Jahren in Gestalt von Reformen und Konfliktlagen Realität für die AkteurInnen des Feldes, die von vielen als Störung ihrer eingeübten und als funktional empfundenen polizeilichen Praxis erfahren werden. Oder anders: Der mit einer Reform verbundene Veränderungsprozess stört zumeist „die in einer Organisation vorherrschenden Selbstverständlichkeiten, sowohl was die organisationskulturell geprägten Normen, Denkmuster und Identitäten als auch was die im dienstlichen Alltag etablierten Arbeitsabläufe, Handlungsroutinen und Kommunikationswege